Mich macht das jedenfalls mitunter ganz krank. Aber bis der Gesetzgeber da eingreift, hilft nichts als die Selbstjustiz.
Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Belletristik: heute mit Gedanken zu litauischen Aborthäuschen und ukrainischen Busenwundern, Problembären im deutschen Heimatkrimi und dem Verfallsdatum französischer Ratgeberliteratur. Außerdem mit einer kleinen Meditation über Timing in der Literatur und Schnick, Schnack, Schnuck als Vorlage amerikanischer Spannungsliteratur.
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Romane der Deutschen 4 Kilo und 173 Gramm auf die Waage: zusammen 3208 Seiten.
Platz zehn: Volker Klüpfel und Michael Kobr: Seegrund (Piper Verlag, 352 Seiten 14,00 Euro)
Bräsig, dumpf und bieder: so ist nicht nur der Held dieses Allgäu-Krimis, ein Voralpen-Columbo mit der Eloquenz des Bärenmarke-Bären, so ist leider auch der ganze Krimi. Ob's an der schwachen Handlung liegt - Kommissar auf Jagd nach Nazi-Schatz? Jedenfalls denkt sich bald nicht nur der stoische Kommissar, sondern auch der gelangweilte Leser: "I-will-mei-Ruh!"
Platz neun: Francois Lelord: "Hector und die Entdeckung der Zeit" (Deutsch von Ralf Pannowitsch, Piper Verlag, 224 Seiten, 16,90 Euro )
Ein didaktischer Roman über einen Pariser Psychiater, der herausfinden möchte, warum so viele seiner Patienten Probleme mit der Zeit haben. Ein Zeitproblem hat auch dieses Buch: das Verfallsdatum für Lelords saccharinsüße Banalitäten scheint mir deutlich abgelaufen.
Platz acht: William Boyd: "Ruhelos" " (Deutsch von Chris Hirte, Berlin Verlag, 368 Seiten, 22,00 Euro )
Dieses Buch ist eine Ausnahme: ein Agentenroman, erzählt in Form einer Mutter-Tochter-Geschichte. "Keiner weiß auch nur annähernd über den anderen Bescheid, egal wie nahe oder vertraut sie sich sind", so die Grundthese William Boyds. Man mag über die Plausibilität der Psychologie seiner Figuren streiten: Nicht aber darüber, dass dieser William Boyd einfach sehr gut schreiben kann, und zwar aus drei Gründen: Weil er die Intelligenz seiner Leser nicht unterschätzt, weil er glaubhaft konstruieren kann, vor allem aber, weil er ein perfektes Timing hat. Ein tolles Buch.
Platz sieben: Patricia Cornwell: "Defekt ( Deutsch von Karin Dufner, Hoffmann und Campe, 416 Seiten 23,00 Euro)
Patricia Cornwell hat mit ihrer Serienheldin Kay Scarpetta die forensische Pathologie als Krimigenre etabliert und salonfähig gemacht. Aber dieser Lorbeer ist mittlerweile ganz schön welk. Im neuen Cornwell finden sich zwar ausführliche Schilderungen der drei großen amerikanischen Tabus des 21. Jahrhunderts: Serienmord, Kindesmissbrauch und Rauchen in Kneipen. Dennoch ist dieser Roman ein Flop. Noch nie wurde so lustlos über Lustmord geschrieben. Apropos uninspiriert herunterzählte Krimis über Psychopathen:
Platz sechs: Thomas Harris "Hannibal Rising" (Deutsch von Sepp Leeb, Hoffmann und Campe, 352 Seiten, 19,95
Weit furchterregender und schrecklicher als alle kannibalistischen Gräuel des jungen Hannibal Lecter sind die Europa-Klischees in diesem Roman über die Lehrjahre eines Menschenfressers. Leser, triffst du in einem angeblich in Litauen spielenden Roman auf ein, "mit zahlreichen Schnörkeln verziertes Aborthäuschen im viktorianischen Stil", so wisse, Leser: Du bist nicht in Litauen, du bist in Disneyland.
Platz fünf: Tommy Jaud: "Resturlaub" (Scherz Verlag, 256 Seiten, 12,90 Euro)
Dies ist kein Roman, sondern ein auf Buchlänge ausgewalzter Viagrawitz - bemerkenswert allein aufgrund des Umstands, dass Tommy Jaud dem Genre des hirnabsenten Nur-für-uns-Mädels-Romans die männliche Variante hinzufügt.
