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"Da entgeht der Volkswirtschaft ein geistiges Potenzial"

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums verbucht Deutschlands Wirtschaft wegen des akuten Mangels an Fachkräften jedes Jahr milliardenschwere Verluste. Abhilfe schaffen will auch Georg Pichler aus Stuttgart: Er hat vor ein paar Wochen eine Petition beim Bundestag eingereicht, in der er fordert, dass qualifizierte Zuwanderer leichter als bisher zu deutschen Hochschulprüfungen zugelassen werden.

Moderation: Armin Himmelrath | 23.08.2007
    Armin Himmelrath: Der Mangel an Fachkräften in Deutschland, das ist eines der großen Themen auf der Klausurtagung des Bundeskabinetts, die heute begonnen hat. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums verbucht Deutschlands Wirtschaft wegen dieses Mangels jedes Jahr milliardenschwere Verluste. Bildungsministerin Annette Schavan will deshalb ausländischen Fachkräften den Zuzug nach Deutschland erleichtern, und Unterstützung dafür findet sie auch in der Bevölkerung, zum Beispiel bei Georg Pichler aus Stuttgart. Der hat nämlich vor ein paar Wochen eine Petitionbeim Bundestag eingereicht, in der er fordert, dass qualifizierte Zuwanderer leichter als bisher zu deutschen Hochschulprüfungen zugelassen werden. Ich habe Georg Pichler vor der Sendung gefragt, wie er auf diese Idee zu dieser Petition gekommen ist.

    Georg Pichler: Ja, ich habe in meinem Bekanntenkreis einige Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die hoch qualifiziert sind, aber hier, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden, keine Arbeit finden. Und wenn sie unter Arbeitslosengeld II fallen, dann werden sie manchmal, das hängt von der Gegend ab, dazu gezwungen, eine Arbeit anzunehmen, die, ja sagen wir, unter ihrer Würde ist, sogar erniedrigend ist. Manchmal wird es auch mit Absicht gemacht. Und gleichzeitig entgeht der deutschen Volkswirtschaft durchaus ein geistiges Potenzial. Und ich glaube, dass man das nützen sollte.

    Himmelrath: Um welche Fachrichtungen handelt es sich da insbesondere?

    Pichler: Eigentlich um alle. Also ich kann das nicht beurteilen, ich kenne ja nicht alle Zuwanderer, sondern nur einen Teil. Darunter sind also Mathematiker und Physiker, auch Psychologen oder Ärzte, die also keine Zulassung bekommen, weil eben ihre Diplome nicht anerkannt werden.

    Himmelrath: Wie stellen Sie sich jetzt eine Lösung vor, die sowohl diesen Zuwanderern hilft als auch der deutschen Wirtschaft, die ja über Fachkräftemangel klagt?

    Pichler: Mein Vorschlag wäre, dass man diesen Menschen anbietet - man soll sie nicht zwingen, sondern man sollte das Angebot machen und zwar als kostenloses Angebot - etwa 1000 Stunden, ein Jahr lang etwa, Fachdeutsch-Unterricht - also nicht den üblichen, der gehört auch dazu, man muss sich ja auch so verständigen können, aber oft mangelt es eben an Fachdeutsch-Wörtern - etwa ein Jahr lang. Und anschließend soll man sie zu einer ganz gewöhnlichen Diplomprüfung zulassen. Und wenn sie die bestehen, dann haben sie eben ein deutsches Diplom und würden so behandelt wie andere Deutsche auch.

    Himmelrath: Das heißt, die deutschen Hochschulstrukturen müssten so eine Art Seiteneinstieg etablieren kurz vor dem Diplom für diejenigen, die fachlich das Wissen zwar mitbringen, aber eben ja auf der Anerkennungsebene gescheitert sind bisher?

    Pichler: Genau, in etwa. Diese Fachdeutsch-Kurse müssten an den Hochschulen gehalten werden. Und parallel dazu soll man den Leuten auch sagen, bitte sehr, in Ihrem Spektrum an Ausbildung fehlt zum Beispiel dieses oder jenes Fach, oder es ist weniger häufig und lang unterrichtet worden wie bei uns, das kommt ja sehr oft vor, das habe ich also geprüft, das stimmt. Die Schnittmenge ist nicht 100prozentig. Das heißt, da wäre unter Umständen Nachholbedarf, dass sie dort die normalen Vorlesungen besuchen.

    Himmelrath: Also eine echte Bildungsberatung für die Betroffenen. Wie sind denn die Reaktionen auf Ihre Petition, haben Sie da schon aus der Bildungspolitik zum Beispiel Reaktionen bekommen?

    Pichler: Bis jetzt noch nicht. Ich habe diese Mitteilung auch an das Bundesministerium für Bildung und Forschung geschickt, da habe ich also nur eine Empfangsbestätigung bekommen, aber das ist ja auch schon was, das bekommt man heutzutage auch nicht überall. Die Mitunterzeichner - ich kann jetzt nicht ins Internet, weil ich im Bayrischen Wald bin -, als ich wegfuhr, waren etwa 20 Mitunterzeichner. Das ist eigentlich wenig.

    Himmelrath: Mitunterzeichner, das müssen wir erklären. Sie haben diese Petition ...

    Pichler: Die Petition ist als öffentliche Petition, das heißt, sie wird vom Petitionsausschuss ins Internet gestellt, und dort können die Leute den Petitionstext lesen. Und wenn sie damit einverstanden sind, auch unterschreiben, online.
    Himmelrath: Bis wann besteht diese Möglichkeit?
    Pichler: Das ist, glaube ich, bis 13. September. Das ist also … 6 Wochen steht das im Internet, und anschließend wird das vom Ausschuss bearbeitet und ich nehme an weitergeleitet, denn an sich, ich habe das an den Bundestag gerichtet, aber Bildung ist ja Ländersache. Das ist sicherlich eine Hürde, aber man wird sehen. Ich meine, ein großes Argument ist ja noch, dass man auf der einen Seite Greencards verteilt, um Leute, Fachleute aus Indien und anderen Entwicklungsländern zu holen, während hier Leute mit gleicher Qualifikation vergammeln. Das, finde ich, ist also sinnwidrig, wenn man Leute aus einem Gebiet abzieht, wo die selbst gebraucht werden.
    Himmelrath: Herzlichen Dank an Georg Pichler, Initiator der Petitionfür den verbesserten Zugang von ausländischen Fachkräften zu deutschen Hochschulprüfungen. Mehr Informationen zu dieser gibt’s übrigens wie immer auf unseren Internet-Seiten.