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Corona-Tests in der Bundesliga
Keine Extrabehandlung?

Mitten in der Hochphase der Coronakrise wurde die ganze Mannschaft von Eintracht Frankfurt inklusive Betreuerstab und Trainerteam auf COVID-19 getestet. Zu einer Zeit, als Tests in Deutschland noch Mangelware waren. Die Coronakrise legt nahe, dass der Fußball trotz aller Beteuerungen auf seiner Sonderrolle besteht.

Von Jennifer Stange | 03.05.2020
Erik Durm (l.) und Andre Silva im Training von Eintracht Frankfurt am 3. April 2020
Nach dem Europa-League-Spiel gegen den FC Basel Mitte März, hatte ein Frankfurter Fußballprofi COVID-19-Symptome gezeigt: Die gesamte Mannschaft, das Trainer- und Betreuerteam kamen daraufhin in Quarantäne, wurden ebenfalls getestet. (www.imago-images.de)
Frankfurt am Main Ende März - Lockdown. Die Stadt so gut wie menschenleer. Zwischen den Hochhäusern im Zentrum leuchten nur noch die Helme und Warnwesten der Bauarbeiter. Einige machen Mittag in der Skyline Plaza zwischen Messe und Europaviertel.
Radu: "Alle sind wichtig!"
Torsten: "Aber das gibt es hier, wenn der Promi Corona-Verdacht hat, dann kriegt der gleich einen Test. Beim anderen wird vielleicht erstmal gesagt, warten Sie erstmal ab, wie es sich weiterentwickelt. Das gibt es hier genauso."
Radu kommt ursprünglich aus Rumänien, Torsten aus Deutschland. Ihren Nachnamen wollen beide nicht sagen. Es ist der Beginn der Coronakrise. Die Bauarbeiter diskutieren: was wäre, wenn sie sich mit dem Virus infizieren? In Rumänien, erzählt Radu, funktioniere das ganze Gesundheitssystem nur über Schmiergeld.
"Ich persönlich habe das in Deutschland noch nicht gesehen. Ich gehe ins Krankenhaus, die gucken nach wer Du bist, Du bist reich, Du bist arm, musst du warten, bist nicht so wichtig - ich persönlich habe das nicht gesehen."

Drei Kilometer vom Einkaufszentrum entfernt, auf der anderen Seite des Mains, liegt das Uniklinikum Frankfurt. Hier wurden laut Pressesprecher der Eintracht Frankfurt Fußball AG Spieler und Mitarbeiter auf COVID-19-Infektionen getestet.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Corona-Tests für einen Bundesligaklub mitten in der Coronakrise?
Am 19. März hatte der Bundesligist den ersten infizierten Spieler gemeldet. Am 23. März, vier Tage nach Bekanntgabe des ersten Corona-Falls, verkündet die Eintracht, die Ergebnisse 60 weiterer Tests würden nun vorliegen. Insgesamt zwei Spieler und zwei Mitarbeiter seien infiziert.
60 Corona-Tests für einen Bundesligaklub. In einer Zeit als der Bundesgesundheitsminister um Geduld und Verständnis für Wartezeiten bei Corona-Tests bittet, das Ärzteblatt überlastete Testlabore meldet und Bürgerinnen und Bürger in den sozialen Netzwerken von chaotischen Zuständen vor Testzentren berichten.
"Bei uns haben sich viele Beschäftigte gemeldet und haben gesagt, wir werden nicht getestet", sagt Sylivia Bühler, Mitglied im Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi, zuständig für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich. Aus deren Berichten wisse sie, dass anfangs Corona-Tests bundesweit knapp waren.

