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"Da ist noch vieles unklar"

In mehreren deutschen Universitätsstädten gingen gestern Studentinnen und Studenten auf die Straße, um gegen die Einführung von Studiengebühren zu protestieren. Der Zeitpunkt für die Demonstrationen war gut gewählt, denn im sachsen-anhaltischen Quedlinburg beschäftigten sich die Kultusminister mit dem Thema Hochschulfinanzierung. Worüber dort genau gesprochen wurde, berichtet Annette Schneider-Solis.

    Die Kultusminister der Länder tagten in der Fachwerkstatt fernab vom studentischen Geschehen. Von den Protesten bekamen sie in den Bergen des Harzes nichts mit. Erst heute Vormittag, am zweiten Sitzungstag, als das Thema längst abgearbeitet war, gesteht die Präsidentin der Ministerrunde, Johanna Wanka:
    "Ich hab' das heute früh mit Überraschung in der Zeitung gelesen, dass die Studierenden protestieren mit der Vorstellung, wir beschließen hier etwas über Studiengebühren, was ihnen vielleicht schädlich ist. Dem ist nicht so. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Sorgen der Studenten, die sind natürlich verständlich, weil ich weiß, wie schlecht das System der Studienfinanzierung ist, das wir in Deutschland haben. Die meisten müssen nebenbei jobben, sind abhängig vom Finanzvolumen der Eltern, und das sind Dinge, in dieser Situation kann man nicht einfach sagen, jetzt kommen Studiengebühren dazu, sondern da muss man sich überlegen, wie kann man das vernünftig organisieren, wie kann man eine größere Gruppe von Studierenden von Gebühren befreien, wenn sie in einer sozial schwächeren Situation sind, und auch hierzu gibt es schon Überlegungen von den Ländern, die Gebühren einführen wollen."

    Denn seit Januar ist der Weg für Studiengebühren in Deutschland frei, und mehrere Bundesländer sind schon sehr weit bei der Vorbereitung - allen voran CDU-regierte Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg.
    Diese so genannten B-Länder haben ein Papier erarbeitet. In dem fordern sie die Finanzminister ihrer Länder auf, die Zuschüsse für die Hochschulen auf keinen Fall zurückzufahren, wenn Studiengebühren erst einmal eingeführt sind. Die SPD-regierten A-Länder dagegen wie Brandenburg warten weiter ab, resümiert Johanna Wanka:

    " Da ist noch vieles unklar, das ist ein Prozess. Wir wollen ein vernünftiges, sozialverträgliches System von Studiengebühren und Studienfinanzierung, wenn es möglich ist, und wir sind da etwas abwartend, können uns aber insgesamt dem Trend nicht verschließen und werden dann zu einem gewissen Zeitpunkt genau wie alle anderen Studiengebühren einführen."

    Bereits im März hatte sich die Kultusministerkonferenz mit dem Thema Hochschulfinanzierung beschäftigt und den Austausch von Erfahrungen beschlossen. Erste Zwischenberichte wurden gestern diskutiert, und dabei tauchten vor allem Fragen auf:

    "Wie macht man das in den Ländern, macht man das unterschiedlich, stellt man den Hochschulen frei, ob sie Gebühren erheben oder nicht, verpflichtet man sie - das sind alles Fragen, die wir diskutieren, wo aber noch keine definitive Antwort ist. Diejenigen, die Studiengebühren einführen wollen, jetzt oder perspektivisch, also alle B-Länder, haben sich verständigt, dass als Obergrenze 500 Euro pro Semester gelten. Das ist zum Beispiel schon eine definitive Festlegung, die wir getroffen haben."

    Studiengebühren einzuführen, gestaltet sich weit schwieriger, als es anfangs erschien, gesteht Johanna Wanka. Viele Probleme sind dem föderalen System geschuldet, zählt die brandenburgische Ministerin
    auf:

    "Dass man zum Beispiel dann, wenn es Studiengebühren gibt, problemlos an Darlehen kommen kann, egal, in welchem Land man studiert, dass man wechseln kann, wie es mit der Anrechnung von Zeiten ist, wie es also in der EU ist. Und es gibt natürlich Vorstellungen gerade von der A-Seite, was die Finanzierung von Studienplätzen angeht, auch darüber ist zu reden und wird geredet in einer Ministerarbeitsgruppe, die wir eingesetzt haben. Aber wir sind noch nicht zu einem definitiven Ergebnis mit Beschluss gekommen."

    Jene Länder, deren Planungen weit fortgeschritten sind, stießen immer wieder auf Hürden, nennt Johanna Wanka ein Beispiel:

    "Na, was zum Beispiel nicht geht, das sind Vorstellungen, dass man Landeskinder besser stellt, sie von Gebühren freistellt oder die, die von außen kommen, mit Gebühren belegt oder anders. Das sind Dinge, die sind eine Illusion. Das lässt sich rechtlich nicht halten. Zum Beispiel. Und wenn das nicht geht, dann muss man überlegen, wie kann man in diesem Nebeneinander von Mit und Ohne Studiengebühren fair miteinander umgehen."

    Das Thema wird die Kultusminister weiter beschäftigen, die nächsten Termine stehen bereits fest, kündigt Johanna Wanka an:

    "Wir wollen jetzt über den Sommer trotz der Bundestagswahl ein ganzes Stück weiterkommen, weil wir uns schon unter Zeitdruck sehen."