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Crowd-Voting für Vereine
TC Freisenbruch macht mit Fußball-Managerspiel mobil

Die Sportanlage im schlechten Zustand, kaum noch aktive Mitglieder. So geht es vielen Sportvereinen landauf, landab. Doch manche von Ihnen gehen neue Wege, um dem Sterben auf Raten entgegenzuwirken. Wie der TC Freisenbruch mit einem echten Fußball-Managerspiel in der Kreisklasse.

Von Thorsten Poppe |
    Das Waldstadion Bergmannsbusch hat schon bessere Zeiten gesehen
    Das Stadion des TC Freisenbruch hat schon bessere Zeiten gesehen (Thorsten Poppe)
    Unter der Woche hat er das Sagen beim Essener Verein TC Freisenbruch: Trainer Mike Möllensiep will die Tabellenspitze in der Kreisliga B verteidigen. Doch wer dafür am nächsten Spieltag unter den ersten Elf steht, entscheidet nicht er. Sondern die so genannten Teammanager des TC Freisenbruch. Teammanager kann jeder werden. Für fünf Euro im Monat darf jeder die echten Kicker des TC Freisenbruchs aufstellen, die dann Woche für Woche in der Kreisliga spielen. Für dieses Fußball-Managerspiel im realen Leben hat der Verein eine entsprechende Webseite eingerichtet.
    Auf der schlägt Trainer Mike Möllensiep zwar seine Wunschformation vor, doch daran halten muss sich natürlich keiner: "Bis jetzt ist das auch immer ganz gut gelaufen mit den Teammanagern zusammen. Wir hatten fast immer dieselbe Meinung. Mal haben sich ein, zwei Positionen mal geändert. Aber ich habe natürlich die Möglichkeiten in der zweiten Halbzeit komplett einzugreifen. Das war für mich wichtig, als ich hier angefangen hab. Trainingseinheiten entscheide ich alle selber. Eine Umstellung ist es!"
    230 Teammanager bestimmen die Aufstellung
    Viele geben einen kleinen Geldbetrag, am Ende kommt eine größere Summe zusammen. Das ist die Idee des Crowdfundings, das mittlerweile verstärkt auch im Sport genutzt wird. Doch ein kleiner Geldbetrag für Mitbestimmung im Verein – das sogenannte Crowd-Voting – wagten bisher nur wenige.
    Seit Start dieses Fußball-Managerspiels im echten Leben hat sich beim TC Freisenbruch einiges getan. Der Verein ist in aller Munde, und hat mittlerweile über 230 Teammanager gewonnen. Ein Fußballfan macht sogar von Vietnam aus mit, weil sich eben jeder unkompliziert auf der Webseite des Vereins registrieren kann und dann die ganze Saison bei Aufstellung, Taktik und selbst beim Bierpreis mitbestimmen darf.
    Wie zum Beispiel die 22-jährige Sara aus Köln, die von Anfang an mit dabei ist: "Ich habe mich schon immer sehr, sehr für Fußball interessiert, und habe aufgrund meines Bruders auch früher immer Managerspiele mitgespielt. Ich fand das auch immer schon interessant, und fand einfach, dass es total anders ist, das anhand eines echten Klubs steuern zu können. Also wirklich über echte Spieler, über ein echten Verein, die Kontrolle zu haben. Und das hat mich reizt."
    Managerspiel als Rettungsanker
    Überall könnte der TC Freisenbruch Geld investieren, den Platz oder die Kabinen modernisieren. Doch das Geld dafür fehlte bisher, genau wie Menschen, die ehrenamtlich mit anpackten. Für den Vorstand Peter Schäfer ist dieses Crowd-Voting deshalb alternativlos. Denn mit der finanziellen Unterstützung der Team-Manager konnte sich der Klub nun sogar schon eine neue Ausrüstung anschaffen. Das Fußballmanager-Spiel im echten Leben ist für den angeschlagenen Verein der Rettungsanker:
    Das Trainingsgelände des TC Freisenbruch
    Das Trainingsgelände des TC Freisenbruch (Thorsten Poppe)
    "Also der Verein stand im Endeffekt fast schon vor dem Aus. Einige Vereine hier aus der Umgebung sind auch schon aufgelöst worden, oder haben fusioniert. Letztelendes musste man sich dann halt überlegen, dass man wirklich ein verrücktes Konzept braucht, wo glaube ich jedem Fußballfan das Herz aufgeht. Und wo jeder Betrachter aber auch sofort merkt, okay das ist jetzt wirklich was anderes. Das ist jetzt nicht irgendwie eine Phrase, da gehen wir glaube ich schon einen Schritt weiter. Und haben halt wirklich ein ausgefeiltes Konzept, was wir da den Leuten anbieten."
    Breuer: Kein flächendeckendes Finanzierungsmittel
    Vorreiter des Crowd-Votings hierzulande war der FC Inter Dragon aus Norddeutschland. Aber die Software für die Mitbestimmung im Internet funktionierte nicht so reibungslos, wie sie sollte. Deshalb hat der Verein mittlerweile verkündet, das System komplett zu überarbeiten. Somit ruht dort zurzeit das Fußball-Managerspiel im echten Leben. Im Profi-Fußball hatte Fortuna Köln einmal ein ähnliches Konzept gestartet. Doch die 50+1-Regelung im bezahlten Fußball erlaubte keine fremde Mitbestimmung. Egal ob von Investoren, oder in dem Fall eben von externen Teammanagern. Am Ende scheiterte das Konzept dort.
    Prof. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln erforscht schon lange Finanzierungswege im Sport. Er ist von der Idee des TC Freisenbruch und vor allem von der professionellen Umsetzung des Crowd-Votings angetan, sieht darin aber kein flächendeckendes Finanzierungsmittel für den Sport: "Der Ansatz ist gerade deshalb so erfolgreich, weil er so gut durchdacht, aber auch technisch perfekt, und gestalterisch umgesetzt wurde. Dies bedeutet jedoch hohe Anfangsinvestitionen, auch hohe Betriebskosten, weil das ganze ja technisch auf dem neuesten Stand gehalten werden muss. Und auch aktuell immer schnell reagiert werden muss. Nur ein Bruchteil der Vereine kann dies ehrenamtlich organisieren, insofern ist es eben leider kein Modell für den Amateursport insgesamt. "
    Denn: Nur wer die entsprechende Infrastruktur im Netz dafür leisten kann, sollte sich an ein solches Experiment überhaupt heran wagen. Sonst droht aus den angestrebten, zusätzlichen Einnahmen schnell ein Minusgeschäft zu werden.