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Countrymusik
Der Begründer des Nashville-Sounds

Der Gitarrist Chet Atkins gilt als Begründer des Nashville-Sounds. Ohne ihn wäre wohl nicht nur die Entwicklung des Country anders verlaufen. Ob als Gitarrist, Produzent oder Entdecker von neuen Talenten – Chet Atkins mischte überall mit. Heute wäre er 90 Jahre alt geworden.

Von Johannes Kulms |
    Der amerikanische Gitarrist Chet Atkins. Er starb am 30.6.2001 im Alter von 77 Jahren.
    Der amerikanische Gitarrist Chet Atkins gilt als Begründer des Nashville-Sounds. (picture alliance / dpa / Ipol Reinstei)
    Wer sich heute bei Youtube Konzertmitschnitte oder Interviews mit Chet Atkins anschaut, sieht vor allem eines: Einen äußerst sympathisch wie zurückhaltend auftretenden Mann, der virtuos Gitarre spielen kann. Chet Atkins - dieser Name war lange Zeit eine Referenz in der Musikwelt: Ein Großer Country-Musiker, Vater des "Nashville-Sounds" - aber auch einer der meist gelobtesten Gitarren-Spieler überhaupt. Der Chet-Atkins-Sound hat überlebt. Sein Name geriet - zumindest bei der Internetgeneration - in Vergessenheit.
    "Niemand wusste, wer ich war, ich trug zudem auch noch einen Bart. Eines Abends habe ich Gitarre gespielt und alle tanzten und sangen - sie hatten Spaß. Am nächsten Tag kam ein Typ zu mir und sagte, ich fand es toll, wie du gespielt hast. Und ich sagte ihm, vielen Dank. Und er meinte, du bist ziemlich gut. Aber du bist nicht Chet Atkins (…) Das ist echt passiert!"
    So Chet Atkins im französischen Fernsehen über eine Begegnung mit - Chet Atkins. Vor 13 Jahren ist der US-Amerikaner gestorben. Heute hätte er seinen 90. Geburtstag gefeiert. Zeit zu fragen, warum sein Name und sein Werk in den Hintergrund getreten oder gar in Vergessenheit geraten sind. Auch ich muss zugeben: Der Name Chet Atkins sagte mir nicht viel. Ob das an meinem etwas jüngeren Alter liegt?
    Die Suche im Archiv endet rasch mit äußerst spärlichen Resultaten. Auch die Recherche bei der Firma mit den zuverlässigen Biografien über berühmte Leute endet im Nichts - es gibt keinen Eintrag. Auch die deutschen Zeitungen scheinen sich nicht mehr für Atkins zu interessieren. Dabei kennen wir ihn in Wirklichkeit doch alle.
    Ob als Musiker, Produzent oder Talent-Scout - Chet Atkins war unglaublich erfolgreich. Über 100 Schallplatten hat er aufgenommen und Stars wie Elvis Presley oder Roy Orbison produziert.
    Ohne ihn wäre nicht nur die Entwicklung des Country, sondern wahrscheinlich auch die der Popmusik anders verlaufen. 1924 in Tennessee geboren, zog er Ende der 40er Jahre nach Nashville. Zu diesem Zeitpunkt hatte er auch instrumental eine wegweisende Entscheidung getroffen: Nicht mehr die Geige, sondern die alternativ gespielte Gitarre sollte es sein. Und daraus sollte ein ganz besonderes Stil hervorgehen.
    Ein Wegbereiter für die Country-Musik
    "Etwas besseres fiel mir nicht ein. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen und hatte keinen anderen zum spielen. So ist das gewesen: Ein schöner Zufall."
    So einfach sei das gewesen, sagte Atkins mit Blick auf die Entstehung seines Stils in der Arthur Smith Show im US-Fernsehen - und es erscheint mal wieder ordentlich zurückhaltend.
    Was Johnny Cash auf der vokal-textlichen Seite ist, das war Chet Atkins auf der instrumentalen, hat die FAZ in einem Nachruf 2001 geschrieben. Seine einzigartige Gitarrenspieltechnik hätte darin bestanden, mit dem Daumen der rechten Hand Bässe und gleichzeitig mit den drei mittleren Fingern die Melodielinien zu spielen. Ein Stil, den auch George Harrison oder Mark Knopfler bewundert haben.
    Denn Atkins war nicht nur in der Country-Musik unterwegs. In den 80er Jahren spielte er mit Musikern der Jazz- und der Rockszene gemeinsam. Anfang der 90er Jahre nahm er mit dem britischen Musiker Mark Knopfler gemeinsam das Album "Neck and Neck" auf. Mit darauf war auch "Poor Boy Blues".
    Egal ob als Musiker oder als Produzent: Sein musikalisches Gespür zeichnete Atkins aus. Und auch was die Entwicklung der Country-Musik angeht, hat er Weitsicht bewiesen.
    "Ich glaube, dass Country mit der Pop-Musik verschmelzen wird. Irgendwann wird es ein Stil sein. Und dann werden die Leute genug davon haben und sich wieder dem echten Country zuwenden - wie zum Beispiel Johnny Cash. Ich gehe davon aus, dass es so kommen wird. Wenn ich es wüsste, dann wäre ich ein Genie und sehr reich."
    Tatsächlich: Countrymusik wird heute auch in Europa wieder mehr gehört und gespielt. Keiner schämt sich mehr, wenn er sich als Country-Music-Freund outet. Auch die jüngeren Musikfans aus meiner Generation nicht. Dass dies gerade auch Chet Atkins zu verdanken sein könnte - daran sollte an seinem 90. Geburtstag erinnert werden.