Seit zwei Jahren wird in Köln die Paketpost am Rosenmontag zugestellt - ein Service, auf den jeder gern verzichten würde. Die Diskussion um den traditionell arbeitsfreien Rosenmontag, angezettelt von globalisierungsbesessenen Betriebseffizienzlern, steht in einem seltsamen Widerspruch zum stabilen Wirtschaftsfaktor Karneval; der wurde noch nie so global vermarktet wie heute - was ist dagegen ein arbeitsfreier Rosenmontag.
Heutzutage sorgt das Fernsehen dafür, dass karnevalfreie Regionen - also etwa 95 Prozent des Staatsgebiets - den Karneval in vollen Zügen mitmachen können. Stellten früher nur Prunksitzung und Mainz wie es singt und lacht die ganze Phantasie und Originalität der beiden Hochburgen des Frohsinns so exemplarisch wie abschreckend dar, so kann der größere Rest der Republik jetzt wochenlang die diversen Ausleger verfolgen, die das Produkt Karneval befördert haben. Schwule Sitzung, Stunksitzung, Kindersitzung, Umzüge: kurz, es wird alles getan, um den Karneval mittels Bildschirm-Sterilität in ein extra schlechtes Licht zu rücken, und trotzdem kommen die Leute in Scharen - Eventhunger eben.
Der Karneval, den sie dann erleben, stellt sich, wenn die Begegnung gelingt und nicht durch kommerzgeförderten Alkohol-Overkill versaut wird, als eher schlichtes, dafür aber durchaus befriedigendes Erlebnis heraus. Nur im Selbstversuch kann man dem Geheimnis auf die Spur kommen: Nämlich wie es möglich ist, dass die Massen sich für einen ganz bestimmten Zeitpunkt verabreden, Klassen- und Altersunterschiede, Bildung, Geschmack hinter sich zu lassen, fünf Tage lang herumzuhüpfen, mit Unbekannten in spontan gebildeten Schunkelkreisen verblödete Lieder zu singen. Leute, die übers Jahr nie einen Hinterseer Hansi auf dem Bildschirm dulden, lassen sich ohne weiteres auf die demokratische Begrenztheit unverfroren sentimentaler Hymnen und Krachlieder ein.
Dem geborenen Kölner, der geborenen Kölnerin fällt das Komplizenspiel von Vortäuschung und symmetrischem Darauf-Eingehen leicht. Trotzdem kann man auch als Einheimischer seinen Horizont noch erweitern: durch die aktive Teilnahme an einem Karnevalszug.
Da ist man also erstmals auf der anderen Seite des temporären Wahnsystems: Mitglied einer einfachen Fußtruppe, in allerdings liebevoll ausgedachten, aufwendigen Kostümen, Künstler für fünf Stunden, bejubelt vom Publikum am Straßenrand. So empfindet vielleicht ein Schauspieler beim ersten Auftritt: Komisch, ich spiele hier, weil ich ja gern spiele, und den Leuten macht es noch Freude. Die kleine Fußtruppen-Combo - die genau vier Lieder kann, was das stetig wechselnde Publikum längs des Straßenrandes natürlich nicht merkt - spielt schon wieder den treuen Husaren; das laut begehrte Strüßcher - Sträußchen - ist eine in Plastik verpackte magere Nelke; der Schokoladetaler kostet im Laden 2 Cent - alles egal: der Dank ist gewiss, die Gesichter strahlen.
Und das Fußtruppenmitglied lernt sich und einige Grundzüge der Verhaltenspsychologie kennen im ungewohnten Genuss der Macht, Strüßcher und Kamelle zuzuteilen. Sein Fürsorgeinstinkt gilt naturgemäß dem schüchternen Kleinkind im niedlichen Hasenkostüm, und doch haben die lautstarken Vordrängler und Durchsetzer, die man nicht überhören kann, bessere Karten. Völlig unverkleidete halbwüchsige Jungs, die nicht mal ein Alaaf über die Lippen bringen, verlassen den Platz als Sieger mit prall gefüllten Plastiktüten. Das Spiel ist eine, in Huizingas bekannter Definition, freiwillige Handlung, ausgeführt als Selbstzweck nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln, begleitet von Spannung, Freude und Ausnahmegefühl. Das Spiel ist aber auch Spiegel des Lebens. Und in dem spielt ja die Gier nach Sonderangeboten eine herausragende Rolle.
