Dienstag, 30. April 2024

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Da kann ich nicht nein sagen. Geschichten von der Liebe

Nadja Einzmanns Geschichten von der Liebe sind eigentlich Skizzen oder Miniaturen und nur manchmal Geschichten. Nadja Einzmann tupft lieber als dass sie malt, bevorzugt die Andeutung und nicht den Wink mit dem Zaunpfahl. Es ist eine erstaunlich leise und zarte Prosa, die wie auf Zehenspitzen geschrieben wirkt, ja, es ist eine lyrische Prosa, die den Leser mit wenigen Worten empfängt.

Shirin Sojitrawalla | 24.05.2002
    Ich bin eben sehr sprachpuristisch möchte ich mal sagen, und ich empfinde das tatsächlich als abenteuerlich, wenn dann ein Wort einen Satz beendet, also ein Wort, das nur so ganz leicht neben dem liegt, was man eigentlich erwarten könnte. Das empfinde ich als extrem spannend und witzig und all das und ich glaube, das verstehen die meisten Leute nicht. (...) Wortpaukenschläge zum Beispiel interessieren mich nicht so. Aber das liegt wahrscheinlich wirklich daran, dass mir eben der Inhalt weniger wichtiger war als der Inhalt, der im Ton liegt, also in der bestimmten Sprachwahl.

    Nadja Einzmann hat ihren Ton gefunden. Es ist ein leiser Ton, der die Spannung hält, ein poetischer Ton, der verrät, dass hier nicht nur Worte aneinandergereiht wurden. Alle ihre in ihrem ersten Erzählungsband vereinten Geschichten drehen sich um die Liebe, und doch ist das eigentlich eine Untertreibung, geht es doch um viel mehr als um das ewige Hin und Her zwischen Liebestaumel und Abschiedsschmerz. Nicht weniger als das Leben steht bei Nadja Einzmann auf dem Spiel. Das Leben, das sie in flüchtige Momentaufnahmen bettet.

    Dabei stellt sie uns gleichermaßen bewunderns- wie bemitleidenswerte Geschöpfe vor; solche, die mit der Liebe hadern, sie zum Duell herausfordern oder sich ihr ohnmächtig an den Hals werfen. Von Menschen, die bloß jemanden suchen, mit dem "sie dicht sein können", von solchen, die sich nicht mehr umarmen mögen, und sei es auch nur deswegen, weil sie keine Hand frei haben und von anderen, die uns erzählen, wie sie jemanden fast lieben können, erfahren wir in diesen Geschichten. Dass Frauen und Männer nicht so ganz gut zusammenpassen, davon ist Nadja Einzmann überzeugt, und doch findet sie genau den richtigen Tonfall, uns das wenigstens beim Lesen ihrer Geschichten immer wieder vergessen zu machen.

    Also es gibt zumindest so eine Theorie oder eine Vorstellung, die durch das Buch geht, denke ich, dass Liebe etwas sein kann, was, selbst wenn es ungeschickt verläuft, unglücklich verläuft, immer noch besser ist als gar nicht leben, gar nicht lieben. Also das wird so ein bisschen verknüpft. Und in dem Fall wäre eben der Entschluss, nicht zu fühlen für mich eben auch, nicht zu leben.

    Doch ihre Figuren wollen leben und führen uns die Spielarten der Liebe als traumverlorenen Reigen auf. In ihrem Buch kommen sie alle zu Wort, die chronische Geliebte, die greint, nie die Frau an seiner Seite sein zu dürfen, die Angebetete, längst aller Liebesschwüre überdrüssig, die kindlich Liebende, die nicht nur ihre Mutter hassliebt, und auch all die hoffnungsvoll Wartenden, die es in Wahrheit nicht abwarten können, geliebt zu werden. Sie alle beschreibt Nadja Einzmann in Pastelltönen, und so ist der Buchumschlag, der den knallig bunten Inhalt eines Kaugummiautomats abbildet, doch zumindest befremdlich. Obwohl natürlich nicht alle Geschichten in dem Buch von gleich bleibender Qualität sind, es wohl auch gar nicht sein können. Und hat man zu viele davon auf einmal gelesen, bleibt schon zuweilen ein süßlich-klebriger Nachgeschmack zurück. Doch den verzeiht man der Autorin ohne weiteres, auch weil sie uns so wundersam schöne Wendungen beschert wie die vom Wein, der in den Gläsern verblutet und weil sich ihr Tonfall so wohltuend vom Sound ihrer Generation unterscheidet.

    Wenn ich Texte mag, auch anderer Leute Texte, hat das was mit dem Ton zu tun. Also mit einer bestimmten Sprachform, die den Inhalt, in der Art wie die Sprache ist, abbildet und nicht nur des Inhalts wegen. Also, wenn das funktioniert, wenn ich das Gefühl habe, dass die Sprache den Inhalt lebt, ohne zu benennen, um was es eigentlich geht, dann sind mir die Texte wichtig.

    Der leise, lyrische Ton erklärt sich auch dadurch, dass Nadja Einzmann mit dem Schreiben von Gedichten begonnen hat, die sie in Zeitschriften und Anthologien veröffentlichte. Doch während sie, wie sie sagt, das Schreiben von Sonetten nie als wirklich schwierig empfunden hat, fühlt sie sich beim Schreiben von kurzen Prosatexten wesentlich mehr gefordert. Die Freiheit der Form ist für Nadja Einzmann auch eine Herausforderung.

    Also meine Gedichte, die ich geschrieben habe, waren ja tatsächlich meist gereimt und metrisch. Und sehr formal deshalb. Also es war tatsächlich so, die Form war das Gefäß, in das sich dann der Inhalt von selbst füllte. Also die Freiheit sich das Thema selbst zu wählen war nicht so groß. Und bei den Prosatexten hat man die größere Freiheit, aber da die Form eben auch frei ist, muss es einem irgendwie gelingen, sie so zu meißeln, dass sie wirkt, als sei sie zwingend so, als könne man keinen Satz anders bauen als er eben jetzt da steht. Und das halte ich eigentlich für schwieriger.

    Nadja Einzmann, die nicht gerne viele Worte verliert, schreibt eine bemerkenswert in sich gekehrte, beinahe schüchterne Prosa. Sehr sachte formuliert sie die Qualen von Menschen, die über das Sein und das Nichtsein stolpern. Ihr ganz eigener knapper Stil verrät dabei zuweilen mehr über die Liebe als tausend Worte. Mag sein, dass mit Wahl eines anderen Sujets die Rechnung nicht mehr ohne weiteres aufgeht. Doch uns interessiert jetzt erst einmal viel mehr, wie man sich denn fühlt, wenn das erste Buch endlich auf dem Markt ist?

    Man fühlt sich in die Welt aufgenommen. Also mir ging es so, dass ich über Jahre das Gefühl hatte, ich tauge irgendwie zu nichts, Ich lese gern, ich schreibe gern, aber das ist für nichts zu verwenden. Und ich merke das auch bei anderen Leuten, wie sie auf mich reagieren, sie haben mittlerweile das Gefühl, ich sei ein brauchbarer Teil der Gesellschaft geworden und das eigentlich nur, weil da jetzt ein Buch vorliegt. Also ich habe mittlerweile auch das Gefühl, ich könnte vielleicht mein Leben ansatzweise damit finanzieren, tatsächlich mit Dingen, die ich gerne mache, was ich früher so nicht vermutet hätte. Ich dachte, ich müsste mich sehr viel mehr entfremden und verbiegen. Also so eine gewisse Sicherheit ist aufgekommen, seit dieses Buch so schön im Pappdeckel sozusagen eingefasst liegt.