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Corsogespräch
Das Leben reflektieren

Die Kölner Band Locas in Love hat sich mit ihrer sehr eigenständigen Mischung aus Indie-Pop und Singer/Songwriter mit deutschen Texten eine beständige Fangemeinde erspielt. Anja Buchman sprach mit der Bassistin und Sängerin Stefanie Schrank und Sänger und Gitarrist Björn Sonnenberg über das neue Album "Use your illusion 3&4" und den ersten Song "Blackbox".

Stefanie Schrank und Björn Sonnenberg im Gespräch mit Anja Buchmann | 14.02.2015
    "Die Blackbox als Gegenstand ist etwas, was wir zum Beispiel kennen, wenn ein Flugzeug abstürzt. Dann wird immer versucht, die Blackbox zu bergen, um die Katastrophe zu rekonstruieren und zu verstehen, was ist da wann schief gelaufen, wie kann man Sinn aus der Katastrophe machen. Deshalb erschien das was Passendes zu sein. Denn der Song ist eine Art Bestandsaufnahme, der durch verschieden Aspekte des Lebens hindurch läuft und versucht, das ganz Kleine mit dem ganz Großen zu verknüpfen. Das eigene Leben zu reflektieren, die eigene Liebe, die eigenen Beziehungsgeflechte aber die gleichzeitig zusammen zu denken mit größeren Zusammenhängen. Mit Gesellschaft, mit Machtstrukturen, mit Politik. Und das dann so listenartig durchzulaufen. Und dann tatsächlich immer kurz inne zu halten im Refrain, um auch daran zu erinnern, dass man nicht alles extrem überbewerten muss und dass es wichtig ist, Dinge zu reflektieren,
    sondern dass das manchmal einfach wichtig ist, den tatsächlichen Moment zu verstehen oder zu nehmen, der gerade passiert. Also nicht alles zu durchdenken, zu reflektieren - um sich dessen auch gewahr zu sein, um dann wieder weiter zu machen."
    Beispielhaft an diesem Blackbox-Song: Text/Musik, was gibt’s zuerst, ist das völlig unterschiedlich oder ein fließender Übergang, der mal das eine Versatzstück mal das andere langsam zusammen bringt?
    "Bei Blackbox war es tatsächlich so: Manchmal passiert das, dass Björn einen Song träumt - und das war der letzte Tag, den wir bei unseren Aufnahmen im Studio hatten gemeinsam. Und in der Nacht hatte Björn diesen Song geträumt und dann war der auf einmal da im Aufnahmeraum. Björn hat kurz skizziert, was er geträumt hatte. Dann steigt man ein, sehr unspektakulär und organisch hat sich das zusammen gesetzt, dann kommt der Beat und man macht was mit Bass und Gitarre."
    Das heißt, Sie haben tatsächlich schon den Song als Ganzes geträumt? Mehr oder weniger, also mit Text und Musik?
    "Die Musik, das was ich geträumt habe - das klingt ein bisschen, als wäre ich ein Esoterik-Spinner. Also ich träume tatsächlich sehr viel von Musik, aber häufig ist es dann so, dass das, was mir im Traum als ganz toller neuer Einfall vorkommt, dass es das schon gibt und in Wirklichkeit ein Nirvana oder Oasis-Song ist und ich es schnell wieder verabschieden muss. In dem Fall, das was aus dem Traum ins Studio weiter gewandert ist und der Rest der Band den Ball aufgenommen hat und weiter gespielt hat. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, wie wir miteinander Songs schreiben. Oft ist es so, dass wir im Proberaum loslegen, eine Idee kommt, ein Beat oder eine Akkordfolge und dann ist es ein bisschen Stückwerk. Viele Texte kommen im Nachhinein dazu und werden zusammen gesetzt aus von der Musik inspirierten zusammen assoziativen Ketten. Aber es gibt auch viele Stücke, die am Stück wie eine Geschichte aus dem Handgelenk raus gelaufen sind, die als Ganzes entstehen. Das sind dann die, die etwas erzählender sind, einem Storytelling folgen und nicht so stark sich darin ergehen, Bilder aufzurufen."
    "Alles was wir denken, die Versprechen, die wir geben - ist was dran, reden wir uns etwas ein - ginge es uns besser, ließen wir es sein, wer weiß". Eine Textzeile aus dem Song "Wer weiß". Fragen stellen, Antworten geben ist schwierig, ist das eine Grundhaltung? Viele Dinge zu hinterfragen, die Leute sich selbst ihre Antworten geben lassen, einfach anregen, Antworten können wir als Band euch eh nicht geben und für uns selbst auch nicht unbedingt?
    "Ja, genau so. Hätte ich nicht viel ergänzend zu sagen. Im Falle des Songs gab es einen Song der britischen 60er-Jahre-Band The Kinks, der heißt 'This Time Tomorrow', wo der Protagonist sich immer fragt: This time tomorrow where will we be? Und dann verschiedene Situationen ausmalt, die eintreffen oder auch nicht eintreffen können. Und das hat bei mir ein bisschen die Gedankenmaschine angeworfen. Sich einfach Fragen zu stellen, wie wir das alle die ganze Zeit machen beim Rumsitzen, beim Fahrradfahren. Was muss ich heute noch einkaufen? Bleiben alle noch lange am Leben, die ich lieb hab? Ich glaube, dass das ein bisschen melancholisch, eher aber sehr zelebrierend darin ist, die Ungewissheit zu feiern als etwas, was gut ist und begrüßenswert und dafür sorgt, dass die Dinge interessant bleiben. Und das es schön ist, dass das 'es könnte passieren, es könnte nicht passieren, vielleicht' - dass das das aller bestimmendste Element in unserem Leben ist, dass wir überhaupt nie nichts wissen und in einem ständigen Zustand von 'vielleicht leben'. Das finde ich interessant, aber auch schön."