Heutzutage sorgt das Fernsehen dafür, dass karnevalfreie Regionen - also etwa 95 Prozent des Staatsgebiets - den Karneval in vollen Zügen mitmachen können. Stellten früher nur Prunksitzung und Mainz wie es singt und lacht die ganze Phantasie und Originalität der beiden Hochburgen des Frohsinns so exemplarisch wie abschreckend dar, so kann der größere Rest der Republik jetzt wochenlang die diversen Ausleger verfolgen, die das Produkt Karneval befördert haben. Schwule Sitzung, Stunksitzung, Kindersitzung, Umzüge: kurz, es wird alles getan, um den Karneval mittels Bildschirm-Sterilität in ein extra schlechtes Licht zu rücken, und trotzdem kommen die Leute in Scharen - Eventhunger eben.
Der Karneval, den sie dann erleben, stellt sich, wenn die Begegnung gelingt und nicht durch kommerzgeförderten Alkohol-Overkill versaut wird, als eher schlichtes, dafür aber durchaus befriedigendes Erlebnis heraus. Nur im Selbstversuch kann man dem Geheimnis auf die Spur kommen: Nämlich wie es möglich ist, dass die Massen sich für einen ganz bestimmten Zeitpunkt verabreden, Klassen- und Altersunterschiede, Bildung, Geschmack hinter sich zu lassen, fünf Tage lang herumzuhüpfen, mit Unbekannten in spontan gebildeten Schunkelkreisen verblödete Lieder zu singen. Leute, die übers Jahr nie einen Hinterseer Hansi auf dem Bildschirm dulden, lassen sich ohne weiteres auf die demokratische Begrenztheit unverfroren sentimentaler Hymnen und Krachlieder ein.
Dem geborenen Kölner, der geborenen Kölnerin fällt das Komplizenspiel von Vortäuschung und symmetrischem Darauf-Eingehen leicht. Trotzdem kann man auch als Einheimischer seinen Horizont noch erweitern: durch die aktive Teilnahme an einem Karnevalszug.
Da ist man also erstmals auf der anderen Seite des temporären Wahnsystems: Mitglied einer einfachen Fußtruppe, in allerdings liebevoll ausgedachten, aufwendigen Kostümen, Künstler für fünf Stunden, bejubelt vom Publikum am Straßenrand. So empfindet vielleicht ein Schauspieler beim ersten Auftritt: Komisch, ich spiele hier, weil ich ja gern spiele, und den Leuten macht es noch Freude. Die kleine Fußtruppen-Combo - die genau vier Lieder kann, was das stetig wechselnde Publikum längs des Straßenrandes natürlich nicht merkt - spielt schon wieder den treuen Husaren; das laut begehrte Strüßcher - Sträußchen - ist eine in Plastik verpackte magere Nelke; der Schokoladetaler kostet im Laden 2 Cent - alles egal: der Dank ist gewiss, die Gesichter strahlen.
Und das Fußtruppenmitglied lernt sich und einige Grundzüge der Verhaltenspsychologie kennen im ungewohnten Genuss der Macht, Strüßcher und Kamelle zuzuteilen. Sein Fürsorgeinstinkt gilt naturgemäß dem schüchternen Kleinkind im niedlichen Hasenkostüm, und doch haben die lautstarken Vordrängler und Durchsetzer, die man nicht überhören kann, bessere Karten. Völlig unverkleidete halbwüchsige Jungs, die nicht mal ein Alaaf über die Lippen bringen, verlassen den Platz als Sieger mit prall gefüllten Plastiktüten. Das Spiel ist eine, in Huizingas bekannter Definition, freiwillige Handlung, ausgeführt als Selbstzweck nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln, begleitet von Spannung, Freude und Ausnahmegefühl. Das Spiel ist aber auch Spiegel des Lebens. Und in dem spielt ja die Gier nach Sonderangeboten eine herausragende Rolle.