"Wenn es einen Kapazitätsmangel gibt, dann muss man Prioritäten setzen und da sehe ich deutlich, ich will es mal offen sagen, dass die Beschäftigten in den Kliniken, in den Pflegeeinrichtungen, in den Rettungsdiensten da vor einer Fußballmannschaft kommen.
Doch um moralische Vorrechte geht es erstmal nicht. Im Zeitraum als die Eintracht Frankfurt auf COVID-19 getestet wurde, galten folgende, vom Robert-Koch-Institut festgelegte, medizinische Kriterien: getestet werden sollten nur Patienten, die Symptome zeigen und in den vergangenen zwei Wochen Kontakt zu nachweislich Infizierten hatten, oder in einem der Risikogebiete waren. Kurz: Keine Symptome – kein Test.
Demnach hätten auch alle 60 Getesten der Eintracht Symtome gehabt haben müssen. Schriftliche Fragen des Deutschlandfunks dazu beantwortet das Uniklinikum Frankfurt zunächst nicht. Es verweist auf die ärztliche Schweigepflicht.
"Wenn das aber nur ein Vorwand ist?"
Spiegel Online weiß offenbar mehr. Mitte April ist hier in einem Artikel von einer Ministudie die Rede, abgesprochen zwischen Uniklinikum und Mannschaftsarzt. Team und Betreuer der Eintracht waren demnach Testpersonen. Sollten rein wissenschaftliche Interessen Grund für die vergleichsweise breiten und schnellen Testungen gewesen sein, wäre dagegen nichts einzuwenden, sagt Professor Carl Friedrich Gethmann, Mitglied des Deutschen Ethikrats.
"Wenn das aber nur ein Vorwand ist, und man in Wirklichkeit einem Verein mit dem man sympathisiert einen partikulären Vorteil verschaffen möchte, wäre die Sache nicht gerechtfertigt und dann wäre die Ungleichheit verwerflich. Das müsste jetzt natürlich überprüft werden."
Dazu sieht das grünengeführte Gesundheitsministerium in Hessen laut Auskunft einer Pressesprecherin keinen Anlass. Nach wiederholten Anfragen des Deutschlandfunks beim Uniklinikum, schreibt ein Sprecher:
Zitat: "Es handelte sich bei allen um begründete Verdachtsfälle. Die Tests waren medizinisch erforderlich und entsprachen den Vorgaben des Gesundheitsamts Frankfurt."
Laut Homepage hält sich das Frankfurter Gesundheitsamt an die Vorgaben des Robert Koch Instituts. Das geht außerdem davon aus, dass die Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung im Mittel bei fünf bis sechs Tagen liegt.

Pressemitteilungen der Eintracht legen nahe: Die 60 Tests erfolgten innerhalb von vier Tagen nach Bekanntwerden des ersten positiven Falles.
Symptome, die das nach RKI-Vorgaben erforderlich gemacht hätten, gab es offenbar nicht bei allen. Die Frankfurter Rundschau zitiert aus einem Interview des Hessischen Rundfunks mit Eintracht-Vorstandsmitglied Fredi Bobic. Der sagt, es gehe allen Infizierten sehr gut, einer der vier habe überhaupt nichts mitbekommen.
Der Ball soll möglichst schnell wieder rollen
Selbst einer der Infizierten hatte also offenbar keine Symptome und wäre unter normalen Bedingungen womöglich nicht auf COVID-19 getestet worden. Aber für den Fußball gelten Sonderregeln, das zeigt sich gerade in der Coronakrise. Carl-Friedrich Gethmann, Mitglied des Deutschen Ethikrats verfolgt die Debatte.
"Herr Rummenigge behauptet in einem Interview man verwende sowieso nur Testkits, die sowieso frei wären, wenn es so wäre, wäre die Sache eher harmlos, wenn es einen Verdrängungswettbewerb geben würde, dann würde ich sagen moralische Vorfahrt haben zunächst die Gesundheitsberufe."
Auch beim FC Bayern München sind Corona-Tests Thema. Längt würden die Spieler präventiv getestet werden. So zitierten Medien den Vorstandsvorsitzenden Karl Heinz Rummenigge und einen Spieler Mitte April.
Details dazu gibt der Verein auf Nachfrage nicht heraus. Schriftlich heißt es, man möchte sich nicht dazu äußern und halte sich an die Vorgaben der DFL. Die Deutsche Fußball Liga gibt seit vergangenem Donnerstag regelmäßige präventive Corona-Tests für den professionellen Fußball vor. Damit der Spielbetrieb möglichst schnell wieder losgehen kann.

Dies müsse Zitat: "angesichts der Bedeutung des Fußballs sozial-/gesellschaftspolitisch, wirtschaftlich" unter einem medizinisch vertretbaren Risiko möglich sein.

Dazu Ulf Baranowsky Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV: "Die Spieler sind hinsichtlich der Corona-Testungen offen, betonen aber, dass sie keine Sonderbehandlung gegenüber Erkrankten und medizinischem Personal wünschen."
Mit den neuen Regeln der DFL werden allerdings Privilegien gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen festgeschrieben. Wer beispielsweise auf dem Bau arbeitet, hat wohl kaum Chancen auf regelmäßige, vorsorgliche Tests.

Genau das macht die gesellschaftliche Schieflage aus, die das Fußballgeschäft mit hervorbringt. Daran ändern auch 500.000 Euro nichts, die die DFL dem Öffentlichen Gesundheitsdienst für Corona-Tests zur Verfügung stellen will. Zumal es in kritischen Phasen weniger um Geld, als vielmehr um fehlende Testressourcen ging.