    Das bringt mich zu einem nächsten Song: "Durch die Dunkelheit". Da fragte ich mich, als ich die Textzeile hörte: "Wir alle straucheln, wir alle fallen, wir alle scheitern, wir stolpern alle durch die Dunkelheit" - gibt es kein Lernen, gibt es keine Erkenntnisse?
    "Einfache Antwort wäre: Doch, natürlich. Natürlich gibt es, Gott sei Dank, ein Lernen und ein gescheiter werden oder besser werden. Aber das bringt einen ja doch nie an einen Punkt, wo man nicht mehr scheitern würden. Scheitern ist letztlich eine Grundbedingung von Existieren. Solange man am Leben ist, kann man scheitern. Das ist als tröstender Song, als umarmender Song gemeint, in dem anerkannt wird, dass es diese große Dunkelheit gibt und diese laufende Scheitern, durch das man sich durch begibt. Letztlich das, was uns alle verbindet, wenn wir ein Wissen darum teilen, dass wir alle wahnsinnig fehlbar sind, dass da auch eine große Beruhigung drin ist: Es ist nicht schlimm, wenn du ne schlechte Note nach Hause bringst, wenn Du nach der Bewerbung den Job nicht bekommst, wenn du nicht so aussiehst wie Leute in Modezeitschriften. Haut ja nicht immer alles hin, aber so geht’s uns allen und da ist ne gewisse Beruhigung drin."
    Wenn man jetzt sagen würde: Es ist nicht schlimm, dass Sie seit fast 15 Jahren zusammen Musik machen und der sogenannte 'ganz große Durchbruch' bisher noch nicht passiert ist. Ist nicht schlimm? Oder kommt der jetzt mit dem großen Label im Hintergrund?
    "Also, tatsächlich, es ist nicht schlimm. Der ganz große Durchbruch ist nicht der Anreiz oder Impuls die Band zu machen. Klar, es ist schön, wenn viele Menschen die Musik hören und gut finden.Sonst müssten wir auch keine Platten machen und uns in unserem Kellerproberaum verstecken. Weil Sie das große Label angesprochen haben: Das ist überhaupt kein Heilsversprechen, sondern war einfach 'ne Möglichkeit mit einer Person zusammenzuarbeiten, die wir gern mögen und einen Vorschuss zu bekommen, von dem wir dann ins Studio gehen konnten."
    "Wir sind uns durchaus dessen bewusst, dass das meilenweit vom Mainstream entfernt ist. Es ist halt ein bisschen seltsame Musik, die wir machen und machen wollen, von denen wir selber Fan sind.
    Dann wiederum trage zumindest ich so 'nen ganz kindlichen Glauben bei mir, dass das eigentlich nur 'ne Frage der Zeit ist, dass das passiert. Wenn man zum Beispiel einen Marxisten fragen würde: Glaubst Du eigentlich an die Revolution? Dann würde der sagen; Das hat doch nichts mit Glauben zu tun, das ist 'ne Frage der Geschichte. Ob das nun in einem Jahr oder in 50 Jahren passieren wird, das kann man nicht sagen, aber natürlich ist das eine geschichtliche Tatsache, dass die Revolution eintreten wird. Und in 'ner ähnlichen Weise denke ich über unseren großen Durchbruch: Dass nicht vorherzusehen ist, wann der eintreten wird, aber es ist nur 'ne Frage der Geschichte, dass sich das von selbst regeln wird."
    "Die Frage ist auch erst mal, was das so ist, der große Durchbruch. Ich weiß auch nicht, ob sich das dann vieles auf 'ne Weise ändern würde - wir haben das ja auch schon mal ein bisschen mit 'ner anderen Band durchgemacht, wie es uns dann gar nicht mehr so gut gefällt. Ich kann nicht leugnen, manchmal faul zu sein oder auch wenig kompromissbereit in bestimmten Dingen. Und der große Durchbruch klingt wie was, wo man sich mehr auf Dinge einlassen müsste, auf die man gar nicht so viel Lust hat."
    "Und der Status, den wir haben, ist eigentlich einer, den wir sehr genießen. Weil wir einerseits nicht völlig unbekannt sind und gehört werden, wenn wir was Neues machen, wird das wahrgenommen. Und andererseits ist unser Status auch wieder so klein, dass uns da nicht wirklich reingeredet wird. Genaugenomen ist es fast schon so was, wie den 'großen Durchbruch' erreicht zu haben. Nämlich die Möglichkeit in einer sehr befriedigenden Weise die Musik zu machen, die wir selbst toll finden und gleichzeitig damit einen gewissen Erfolg zu haben. Ich kann mir wenig Besseres vorstellen."