
Anja Buchmann: Holding The Mirror For Sophia Loren" - so heißt der Tteltrack des neuen Albums von Günther und Regina Janssen alias Donna Regina. Das Paar, das in Köln und Berlin lebt, erzählt luftig-leichte, aber auch groovebetonte Geschichten aus persönlichen Begegnungen, aus Kunst und Literatur: Manchmal reicht der Klang eines französischen Wortes oder eines geloopten Geräuschs, um die Fantasie für eine neue Musik zu entfachen: Aus kleinen Keimzellen entwickeln die beiden ihre detailverliebten Songs und Tracks. Zum ersten Mal haben sie ihre Musik durch eine dritte Person mischen lassen: Der polnische Musiker Michal Jacaszek hat das Album co-produziert - was den beiden auch eine neue Sichtweise auf ihre Songs geboten hat.
Günther Janssen: Wir waren sehr begeistert. Es ist wie eine Art Remix von einem Original, das es aber gar nicht gibt. Es ist ein bisschen Risiko, ist das jetzt so, wie wir uns das vorgestellt hatten? Auf der anderen Seite hat er da Sachen weggelassen oder pointiert oder noch was dazu, die wir gar nicht im Kopf hatten. Weil er ein anderer Musiker ist. Und das war sehr spannend. Also insofern waren wir schon begeistert. Und als das dann soweit war, er auch Zeit hatte und wir für ihn ein Zeitkorridor eingeräumt haben. Da ging es darum, die einzelnen Tracks von den 15 Stücken insgesamt zu schicken und auch noch mal die beiden Test stücke zu schicken. So war das.
Buchmann: Gehen wir noch mal zurück vom Mischen zum Komponieren oder entwickeln. Der Titeltrack "Holding The Mirror For Sophia Loren" zum Beispiel. Er beginnt mit einer Art "Herzschlag", ein Signal, das repetitiv durchgeht auch bis zum Ende, zum Schluss wird es etwas verlangsamt, wo es quasi - so habe ich das für mich interpretiert - ans Sterben geht. Wie ist dieser Track entstanden?
Regina Janssen: Es geht da um einen guten Freund von uns, unser bester gemeinsamer Freund, der ist irgendwann gestorben, in Buenos Aires. Und wir wollten einfach für uns noch mal Abschied nehmen von ihm. So einfach.
Günther Janssen: Also Regina hat den Text geschrieben - und als ich den Text las, das war sehr bewegend. Die Geschichte oder vieles was er uns erzählt hat: Wie er als Regieassistent den Spiegel von Sophia Loren gehalten hat, das ist nicht ausgedacht, das ist er. Mit den Beatles in Berlin und Antonio Jobim in Brasilien - das ist alles unser Freund, der das uns erzählt hat. Und das Schöne an dem Stück produktionstechnisch ist, dieser Herzschlag ist tatsächlich in Berlin entstanden. Da hab ich in dem Berliner kleinen Studio mal rum gefrickelt und wurde nichts draus, aber dieser eine Ton, den fand ich klasse. Habe ihn mit nach Köln genommen und ihn dort geloopt. Irgendwie war das dann die Keimzelle von dem ganzen Lied. Alles andere ist aber in Köln aufgenommen. Ein schönes Stück gerade in der Verbindung Köln - Berlin. Auf diesen Ton wäre ich in Köln gar nicht gekommen, das ist so eine Fehlschaltung. Man hatte nur wenig Equipment, wie das dann so ist. Dann noch zu diesem Stück, was ja eigentlich das Wichtigste für uns ist, das Album heißt ja auch so. Das ist auch schön.
Regina Janssen: Und noch ne schöne andere Geschichte dazu - ein Künstlerduo, Graf Böckler, auch Freunde von uns, die wollten ein Video dazu machen. Die haben dann in ihrem Footage Material ...
Buchmann: Footage Material?
Regina Janssen: Also, die haben immer Filmbilder auf Halde, Bilder die sie mitbringen und wo mit sie später dran arbeiten. Und die haben dann in ihrer Bilder-Bibliothek geguckt, was passt denn dazu. Die private Geschichte wurde völlig außer Acht gelassen, es wurde einfach danach geguckt: Was passt. Und was passte, waren Himmelbilder aus Buenos Aires. Das fand ich natürlich super schön. Das Video ist gerade fertig geworden letzte Woche und zeigt den großen weiten Himmel über Buenos Aires und da er da herkam und da auch gestorben ist, hat sich da für uns ein Kreis geschlossen.
Aus kleinen Keimzellen weiterentwickelt
Buchmann: Und das war tatsächlich Zufall, dass es der Himmel über Buenos Aires war? Ein Herzschlag geht von Berlin nach Köln und dann noch der Himmel über Buenos Aires.
Regina Janssen: Ja, so war das tatsächlich.
