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Coronakrise
Sind Medien systemrelevant?

In der Coronakrise soll insbesondere die sogenannte kritische Infrastruktur aufrechterhalten werden. Dabei wird auch darauf geachtet, dass die Bevölkerung weiterhin mit journalistischen Informationen versorgt werden. Wie systemrelevant sind also Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen?

Von Stefan Römermann | 23.03.2020
Lothar Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), bei einer Pressekonferenz
Medien sind vor allem für die Verbreitung von Informationen elementar (dpa/ Bernd von Jutrczenka)
Ja, die Tageszeitungen in Deutschland erscheinen auch in diesen Tagen. Und auch Radio- und Fernsehsender machen weiter Programm. Doch die Lage ist auch in vielen Medienhäusern ernst - sagt der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall.
"Auch vor Kolleginnen und Kollegen macht diese Krankheit, dieser Virus nicht halt. Das heißt, Redaktionen sind zum Teil schon minimiert, weil Menschen nicht da sind, haben manche Redaktionen auch schon das Programm runtergefahren. Machen beispielsweise dünnere Zeitungsausgaben."
Redaktionen ausgedünnt
Teilweise steckten dahinter aber Vorsichtsmaßnahmen. So wurden Redaktionen teilweise bewusst ausgedünnt, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Aber natürlich haben sich auch schon Journalistinnen und Journalisten mit dem Coronavirus infiziert oder hatten Kontakt zu infizierten Personen – und müssen deshalb zuhause bleiben. Oft genug haben Eltern aber auch Probleme, weil sie wegen geschlossener Schulen und Kitas keine Kinderbetreuung haben.
Coronavirus
Alle Beiträge zum Thema Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Gerade für die vielen freien Journalisten sei das eine schwierige Situation, weil ihnen plötzlich massenhaft Einnahmen wegbrechen, erzählt Überall. Aber auch für die Gesellschaft sei das ein ernstes Problem. Denn für Überall gehören Journalistinnen und Journalisten zu den so genannten "systemrelevanten" Berufen.
"Es geht bei Polizisten, Feuerwehrleuten, Ärzten, Krankenschwestern darum, dass eben das Grundversorgungssystem sichergestellt wird. Und wenn man sich die Verfassung anschaut, dann finde ich, dass auch die Grundversorgung mit Information, mit Recherche mit Einordnung auch für das demokratische System relevant sind."
"So wichtig wie andere kritische Infrastrukturen"
Das sieht Medienwissenschaftler Frank Lobigs von der TU Dortmund ähnlich: "Die Journalisten, die den öffentlichen Auftrag erfüllen, sind in der Krise genauso notwendig wie - weiß ich nicht - die Stromversorgung, wie andere kritische Infrastrukturen."
Der Begriff "kritische Infrastruktur" stammt aus einer EU-Richtline zum Schutz solcher Dienste und Einrichtungen. Weil es für die Gesellschaft wichtig oder eben "kritisch" ist, dass diese Dinge beispielsweise auch Krisenfall funktionieren. Tatsächlich zeige sich die Rolle der Medien gerade in Krisenzeiten ganz besonders, sagt Medienwissenschaftler Lobigs.
"Zumal der Staat natürlich im Moment dazu neigt, Freiheitseinschränkungen zu machen, die es noch nie gegeben hat in der Bundesrepublik: Versammlungsfreiheit, Berufsfreiheit, Religionsfreiheit werden eingeschränkt. Und da bedarf es um so mehr der Medien, die hier auch kritisch draufschauen."
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe dabei eine wichtige Rolle, weil er bei der Bevölkerung besonders hohes Vertrauen genießt, glaubt Lobigs.
Deutschlandfunk-Programm umgestellt
Eine Verantwortung, die auch Deutschlandfunk-Moderator Mario Dobovisek spürt. Er gehört dem Corona-Krisenstab beim Deutschlandradio an. Und er will dafür sorgen, dass der Deutschlandfunk im Zweifelsfall auch mit deutlich weniger Personal weitersenden kann.
"Denn wir sind ja der einzige öffentlich-rechtliche Radiosender mit unseren drei Programmen, die auch wirklich bundesweit senden können. Auch terrestrisch, nicht nur im Internet. Und deshalb ist es um so wichtiger, dass wir wie gewohnt auch Informationen aus Politik und Kultur zum Beispiel auch verbreiten können."
Dafür wird beim Deutschlandfunk das Programm ab heute vorübergehend umgestellt. Statt vieler Spezialsendungen mit häufig wechselnden Moderatoren gibt es jetzt tagsüber deutlich längere Sendestrecken.
"Wir senden Informationen, wir senden Politik, wir senden auch Kultur und Wirtschaft. Das ist alles der Deutschlandfunk. Auch wenn er anders klingt. Und das werden wir mit reduzierter Mannschaftsstärke schaffen und schaffen müssen."
Solidarität unter Konkurrenten
Auch die privaten Radio- und Fernsehsender bereiten sich mit Notfallplänen und Krisenstäben auf steigende Krankenstände und auch mögliche Infektionen im eigenen Haus vor. Ziel sei es in jedem Fall, den Sendebetrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, sagt Hans Demmel vom Verband der privaten Medien VAUNET.
"Funkhäuser sollten wirklich mit als letztes geschlossen werden. Weil einfach das, was wir an Information verbreiten, einfach wirklich wichtig ist."
Da sind dann anscheinend sogar die alten Rivalitäten zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunksendern plötzlich Nebensache: Es gäbe in der aktuellen Krisenzeit viel Solidarität und Hilfe auch über Sender- und Systemgrenzen hinweg, sagt Demmel.
"Ob wir in vier, sechs oder acht Wochen es erleben, dass eine WDR-Sendung aus einem RTL-Gebäude oder eine RTL-Sendung aus dem WDR-Gebäude produziert wird, das wage ich nicht vorherzusehen. Was ich nur feststelle ist: sehr, sehr viel gegenseitiges Verständnis und Hilfsbereitschaft."