Platz vier: Colum McCann "Zoli" (Deutsch von Dirk van Gunsteren, Rowohlt, 384 Seiten, 19,90 Euro)
Die Lebensgeschichte des Roma-Mädchens Zoli, das Grenzen ebenso leicht überwindet wie Geschlechterbarrieren und andere Denkverbote. Eine schön-traurige, traurig schöne Geschichte über Glück, Tradition und Verrat, trotz des Gutmenschen-Themas keineswegs nur für Lehrer, Sozialpädagogen und Therapeuten geeignet.
Platz drei: Michael Crichton " Next" (Deutsch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Blessing 544 Seiten 22,95 Euro)
Der Arzt Michael Crichton war bislang immer dann sehr gut, wenn er über sein Fachgebiet die Medizin schrieb. Im neuen Crichton geht's um die juristischen Konsequenzen der Patentierbarkeit unserer Gene. Leider ist Crichtons mehr als zerfaserte Romanhandlung in etwa so spannend wie eine Partie Schnick Schnack Schnuck. Ein albernes Buch über ein ernstes Thema. Next!
Platz zwei: Marina Lewycka: "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" (Deutsch von Elfie Hartenstein, DTV, 360 Seiten 14,00 Euro)
Wenn ein 84-Jähriger seinen beiden Töchtern mitteilt, dass er ein 36jähriges Traumweib aus der Ukraine zu heiraten beabsichtige, wird dies in den meisten Familien für gewissen Trubel sorgen. Lewycka gewinnt dieser Ausgangskonstellation schöne Pointen ab und schafft es überdies, ein ebenso vergnügliches wie einfühlsames Buch über Ost und West, Integration und Fremdenfeindlichkeit zu schreiben.
Platz eins: Daniel Kehlmann "Die Vermessung der Welt" (Rowohlt, 304 Seiten 19,90 Euro )
Zwei Gehirntiere des 18. Jahrhunderts und zwei konkurrierende Weltanschauungen stehen im Zentrum dieses gescheit und kurzweilig erzählten Romans, der seit gut einem Jahr ganz oben auf der deutschen Bestsellerliste steht. Über eine halbe Million Exemplar wurden verkauft. Das ist schön, denn es ist ein guter Roman. Aber soll ich Ihnen was verraten: So gut, so gut ist er nun auch wieder nicht.
Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Belletristik: heute mit Gedanken zu litauischen Aborthäuschen und ukrainischen Busenwundern, Problembären im deutschen Heimatkrimi und dem Verfallsdatum französischer Ratgeberliteratur. Außerdem mit einer kleinen Meditation über Timing in der Literatur und Schnick, Schnack, Schnuck als Vorlage amerikanischer Spannungsliteratur.
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Romane der Deutschen 4 Kilo und 173 Gramm auf die Waage: zusammen 3208 Seiten.
Platz zehn: Volker Klüpfel und Michael Kobr: Seegrund (Piper Verlag, 352 Seiten 14,00 Euro)
Bräsig, dumpf und bieder: so ist nicht nur der Held dieses Allgäu-Krimis, ein Voralpen-Columbo mit der Eloquenz des Bärenmarke-Bären, so ist leider auch der ganze Krimi. Ob's an der schwachen Handlung liegt - Kommissar auf Jagd nach Nazi-Schatz? Jedenfalls denkt sich bald nicht nur der stoische Kommissar, sondern auch der gelangweilte Leser: "I-will-mei-Ruh!"
Platz neun: Francois Lelord: "Hector und die Entdeckung der Zeit" (Deutsch von Ralf Pannowitsch, Piper Verlag, 224 Seiten, 16,90 Euro )
Ein didaktischer Roman über einen Pariser Psychiater, der herausfinden möchte, warum so viele seiner Patienten Probleme mit der Zeit haben. Ein Zeitproblem hat auch dieses Buch: das Verfallsdatum für Lelords saccharinsüße Banalitäten scheint mir deutlich abgelaufen.
Platz acht: William Boyd: "Ruhelos" " (Deutsch von Chris Hirte, Berlin Verlag, 368 Seiten, 22,00 Euro )
Dieses Buch ist eine Ausnahme: ein Agentenroman, erzählt in Form einer Mutter-Tochter-Geschichte. "Keiner weiß auch nur annähernd über den anderen Bescheid, egal wie nahe oder vertraut sie sich sind", so die Grundthese William Boyds. Man mag über die Plausibilität der Psychologie seiner Figuren streiten: Nicht aber darüber, dass dieser William Boyd einfach sehr gut schreiben kann, und zwar aus drei Gründen: Weil er die Intelligenz seiner Leser nicht unterschätzt, weil er glaubhaft konstruieren kann, vor allem aber, weil er ein perfektes Timing hat. Ein tolles Buch.
