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Crowdworking
Kreative Köpfe à la carte?

Auf der Messe Zukunft Personal spielt auch das Crowdworking eine große Rolle: Dabei suchen sich Personaler über Webplattformen Web-Arbeiter für Kleinstaufträge, aber auch für kreative Projekte. Dabei arbeitet nicht jeder Plattform seriös, berichten Gewerkschafter - total verteufeln wollen sie diese Art der Beschäftigung aber auch nicht.

Von Andrea Lueg |
    Im Büro der Crowdworking-Plattform Jovoto in Berlin steht am 03.08.2016 ein Regal mit Gegenständen, deren Designs von Künstlern entworfen worden sind, die über die Plattform engagiert wurden.
    Beispielprodukte der Crowdworking-Plattform Jovoto: Hier können Firmen Kreative suchen, die neue Designs oder Produkte entwickeln. (dpa)
    - "Wissen Sie was Crowdworking ist?"
    - "Also wir kennen das leider gar nicht."
    - "Wir studieren, wir sind erst im zweiten Semester und sind hier einfach nur zum Spaß."
    So, wie den beiden jungen Frauen geht es den meisten Besuchern der Messe Zukunft Personal mit dem Begriff Crowdworking: Entweder, sie haben noch nie davon gehört oder sie kommen ins Grübeln:
    - "Crowd, also Gruppe, wahrscheinlich viele Menschen, die zusammengehören, sich zusammenschließen und das man aufgrund dieses vielen Wissens ... zu neuen Lösungen kommt."
    Nicht schlecht. Tatsächlich vergeben Unternehmen über Onlineplattformen Projekte an Kreative oder einfach an Menschen, die sich nebenbei etwas dazu verdienen wollen.
    "Es gibt ne ganz große Bandbreite von Plattformen, es gibt Mikrotasking Plattformen, es gibt Text-Plattformen, Design-Plattformen."
    Erklärt Vanessa Barth, die sich für die Gewerkschaft IG Metall mit dem Thema beschäftigt. Manche Crowdworker prüfen zum Beispiel für einen Lebensmittelhersteller, ob seine Frühstücksflocken bei einer bestimmten Supermarktkette im Regal stehen. Das dokumentieren sie per Smartphone. Aber es gibt auch viel anspruchsvollere Tätigkeiten. Über die Plattform Jovoto zum Beispiel suchen Firmen Kreative, die neue Designs entwickeln oder auch komplett neue Produkte.
    Die Crowdworker reichen ihre Ideen ein und die beste bekommt den Zuschlag. Jovoto-Gründer Bastian Unterberg, der die Crowdworker Talente nennt, meint, dass die zum Beispiel keine Lust auf starre Strukturen und den Verwaltungsaufwand haben, den eine normale Selbstständigkeit mit sich bringt.
    "Und da merke ich zum Beispiel, dass wir als Plattform von diesem notwendigen Übel einfach eine Menge wegnehmen. Wir bringen die Projekte, viel ist schon vorbereitet, viel Kundenkommunikation ist schon gelaufen, wir machen die gesamte Abrechnung, wir machen die Verträge, wir versichern die Talente in diesen Prozessen."
    Zudem tauschen sich die Crowdworker aus und bewerten gegenseitig ihre Ideen auf der Plattform.
    "Wichtigste Motivation – wir machen regelmäßig Umfragen bei uns auf der Plattform – ist das Voneinanderlernen. Und dann kommt schon das Thema Anerkennung, mein Beitrag wird geschätzt, es ist ein positiv-konstruktiver Umgang miteinander."
    Neuer Umgang mit Kreativen?
    Und genau von dieser Art des Umgangs könnten Personaler und Unternehmen noch allerhand lernen – und müssten es auch, wenn sie auch in Zukunft die Kreativsten für sich gewinnen wollen. Jovoto betreibt sogenanntes Community Management. Das heißt, die Betreiber der Plattform untersuchen ständig, warum sich Kreative für bestimmte Aufträge begeistern, was sie stimuliert und motiviert. Doch so arbeiten lange nicht alle Plattformen, sagt Vanessa Barth von der Gewerkschaft.
    "Die Risiken auf den weniger gut geführten Plattformen: Die AGB sind sehr oft sittenwidrig, es gibt das Risiko, dass nicht entlohnt wird. Wir hatten einen Fall, da hat uns eine Frau geschrieben, die hat sich gestritten mit einem Moderator auf einer Plattform und da wurde ihr Account gekündigt und dann wurde auch noch der Account ihres Mannes gekündigt."
    Und auch die Bewertungen, die sehr motivierend sein können, haben Schattenseiten.
    "Wenn Sie schon mal mit Mytaxi gefahren sind oder Uber, wenn sie da mit einem Fahrer fahren, dann werden Sie aufgefordert, den zu bewerten. Und dieses Ratingsystem entscheidet auch ein bisschen über das Schicksal des Fahrers auf der Plattform. Und das ist eines der großen Risiken, weil es über den Zugang zur Arbeit entscheidet, auch, welche Arbeit man bekommt. Und da gibt es überhaupt keine Mitsprache und wenig Transparenz."
    Die Gewerkschaften haben auch festgestellt, dass die Bezahlung oft weit unter dem Mindestlohn liegt. Vanessa Barth will das Crowdworking aber keineswegs verdammen.
    "Ich glaube einfach, dass es auf diesen Plattformen auch Möglichkeiten gibt für Menschen, die es normalerweise nicht in reguläre Beschäftigung schaffen, entweder, weil sie nicht wollen, weil sie sehr flexibel arbeiten wollen oder weil sie nicht können, weil sie vielleicht eine Behinderung haben."
    Gute Möglichkeiten in Spitzenzeiten
    Für Unternehmen und Personaler bieten Crowdworking Plattformen gute Möglichkeiten zum Beispiel in Spitzenzeiten Aufgaben erledigen zu lassen oder auch einfach neue Ideen ins Haus zu holen, ohne sich länger binden zu müssen.
    Auf der Messe stellen auch ein paar große Unternehmen Projekte vor, die sie mit Crowdworking lösen. Doch das scheinen bisher eher Nischen zu sein und mit der Presse dürfen die Firmenvertreter nicht reden. Doch die Branche wird umdenken müssen, meint Bastian Unterberg:
    "Ich glaube, dass man auch diese Messe in fünf Jahren nicht wieder erkennen wird. Und das Interessante ist, das es wirklich, glaube ich, den meisten noch nicht bewusst ist, was da an Veränderungen auf sie zukommt."