Freitag, 29. März 2024

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Cybermobbing an Schulen
"Da muss in erster Linie eine Konsequenz durch staatliche Mittel her"

Aus Anlass von Mobbing gegen Lehrkräfte wurden an einer Schule Klassenfahrten gestrichen. Nicht das beste Signal im Kampf gegen Beleidigungen, meinte Mobbingexperte Peter Sommerhalter im Dlf. Viele Schulen seien überfordert und unsicher. Es fehle an den richtigen Strafen und der passenden Aufarbeitung.

Peter Sommerhalter im Gespräch mit Benedikt Schulz | 05.02.2020
Symbolfoto Hass im Internet: Neben dem "Gefaellt-mir-Button" von facebook sind die Worte "Du Opfer" zu lesen
Cybermobbing tritt nicht nur an Schulen auf, sondern auch am Arbeitsplatz oder im Verein. Konsequentes Durchsetzen klarer Regeln kann diese Übergriffe eindämmen. (imago/Thomas Trutschel)
Eine Düsseldorfer Schulleiterin hat zwei Klassenfahrten gestrichen, eine ungewöhnliche Strafe. Auslöser waren Postings von Schülerinnen und Schülern, die rufschädigende Fotos ihrer Lehrkräfte über soziale Netzwerke verschickt haben. Dabei geht es wohl um mehr als um Dummejungen-Streiche: Es wurde in mindestens einem Fall sogar Strafanzeige erstattet.
Benedikt Schulz: Losgelöst von diesem Fall will ich mit Peter Sommerhalter über dieses Phänomen sprechen, das sicher kein neues ist, aber auch hier, wie in vielen anderen Fällen, offenbar durch soziale Medien eine neue Qualität hat. Peter Sommerhalter ist vom Bündnis gegen Cybermobbing in Karlsruhe und dort als Leiter des Bereichs Prävention und Medienberatung regelmäßig an Schulen bundesweit unterwegs. Herr Sommerhalter, machen wir es mal konkret. Wie hat sich denn das Mobbing durch die sozialen Medien jetzt gegen Lehrerinnen und Lehrer verändert? Was glauben Sie?
Peter Sommerhalter: Die Plattform ist natürlich anders! Also ich selbst bin 1972 geboren, bei uns gab es auch in der Toilette an den Türen entsprechende Sprüche - der Mathelehrer ist doof oder die oder so. Aber das ist natürlich eine ganz andere Plattform, wenn das jetzt auf sozialen Netzwerken weltweit für alle sichtbar ist.
Auch die Art und Weise, wie dort geschrieben wird, wie man sich dort verhält, reicht eigentlich völlig von den Verhaltensweisen der Menschen selbst ab. Also die würden von Angesicht zu Angesicht jemandem meistens gar nicht so ausfällig, übergriffig beleidigen. Aber das zu schreiben, dort Bilder herzustellen, Fotomontagen oder ähnliches, das ist so viel leichter. Und erreicht natürlich ein viel größeres Publikum, was es für die Betroffenen natürlich um so schwieriger macht.
Klare Regeln helfen als Vorbeugung
Schulz: Wie können sich den Opfer, in diesem Fall Lehrerinnen und Lehrer, gegen so etwas wehren, jetzt auch mal jenseits von juristischen Schritten, die da in diesem konkreten Fall gegangen worden sind.
Sommerhalter: Also die ganz klare Aussage bei uns ist: Prävention! Das heißt, ganz klarmachen, wir dulden an unserer Schule, in unserem Verein, in unserer Firma, das können Sie ja beliebig erweitern, gewisse Verhaltensweisen nicht. Diesen Rahmen, den Werterahmen unserer Gesellschaft, den muss man eben gerade rücken und sagen, wir haben da Regeln - das Grundgesetz, die Würde des Menschen ist unantastbar, Strafgesetz und so weiter.
Aber wir dulden das hier eben auch nicht. Und das ist das, was wir auch an den Schulen erleben: Da stehen zwar irgendwelche Regeln an der Wand, man soll nett sein und man darf dies nicht und jenes nicht. Aber es wird nicht vorgelebt, es wird nicht eingefordert und es wird auch nicht sanktioniert - wobei dann natürlich auch die Eltern einfach eine Rolle spielen.
Welche Strafen sind angemessen, welche kontraproduktiv
Schulz: Jetzt hat ja diese Schulleiterin Konsequenzen gezogen, sie hat die Klassenfahrten gestrichen. Halten Sie das für eine solche Tat - es geht um das Cybermobbing gegen Lehrerinnen und Lehrer - halten Sie eine solche Strafe für eine angemessene Konsequenz?
Sommerhalter: Es ist weder angemessen, noch ist es eine Konsequenz. Das zeigt mir nur, dass auch diese Schule sehr unsicher ist in dem Bereich, was sie da tut. Wir bieten auch gerne der Schule unsere Unterstützung vom Bündnis gegen Cybermobbing an. Eine Klassenfahrt zu streichen, wenn strafrechtlich relevante Tatbestände - ich kenne jetzt die Einzelheiten nicht - aber wenn dort Sachen passieren wie Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, das sind alles Straftatbestände. Dann muss in erster Linie für mich eine Konsequenz durch staatliche Mittel her, aber eben auch an der Schule die Aufarbeitung, dass man sagt, dies dulden wir an unserer Schule nicht.
Und es muss klar gemacht werden, wie Schule bei solchen Sachen reagiert. Das Streichen einer Klassenfahrt bringt für mich ja wieder nur den weiteren Aspekt, dass Schüler sich dann ungerecht behandelt fühlen. Zu Recht! Ungerecht, dass die dann auch ausgegrenzt sind! Das dann Eltern, wenn sie denn entsprechende Rechtsanwälte haben, mal wieder dazu neigen, mit der Schule einen Rechtsstreit anzufangen.
Wir nennen das dann übrigens 'Curling-Eltern', also die Steigerung der Helikopter-Eltern, die dann den Weg für die Schüler ebnen, anstatt dass man einfach diese Sache anpackt und sagt: okay, das wollen wir hier nicht, das dulden wir nicht, das wird abgestellt. Und zukünftig reagieren wir so und so.
Das ist in unseren Augen die viel bessere Maßnahme, auch mittelfristig und langfristig, anstatt jetzt zu sagen: 'Wir streichen eine Klassenfahrt oder zwei', das gibt doch nur noch mehr Ärger. Die Schüler werden auch sich da gegen die Schuhe wenden und sagen: 'Ja, die Schulleitung, die ist ja so pimpfig' oder 'Die weiß gar nicht, um was es geht. Und jetzt werden wir alle bestraft. Das ist ungerecht.' Also man wird dort gar nicht wirklich ein Schuldbewusstsein entwickeln, wenn das tatsächlich die einzige Konsequenz und Herangehensweise ist.