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Da liegt was in der Luft

Umwelt.- Für bessere Luft in den Städten wurde bereits einiges getan: Autoabgase sind sauberer geworden, Städte müssen Grenzwerte für Feinstaub einhalten. Und seit diesem Jahr geht es auch den Stickoxiden an den Kragen. Denn auch für die gelten nun europaweit neue Grenzwerte.

Von Ulrike Schnabel | 08.09.2010
    Die Chemiker Dirk Hoffmann und Olaf Böge sind auf dem Weg in die Aerosolkammer des Leibnizinstituts für Troposphärenforschung. Dort werden sie einen neuen Stoff erproben, mit dem Straßen und Häuser selbst die Giftstoffe von Autoabgasen aus der Luft herausfiltern können. Denn durch eine neue Richtlinie der Bundesregierung muss seit diesem Jahr die Konzentration von Stickoxiden in der Luft gesenkt werden. Doch dafür fehlt noch eine zuverlässige Methode, erklärt Olaf Böge.

    "Man könnte ahnen, dass es Probleme geben wird, diese Grenzwerte einzuhalten. Insbesondere in straßennahen Messbereichen. Sodass ein ähnliches Problem auf uns zukommen wird, wie es schon beim Feinstaub war. Und deshalb ein Ansatz von photokatalytischen Materialien um die Stickoxide, vor allem No und NO2 zu reduzieren."

    Eines dieser photokatalytischen Materialien ist Titandioxid. Eingearbeitet in Häuserputz, Pflastersteine und Asphalt bindet es mithilfe von Sonnenlicht die Abgase und Stickoxide. Neu ist dieser Ansatz nicht, doch jetzt wird an unterschiedlichen Standorten in ganz Europa getestet, ob er auch wirklich funktioniert.

    Den Anfang machen Tests in der Aerosolkammer im Leibnizinstitut. Von außen ist nicht viel zu sehen, ein großer Metallwürfel, vier Meter breit und vier Meter hoch. In dem Würfel hängt ein Sack aus durchsichtigem Teflon, der fast 20.000 Tausend Liter Luft fasst. Aufgebaut auf einem kleinen Podest, ragen in den zylinderförmigen Sack schlanke Metallrohre. Die lassen Luft in die Kammer hinein und saugen sie anschließend wieder heraus. Diese Luftproben können die Wissenschaftler auf Schadstoffen untersuchen.

    Damit die Experimente gelingen, brauchen die Chemiker Sonnenlicht, denn nur unter UV-Strahlung kann Titandioxid seine Wirkung entfalten. Mit einem einfachen Trick bringen die Wissenschaftler die Sonne in die Kammer.

    "Dann schalte ich das Licht ein."

    Denn Neonröhren aus dem Solarium ersetzen die Sonne. Die Platten mit dem Titandioxid-Putz werden senkrecht im Sack aufgestellt und die Chemiker messen, ob und wie sich die Konzentration von Schadstoffen in der Luft ändert. Denn Licht und Titandioxid reagieren chemisch miteinander und verwandeln die Stickoxide so in neue Stoffe um. Ob die harmloser als die Stickoxide sind, sollen die Untersuchung zeigen. Chemiker Dirk Hoffmann wird außerdem mögliche Gefahren durch Titandioxid untersuchen.

    "Da werden diese Schadstoffe von eben diesen Autoabgasen abgebaut, es entstehen neue Stoffe die zum Teil einen kleineren Dampfdruck haben. Das heißt, die verteilen sich nicht wieder sondern verbleiben an den Oberflächen. Und einige davon können durch Regenwasser wieder abgewaschen werden, gelangen in die Kanalisation, da kann sich der ph-Wert auch in den saueren Bereich verschieben von dem Regenwasser. Das könnte auch Probleme mit sich bringen mit der ganzen Wasseraufbereitung im Nachhinein."

    Ob und wie sich die Schadstoffe aus Putz und Asphalt wieder lösen, ob der Regen sie wieder von Straßen und Wänden spülen kann, das wird Dirk Hoffmann in den nächsten Wochen ganz genau untersuchen. Später soll der Putz in einem Straßentunnel in Brüssel getestet werden, erklärt Olaf Böge.

    "Das hat den entscheidenden Vorteil, dass man ein relativ abgegrenztes Luftvolumen hat, und man hat relativ hohe Schadstoffe in dem Tunnel, das weiß jeder, der schon mal in einem Tunnel gestanden hat. Das hat den Vorteil, dass man die Effekte dort am deutlichsten sehen kann. [ ... ] Und an dieser Stelle könnte es sehr wirksam sein, solche Materialien an den Wänden oder im Straßenbelag einzusetzen."

    Auch im Tunnel ersetzen Röhren aus dem Solarium die Sonne, Titandioxid im Putz an den Wänden und im Asphalt soll die Abgase vom Verkehr binden. Noch ist nicht eindeutig bewiesen, ob Putz und Steine mit Titandioxid Schadstoffe aus der Luft filtern. Doch in Italien und Frankreich stehen bereits die ersten Gebäude mit diesem besonderen Putz. Ob sie halten, was sie versprechen, werden Olaf Böge und Dirk Hoffmann herausfinden.