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CSU-Sonderparteitag
Der Christsozialen neue grüne Kleider

Auf dem CSU-Sonderparteitag am 19. Januar will sich Markus Söder zum neuen CSU-Chef wählen lassen. Damit beginnt für die Partei eine neue politische Ära, die auch von Umweltpolitik und Klimaschutz geprägt sein soll. Die Grünen sind skeptisch, denn die CSU vollführt die Ökowende nicht ganz freiwillig.

Von Tobias Krone | 17.01.2019
    Söder steht an seinem Platz in der Regierungsbank im Landtag und schaut zufrieden.
    Ein schwarzer Ministerpräsident, der sich - neuerdings - für Umwelt interessiert: Markus Söder (dpa/Sven Hoppe)
    Januar im Bayerischen Landtag. Die meisten Parteien sind ausgeflogen und halten ihre Klausurtagungen ab. Bauarbeiter nutzen die Zeit und machen sich in den Gängen zu schaffen. So ist das nach einem politischen Erdrutsch. Andere Mehrheitsverhältnisse, andere Büroaufteilung. Mit der AfD sitzt eine neue Partei im Landtag und braucht Platz.
    Den musste vor allem die SPD abgeben, nachdem sie um über die Hälfte geschrumpft war. Doppelt so groß wie vor der Wahl ist nun die Grünenfraktion. Die strotzt vor Selbstbewusstsein und sinniert mit Argwohn über die CSU und ihren Ministerpräsidenten Markus Söder. Beim Fraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann hört sich das dann so an:
    "Ich kenne ihn jetzt seit zehn Jahren im Bayerischen Landtag, er hat immer dahin gearbeitet, dahin zu kommen, wo er jetzt ist. Das war sein einziges Ziel: Ministerpräsident sein zu wollen. Und jetzt hat er sein Amt und weiß gar nicht, was er damit macht. Und da sieht er halt: Thema Umwelt, funktioniert gerade, mache ich halt auch was. Aber er hat die Ideen nicht."
    Ein CSU-Politiker, der sich für Umwelt interessiert
    Ein schwarzer Ministerpräsident, der sich für Umwelt interessiert. Die Idee klingt tatsächlich etwas exotisch. Aber Markus Söder war sich drei Wochen nach dem historisch schlechten Wahlergebnis seiner CSU sicher: "Bayern kann grüner werden - ohne die Grünen."
    Das sagte Markus Söder, als seine Regierungskoalition mit den Freien Wählern stand. Und in seiner ersten Regierungserklärung kündigte er dazu den ersten Schritt in die grüne Richtung an: "Wir werden daher dem Klimaschutz Verfassungsrang geben und an der Umsetzung in einem eigenen bayerischen Klimaschutzgesetz ganz konkrete Klimaziele festlegen."
    Söder will die bayerische Verfassung ändern, um den Klimaschutz zur Staatsräson zu machen. Und hat damit die erste große Debatte in der Landtagspolitik eröffnet, an der sich die neuen Kräfteverhältnisse ablesen lassen. Denn die Grünen sind – formal zunächst – skeptisch. Nicht gegenüber dem Klimaschutz, sondern gegenüber dem neuen selbsternannten Klimaschützer.
    Ludwig Hartmann: "Ich stelle mir Markus Söder gerade so vor. Er denkt sich, er muss was für den Klimaschutz tun. Dann sagt er ja: Schreibe ich was in die Verfassung. Thema ist abgearbeitet. Aber das ist es nicht. Klimaschutzpolitik ist ein langwieriger und dauerhafter Prozess."
    Grüne für Verfassungsänderung notwendig
    Das Ganze in die Länge ziehen, das würde den Grünen sicher gut passen. Söder braucht ihre Stimmen, um die Verfassungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit auf den Weg zu bringen. Unterwegs wiederum scheinen die Grünen weiter in der Wählergunst zu steigen – während die CSU in Umfragen noch einmal absackt – auf derzeit 35 Prozent. Das grüne Profil überzeugt inzwischen auch konservative Schichten. Die CSU reagiert. Generalsekretär Markus Blume auf der Klausurtagung im fränkischen Kloster Banz:
    "Dieses Jahr 2019 ist für uns als CSU das Jahr der Erneuerung, nicht nur personell, sondern auch strukturell und inhaltlich. Wir wollen gerade für das Thema Ökologie auch Bewusstsein zeigen. Das war immer ein Thema der CSU, es ist ein urkonservatives Thema, Schöpfung zu bewahren. Und ich sage ganz deutlich: Wenn wir von etwas überzeugt sind, dann dass wir uns ökologisch erneuern müssen. Da brauchen wir nicht die Grünen dazu, sondern dann machen wir es selbst."