Platz sieben: Patricia Cornwell: "Defekt ( Deutsch von Karin Dufner, Hoffmann und Campe, 416 Seiten 23,00 Euro)
Patricia Cornwell hat mit ihrer Serienheldin Kay Scarpetta die forensische Pathologie als Krimigenre etabliert und salonfähig gemacht. Aber dieser Lorbeer ist mittlerweile ganz schön welk. Im neuen Cornwell finden sich zwar ausführliche Schilderungen der drei großen amerikanischen Tabus des 21. Jahrhunderts: Serienmord, Kindesmissbrauch und Rauchen in Kneipen. Dennoch ist dieser Roman ein Flop. Noch nie wurde so lustlos über Lustmord geschrieben. Apropos uninspiriert herunterzählte Krimis über Psychopathen:
Platz sechs: Thomas Harris "Hannibal Rising" (Deutsch von Sepp Leeb, Hoffmann und Campe, 352 Seiten, 19,95
Weit furchterregender und schrecklicher als alle kannibalistischen Gräuel des jungen Hannibal Lecter sind die Europa-Klischees in diesem Roman über die Lehrjahre eines Menschenfressers. Leser, triffst du in einem angeblich in Litauen spielenden Roman auf ein, "mit zahlreichen Schnörkeln verziertes Aborthäuschen im viktorianischen Stil", so wisse, Leser: Du bist nicht in Litauen, du bist in Disneyland.
Platz fünf: Tommy Jaud: "Resturlaub" (Scherz Verlag, 256 Seiten, 12,90 Euro)
Dies ist kein Roman, sondern ein auf Buchlänge ausgewalzter Viagrawitz - bemerkenswert allein aufgrund des Umstands, dass Tommy Jaud dem Genre des hirnabsenten Nur-für-uns-Mädels-Romans die männliche Variante hinzufügt.
Platz vier: Colum McCann "Zoli" (Deutsch von Dirk van Gunsteren, Rowohlt, 384 Seiten, 19,90 Euro)
Die Lebensgeschichte des Roma-Mädchens Zoli, das Grenzen ebenso leicht überwindet wie Geschlechterbarrieren und andere Denkverbote. Eine schön-traurige, traurig schöne Geschichte über Glück, Tradition und Verrat, trotz des Gutmenschen-Themas keineswegs nur für Lehrer, Sozialpädagogen und Therapeuten geeignet.
Platz drei: Michael Crichton " Next" (Deutsch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Blessing 544 Seiten 22,95 Euro)
Der Arzt Michael Crichton war bislang immer dann sehr gut, wenn er über sein Fachgebiet die Medizin schrieb. Im neuen Crichton geht's um die juristischen Konsequenzen der Patentierbarkeit unserer Gene. Leider ist Crichtons mehr als zerfaserte Romanhandlung in etwa so spannend wie eine Partie Schnick Schnack Schnuck. Ein albernes Buch über ein ernstes Thema. Next!
Platz zwei: Marina Lewycka: "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" (Deutsch von Elfie Hartenstein, DTV, 360 Seiten 14,00 Euro)
Wenn ein 84-Jähriger seinen beiden Töchtern mitteilt, dass er ein 36jähriges Traumweib aus der Ukraine zu heiraten beabsichtige, wird dies in den meisten Familien für gewissen Trubel sorgen. Lewycka gewinnt dieser Ausgangskonstellation schöne Pointen ab und schafft es überdies, ein ebenso vergnügliches wie einfühlsames Buch über Ost und West, Integration und Fremdenfeindlichkeit zu schreiben.
Platz eins: Daniel Kehlmann "Die Vermessung der Welt" (Rowohlt, 304 Seiten 19,90 Euro )
Zwei Gehirntiere des 18. Jahrhunderts und zwei konkurrierende Weltanschauungen stehen im Zentrum dieses gescheit und kurzweilig erzählten Romans, der seit gut einem Jahr ganz oben auf der deutschen Bestsellerliste steht. Über eine halbe Million Exemplar wurden verkauft. Das ist schön, denn es ist ein guter Roman. Aber soll ich Ihnen was verraten: So gut, so gut ist er nun auch wieder nicht.