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Coole Frauen

Wenige Jahre vor dem völkischen Wahn wurde ein Frauenbild geschaffen, das sich global verstand und wie bei den Futuristen in Italien nichts mit traditionellen Rollenverständnissen zu tun haben wollte. Das Georg Kolbe Museum in Berlin lässt diese Zeit aufscheinen. "Glamour! Frauendarstellungen in der Weimarer Republik" heißt die Schau.

Von Carsten Probst | 20.02.2008
    Die These dieser Ausstellung lässt sich in etwa so zusammenfassen: Während einer kurzen, einer sehr kurzen Periode, nämlich zwischen 1928 und 1932, war Deutschland wirklich modern. Natürlich gab es die Moderne auch schon vorher, war bis dahin aber die Angelegenheit von Künstlern und Intellektuellen, einer kleinen Avantgarde, die nicht zu unrecht von sich annahm, ihrer Zeit voraus zu sein. Nach 1932 wiederum versetzten die Nazis das Land in eine völkische Steinzeit, die alles Moderne als "entartet" ausmerzte und ins Exil trieb.

    In dem geradezu verschwindend kleinen Zeitraum von fünf Jahren zwischen 1928 und 32 aber ergab sich demnach etwas historisch Besonderes. Die Avantgarden der früheren Jahrzehnte hatten sich allmählich etabliert, die einst revolutionäre neue Formensprache der Bilder, des Designs, der Medien und der Architektur und ihr internationaler Anspruch waren nicht mehr nur Experimente einer kleinen abgehobenen Gruppe, sondern begannen, das Lebensgefühl einer breiteren Bevölkerungsschicht zu bestimmen, nicht nur, aber eben im wesentlichen auch im Deutschland der späten Weimarer Republik. In dieser Zeit wird so etwas wie eine internationale Alltagskultur erkennbar, eine ästhetische Weltgemeinschaft. Ihre Heldinnen und Helden sind allerdings nicht die Kandinskys oder Picassos oder das Bauhaus, sondern die Filmstars und Modedesigner der dreißiger Jahre. Verena Dollenmaier, die Kuratorin der vorzüglichen Berliner Ausstellung, fokussiert dabei insbesondere das Frauenbild, den medial inszenierten Frauenkörper als Ikone der neuen Zeit. Anders als noch in den Jahren zuvor, als Frauen noch als "Girls" gezeigt wurden, als kumpelhaftes, fast geschlechtsloses Kindchenschema, werden sie nun zu Exponentinnen eines abstrakten, überpersönlichen Stils, der eher einer allgemeinen Formgesetzlichkeit folgt, die international anwendbar ist und keiner individuellen "Haltung mehr entspricht. Hollywoods beginnende Filmindustrie schwingt sich in dieser Phase zu ihrer historischen Bedeutung auf, weil sie diese Formgesetze in lebende Bilder umsetzt und so als Lebensvorlage gestaltet.

    Der Begriff des "Glamour" im Titel der Ausstellung bedeutet dabei nicht dasselbe, was heutige Boulevardmagazine darunter verstehen, sondern ganz buchstäblich den herausgehobenen Glanz des Allgemeingültigen, eines erwachsen gewordenen Lebensgefühls, das sich ganz dem Stil als Mittel der Kommunikation anvertraute. Greta Garbo, Marlene Dietrich, Lil Dagover oder Lilian Harvey waren die die bekanntesten Protagonistinnen und Vorbilder dieser Entwicklung und verdanken ihren Ruhm ganz wesentlich ihrer überpersönlichen Ausstrahlung. Der Modeschöpfer Wolfgang Joop beschreibt das Prinzip in seiner kurzen Einlassung im Ausstellungskatalog treffend so: "Ein Top-Model hat den kühlen Blick. Es stellt sich zwar aus - allen Blicken -, aber es sieht nicht den, der es betrachtet. Hat es diesen cool factor, wird es unbezahlbar."

    In der Tat ist dies eigentlich eine Ausstellung über die Erfindung des überpersönlichen Blicks. Er ist das Neue, der im Film und in den Starfotos herausgestellt und in der Mode, den glamourösen Accessoires und im Make-Up dieser Zeit wirklich imitiert wird. Eigentlich musste diese Ausstellung daher "Die Erfindung des modernen Blicks" heissen.

    Kaum ein künstlerisches Werk verkörpert diese Botschaft so eindrücklich wie die "coolen" mondänen, an Oskar Schlemmer und Fernand Leger geschulten Frauenporträts der Malerin Tamara Lempicka. Sie sind zweifellos ein Höhepunkt dieser Ausstellung. Viele andere gemalte Bilder aus dem Kontext gerade der Neuen Sachlichkeit bleiben dagegen in ihrer akademischen Aneinanderreihung eher blass und nur von summarischem Erkenntniswert für diese Präsentation. Aber es ist kein Wunder, dass die Bildende Kunst insgesamt in dieser historischen Phase an Ausdruckskraft weit hinter der Fotografie und dem Film zurückbleibt. Vielleicht hätte man bei dieser Ausstellung deswegen auch noch stärker auf den Film setzen und ihn als die kongeniale Kunstform dieser neuen Alltagsmoderne begreifen sollen.