    Das mit dem Selbermachen ist die Sicht eines Parteistrategen. Denn wer genauer hinschaut, kann hinter der Ökowende des Markus Söder ein erstes Symptom dafür entdecken, dass die CSU in Bayern nicht mehr allein regiert.
    Freien Wähler sehen eigene Erfolge
    "Dieser Vorwurf, der jetzt der CSU gemacht wird, dass sie immer grüner und etwas softer wird, da denke ich: Das ist vielleicht schon ein Orange, das wirkt." Orange, das sind die Freien Wähler. Ein bisschen stolz auf den eigenen Einfluss lächelt Florian Streibl in den leeren Sitzungssaal hinein. Er ist der Fraktionschef der Freien Wähler. Er hatte die Idee mit der Verfassungsänderung schon zu Zeiten, als seine Partei noch nicht mit der CSU regierte.
    "Das ist ein Antrag, den wir vor einem guten Jahr auch schon mal gestellt haben. Da ist der noch brüsk von der CSU abgewiesen worden und ich glaube jetzt nicht, dass die CSU von sich aus diesen Antrag dann nochmal neu aufgenommen hätte." Auch im Wahlkampf hatte die CSU das Thema Umwelt so gut wie nicht auf der Agenda. Sollte der Klimaschutz also tatsächlich in die Verfassung kommen, dann sähen das die Freien Wähler vor allem als ihren Erfolg.
    CSU-Mann Markus Blume hält dagegen: "Wenn wir zur Überzeugung gelangen, dass wir an manchen Stellen besser werden müssen, dann gelangen wir aus eigener Überzeugung dazu und brauchen keine Nachhilfe von anderen – auch nicht von den Freien Wählern."
    Soweit der Kampf um die Deutungshoheit in der bayerischen Landespolitik. Doch mal abgesehen von strategischen Wortgefechten: Wie könnte der Klimaschutz nun tatsächlich in die Verfassung kommen – wenn doch außer der AfD alle dafür sind?
    Grüne fordern neue Regeln für die Windkraft
    Ludwig Hartmann von den Grünen will zustimmen, wenn die Regierung zusätzlich auch verbindliche Maßnahmen einleitet. Zwar hat Ministerpräsident Söder bereits ein verbindliches Klimaschutzgesetz zur Verfassungsänderung angekündigt, doch das soll erst etwas später kommen, findet CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Und führt terminliche Gründe ins Feld.
    Denn neben der Zweidrittelmehrheit bräuchte es für eine Verfassungsänderung auch eine positive Volksabstimmung. Und die wollen CSU und Freie Wähler gleich wählerwirksam am 26. Mai mit der Europawahl verbinden, das heißt damit auch: "23. Januar ist Deadline. Was wir nicht schaffen ist, dass wir bis 23. Januar Einzelklimaziele im Sinne eines Klimaschutzgesetzes festlegen. Das ist zeitlich einfach nicht zu machen."
    Die Grünen dagegen wollen mehr Zeit, um konkrete Klimaziele zu diskutieren. Ludwig Hartmann hätte da schon einen Wunsch: "Die Abstandsregelung für Windkraft müsste wirklich fallen, damit wir wirklich ermöglichen, dass die Windkraft eine Heimat in Bayern findet." Windkraftanlagen dürfen in Bayern auf Geheiß der CSU seit 2014 nur dort gebaut werden, wo sie zehnmal so viel Abstand zu Häusern haben, wie sie hoch sind. Die Regelung abzuschaffen wäre wiederum nicht nur ein Erfolg der Grünen, sondern eigentlich auch ein Erfolg der Freien Wähler. Die hatten sich in ihrem Wahlprogramm auch für die Windkraft stark gemacht - konnten sich aber hier nicht durchsetzen.
    Nun den Rückenwind der grünen Opposition zu nutzen: Wäre das nichts? Fraktionschef Streibl ist skeptisch: "Dass man deswegen den Koalitionsvertrag aufbohrt und zur Disposition stellt, wird wahrscheinlich nicht passieren." Und so wird es wahrscheinlich doch noch länger dauern, bis sich das neue Grüne Gewissen der CSU entfalten kann.