Buchmann: Ist das ein bisschen exemplarisch dafür, wie Sie arbeiten an Songs, dass manchmal Dinge aus ganz kleinen Keimzellen entstehen und sich dann weiter entwickeln?
Günther Janssen: Eigentlich fast immer. Es gibt wenige Lieder, Songs, die vorher schon als Songs komponiert sind auf Gitarre oder Klavier, dass ein Text da ist und man macht ein Lied daraus. Das kommt auch vor, aber meistens ist es so, dass irgendwas da ist, wie ein Herzschlag oder ein gelooptes Geräusch, was einen dazu bringt, "Mensch, das ist interessant". Das weiß man vorher nie so genau. Entweder basiert das auf einem Ton oder Geräusch oder es ist eine Textkeimzelle.
Buchmann: Also Sie arbeiten zusammen, aber wenn ich das recht verstanden habe, sind Sie, Frau Janssen, mehr für die Texte zuständig?
Regina Janssen: Ja, auf jeden Fall.
Buchmann: Und vielleicht auch die Melodien damit zusammen oder wird das wieder gemeinsam entwickelt?
Günther Janssen: Ich würde sagen Texte 98 Prozent Regina, manchmal hab ich so kleine Wörter. Oder dass ich mal mit einem Text nichts anfangen kann oder mal ganz banal, dass ich einen Text blöd finde. Und mit der Musik: Eher 80 Prozent von mir und dann ist wieder wichtig: Danach, wenn es dann aufgenommen wird. Denn ganz oft ist es, dass man zu einem Punkt kommt: Jetzt wird es schwierig. Oder: Regina arbeitet ja auch als Stewardess. Das heißt, sie ist oft tagelang nicht da. Und dann mache ich was. Drei Tage durch, Regina kommt wieder und ich bin aufgeregt, "hier hör Dir das an" - und Regina findet es blöde. Das gab es schon oft und dann verstehe ich manchmal die Welt nicht mehr. Aber sie hat recht, oder was heißt recht, aber was raus geht, muss uns beiden gefallen.
Buchmann: Wer spielt die ganzen Instrumente ein? Also es gibt ja nicht nur Elektronik, sondern richtige, "ernst zu nehmende", akustische Instrumente.
Günther Janssen: Ja, es gibt richtig "ernst zu nehmende" Instrumente und da bin ich froh, dass ich von klein auf immer Instrumente gespielt habe. Klavier habe ich gespielt, seit ich denken kann und mein Lieblingsinstrument ist Gitarre, ich hab immer Gitarre gespielt. Also die sind dann von mir eingespielt. Obwohl auf dem neuen Album sind auch ein paar Blasinstrumente, die hat ein Freund eingespielt.
Buchmann: Eine gestopfte Trompete zum Beispiel.
Buchmann: Eine gestopfte Trompete zum Beispiel.
Günther Janssen: Genau, eine Miles-Davis-Trompete und eine Bassklarinette und eine Bassharmonika. Da haben mein bester Freund Volker und ich in unserem Studio B ein bisschen rum gejammt und es gab weder ein Stück, noch Akkorde - das wurde dann das Stück "Carlos", was auch kein richtiger Song ist, sondern mehr ein Track und das war eben unser Volker.
Buchmann: Kunst/Literatur kann auch ein Punkt sein, der Sie inspiriert. Gatsby heißt ein Stück auf dem neuen Album, da geht es tatsächlich um Gatsby von Fitzgerald?
Regina Janssen: Ja, ich habe das Buch gelesen und liebe diesen Schriftsteller. Diese Geschichte von Gatsby, diesem traurigen großmäuligen Liebenden, der am Schluss tragisch verstirbt, weil er sich für seine Liebe opfert, die fand ich immer sehr schön. Und ich war mit einer Freundin zusammen im Kino und hab mir die letzte Gatsby- Verfilmung angeschaut. Hat mir auch gut gefallen und am nächsten Tag schrieb mir die Freundin eine Mail von der Arbeit aus: Heute läuft wieder alles schief, es ist alles ganz schrecklich, ich bin Gatsby, knallt mich doch ab. Und das war dann die nächste Keimzelle für ein Lied.
Günther Janssen: Das andere, was man zu Gatsby sagen kann: Es ist das Stück, das sich am weitesten vom Original entfernt hat durch die Produktion von Michal in Danzig. Das ist ja wie so ein Disco-Stück, wie ein House-Song. Da ist nur noch die Struktur des Liedes vorhanden: Reginas Gesang und die akkordische Struktur. Aber alles andere mit den vielen verqueren Synthies und auch der Rhythmus, der ist nicht von uns. Wir fanden das von Anfang an ganz toll, weil es so ganz anders ist. So ein Stück, wie es jetzt auf dem Album erscheint, würden wir nie machen. Nie machen können, das ist gar nicht so unsere Welt. Aber das hat uns positiv so verblüfft, dass das jetzt fast unser Lieblingsstück ist. Weil es sich total gedreht hat durch Michals Zutaten.
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