Donnerstag, 25. April 2024

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Welt-Klimakonferenz in Glasgow
COP26 - Erfolg oder vertane Chance?

Nach der Welt-Klimakonferenz haben sich Teilnehmer und Experten vorsichtig optimistisch gezeigt. Sie sind überzeugt, dass die Weltgemeinschaft ein Stück weiter gekommen ist. Im Detail zeigen sich aber auch Schwächen der Vereinbarungen von Glasgow.

15.11.2021
    Der britische Premierminister Boris Johnson auf dem Weg zur Weltklimakonferenz.
    Der britische Premierminister Johnson auf dem Weg zur Weltklimakonferenz. (Pool Reuters/Phil Noble)
    "Die COP26 ist ein Erfolg, weil damit nun das Regelwerk, das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens notwendig ist, vollständig verabschiedet wurde. Damit kann nun die Umsetzungsphase beginnen, in der dann die Staaten zeigen müssen, dass sie ihre angekündigten Ziele auch tatsächlich erfüllen." Dieses Fazit zog Anke Herold, die Geschäftsführerin des Öko-Instituts in Berlin und Mitglied der deutschen Delegation bei den Klimaverhandlungen. Auch Sonja Peterson vom Forschungszentrum Global Commons und Klimapolitik am Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel würdigte die Abschlüsse des UNO-Klimagipfels: "Der Teufel steckt immer im Detail. Es ist daher sehr viel schwieriger, sich auf konkrete nächste Schritte zu einigen als auf einen großen Rahmen und ein langfristiges Ziel wie 2015 in Paris."

    Internationaler Emissionshandel mit gemischter Bilanz

    Eines dieser Details waren die Regeln zum internationalen Emissionshandel. Die Ergebnisse bewertet der Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut in Berlin, Lambert Schneider, gemischt. Auch er saß als Mitglied der europäischen Delegation mit am Verhandlungstisch. "Ein sehr wichtiges Ziel konnte erreicht werden: Alle Länder müssen ohne Ausnahme eine Doppelzählung von Emissionsminderung vermeiden." Genau dagegen hatte sich beispielsweise Brasilien in den vergangenen Jahren mit Händen und Füßen gewehrt. Die brasilianische Delegation stimmte nun aber zu, dass alle Emissionszertifikate bilanziert werden, ähnlich wie bei einem Bankkonto. Diese Selbstverständlichkeit habe hart erkämpft werden müssen, berichtet Lambert. Bislang gab es viele Bilanzierungstricks, mit denen die Minderung von einer Tonne CO2 auf zwei Klimaziele angerechnet werden konnte. Andererseits wurde, so Lambert, dieser Erfolg damit erkauft, dass alte Klimaschutzprojekte und Zertifikate immer noch angerechnet werden. Das könne die Bemühungen zum Klimaschutz im schlimmsten Fall um mehrere Milliarden Tonnen CO2 untergraben. "Es war wieder mal ein echter Kompromiss zwischen den so unterschiedlichen Interessen von über 190 Ländern."

    Der Ausstieg aus der Kohle

    "Mit aller Macht haben einige Staaten - allen voran Indien - versucht, das heraufbeschworene Ende der Kohle aus dem Entwurf heraus zu verhandeln oder zu schwächen." Lukas Hermwille, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, zeigte sich beeindruckt von der britischen Ratspräsidentschaft, die den Kohleausstieg auf die Agenda des Klimagipfels setzte. Für ihn ist die Abschlusserklärung ein "Meilenstein". Dass die Forderungen abgeschwächt wurden und nun nur noch von einem "schrittweisen Abbau", statt einem "Ausstieg" die Rede ist, hält Hermwille für nicht mehr als "eine Rettungsleine aus Spinnenseide".

    Erfolg der Waldrettungs-Initiative fraglich

    Auf der Weltklimakonferenz wurden, neben den großen Themen, auch einige Initiativen beschlossen. So haben mehr als hundert Regierungsvertreter eine Ende der Abholzung der Wälder bis 2030 versprochen. Auch der brasilianische Präsident Bolsonaro. Dafür sollen etwa 20 Milliarden US-Dollar an die Entwicklungsländer fließen. Die deutsche Delegierte Anke Herold stimmt das trotzdem nicht zuversichtlich. "Es gab schon einige dieser Ankündigungen in der Vergangenheit, die Entwaldung zu stoppen und es ist auch viel Geld geflossen. Die Abholzung ging weiter", sagt sie. "Ich denke nicht, dass diese Erklärung an der internationalen Entwaldung etwas ändern wird."

    Stolz, Hoffnung und Sorge

    "Ich sehe Gründe, stolz zu sein, hoffnungsvoll zu sein und tief besorgt zu sein." Das ist die Bilanz der Weltklimakonferenz, die Joeri Rogelj zieht, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Österreich. "Ich bin stolz, weil die Wissenschaft noch nie so stark in die COP-Entscheidungen eingeflossen ist. Hoffnungsvoll, weil viele Beschlüsse einen entscheidenden Schritt nach vorn bedeuten. Und zutiefst besorgt, denn der Klimawandel schreitet voran und verschlimmert sich mit jedem Jahr, das wir warten." Sein Fazit: Die Fortschritte auf dieser Weltklimakonferenz waren das Beste, was die Welt zu diesem Zeitpunkt zu tun bereit war. Aber sie reichen bei Weitem nicht aus.