Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


"Da geht es auch um Liebeskummer"

Um soziale Probleme an ihren Schulen in den Griff zu bekommen, arbeitet die Stadt Dortmund mit der Fachhochschule Dortmund zusammen. Hier ausgebildete Sozialarbeiter mit Schwerpunkt Schuldienst sind Ansprechpartner für die Schüler der Stadt und vermitteln ihnen Schlüsselqualifikationen.

Von Andrea Groß | 14.07.2011
    Carolin Bohne studiert Angewandte Sozialwissenschaft im fünften Semester. Ihr Praktikum hat sie an einer Förderschule für sozial und emotional benachteiligte Kinder gemacht und seitdem steht ihr berufliches Einsatzgebiet für sie fest.

    "Das war auch erschreckend, stellenweise. Die haben kein normales Umfeld gehabt, wie man das vielleicht selber kennt. Die haben keine Betreuung gehabt, was die Hausaufgaben anging. Die sind stellenweise hungrig in die Schule gekommen, schmutzig in die Schule gekommen, haben keine vernünftigen Umgangsformen gelernt. Also das sind so Sachen, die wir dann mit denen geübt haben."

    Sie möchte lieber mit Kindern im Grundschulalter arbeiten, sagt Carolin Bohne, die fürchtet, mit ihrem mädchenhaften Aussehen von älteren Schülern nicht ernst genommen zu werden. Eine Förderschule sei sicher spannender als eine Regelschule.

    Die Chancen, dass sie sich ihren Job aussuchen kann, sind ausgezeichnet. Dortmund entwickelt sich gerade zu einem regelrechten Mekka für die Schulsozialarbeit. Fast 70 neue Stellen will die Stadt zum Anfang des kommenden Schuljahres besetzen und die bisherige Zahl dadurch mehr als verdoppeln. Auch an anderen Orten steigen die Arbeitsmarktchancen, hat Nicole Kastirke, Professorin für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Schulsozialarbeit an der Fachhochschule Dortmund, festgestellt. Die Ausbildungsmöglichkeiten, findet sie, halten damit nur bedingt Schritt.

    "Üblich ist es, dass die Absolventinnen Sozialpädagogik oder Sozialarbeit studiert haben oder, jetzt aktuell, den Bachelor Soziale Arbeit, der das beides miteinander vereint. Es gibt sogenannte Vertiefungsrichtungen oder Projekte zum Thema Schulsozialarbeit, die an den Hochschulen angeboten werden, die so ein erstes Schnuppern in dieses Arbeitsfeld bieten. Viel mehr ist es aber zum Teil auch noch nicht."

    Es sei in Ordnung, dass die Schulsozialarbeit sich bei den Methoden der allgemeinen Sozialen Arbeit bediene. In einer Schule gehe es aber um eine sehr spezielle Klientel: Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer. Während sich ihre Studierenden gut gerüstet fühlen für den Einsatz im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof, hat Professorin Kastirke so ihre Zweifel.

    Drogen, Gewalt, minderjährige Schwangere, sexueller Missbrauch, Vernachlässigung - auf diese Themen werden die Studierenden vorbereitet. Schulsozialarbeit, so stellt Heike Niemeyer, die die Sozialarbeit an den Dortmunder Schulen koordiniert, klar, ist aber noch viel mehr.

    "Da geht es auch um Liebeskummer und um Angebote und Einzelgespräche. Da geht es aber auch um eine Tanzgruppe mit Mädchen beispielsweise um das Selbstbewusstsein zu stärken oder gemeinsam Spaß zu haben. Also Schulsozialarbeit ist nicht nur der Fokus auf die schwierigen Themen des Lebens, sondern auf die Alltagsthemen von Schülern und Schülerinnen in Schulen."

    Die Koordinierungsstelle von Heike Niemeyer ist bundesweit einmalig. Sie bringt die Schulsozialarbeiter, die im Gegensatz zu den Lehrern meistens Einzelkämpfer an ihren Schulen sind, zum Erfahrungsaustausch zusammen, sie fungiert als ihr Kummerkasten und sie diskutiert mit der Schule, wenn jemand als billiger Vertretungslehrer ausgenutzt wird. Oft wird sie zu Vorträgen eingeladen und mancher kommunaler Schulverwaltungssangesteller blickt neidisch nach Dortmund. Seit zwei Jahren macht Heike Niemeyer den Job. Ihr Fazit: Schulsozialarbeit ist an Hauptschulen im sozialen Brennpunkt genauso notwendig, wie an Gymnasien in feinen Vororten. Unabhängig vom Schultyp kann sie aufzählen, was sich verbessern wird. Heike Niemeyer:

    "In jedem Fall wird stattfinden eine größere Vernetzung - mit Beratungsstellen beispielsweise. Die Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfedienst wird sicher noch weiter entwickelt werden. Es wird sich das Schulklima auch sicherlich verändern. Es werden noch mehr Kooperationspartnerinnen und -Partner in die Schule reingeholt."

    Eine funktionierende Schulsozialarbeit ist für die Stadt Dortmund ein Beitrag zur Schulentwicklung. Deshalb bekommt die Koordinatorin Heike Niemeyer demnächst auch noch einen Kollegen zur Unterstützung.