Archiv


"Da muss ich doch hier für meine Mitarbeiter kämpfen"

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, hat sich für einen Mindestlohn ausgesprochen, wie er bereits in dem Tarifvertrag mit ver.di ausgehandelt wurde. Dieser liegt zwischen 8 und 9,80 Euro. Geringere Löhne, wie von der privaten Konkurrenz gefordert, bezeichnete Zumwinkel als Lohndumping.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Im Streit über Mindestlöhne für Briefträger scheinen sich die bislang starren Fronten aufzulösen. Union und SPD einigten sich vorgestern grundsätzlich darauf, das Monopol der Deutschen Post auf die Zustellung von Briefen wie geplant zum 1. Januar abzuschaffen und im Gegenzug einen Mindestlohn für Briefträger einzuführen. Der Mindestlohn wird aber nicht für alle Beschäftigten gelten, die Briefe verteilen, sondern nur für solche, die überwiegend in der Zustellung arbeiten. Gemeint ist also nicht der Taxifahrer, der gelegentlich Postsendungen ausfährt. Details sollen am kommenden Montag abschließend festgelegt werden. - Am Telefon ist nun der Chef von weltweit 500.000 Mitarbeitern Klaus Zumwinkel, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post. Guten Morgen Herr Zumwinkel!

    Klaus Zumwinkel: Einen schönen guten Morgen.

    Spengler: Wenn es in Sachen Mindestlohn so kommen sollte, wie es sich jetzt abzeichnet, ist das doch nicht das, was Sie gewollt haben oder?

    Zumwinkel: Man muss mal sehen, was in den intensiven Diskussionen jetzt herauskommt, sei es in der Politik oder mit den Gewerkschaften. Sicherlich jemand, der nur einige Briefe transportiert, soll nicht eingeschlossen werden, aber schon wenn hier Zustellerei zu Lohndumping-Preisen betrieben wird muss man das in den Mindestlohn einbeziehen.

    Spengler: Der bestehende Tarifvertrag, den Sie mit ver.di abgeschlossen haben, müsste neu ausgehandelt werden oder?

    Zumwinkel: Nein, das glaube ich nicht. Man müsste ihn sozusagen vielleicht nur neu interpretieren, denn diese gelegentliche Austragung von Briefen war eigentlich so nicht vorgesehen und in diese Richtung läuft das wohl auch.

    Spengler: Wenn es aber doch nur um hauptberufliche Zusteller geht, dann werden doch nun genau jene außen vor gelassen, die Mindestlöhne gerade bräuchten, also die wenig verdienenden nebenberuflichen Zusteller.

    Zumwinkel: Ja, klar. Die nebenberuflichen müssen auch mit einbezogen werden, denn man kann nicht 40 Stunden in der Woche arbeiten für ich sage mal 800 Euro und dann von Nürnberg noch mal 820 draufbekommen. Das wäre bei einem Verheirateten mit zwei Kindern in Berlin exakt so der Fall. Und ein hauptberuflicher Zusteller gegenüber dem erstgenannten der Deutschen Post Worldnet ist ja nun auch nicht gerade auf Rosen gebettet. Er kriegt 1.350, immer alles netto gerechnet, hier in Berlin und der sagt sich, mein Kollege auf der anderen Straßenseite kriegt die Hälfte vom Staat und klaut mir meinen Arbeitsplatz. Deswegen sind meine Mitarbeiter natürlich stocksauer darüber.

    Spengler: Ja. Nun sagt aber doch die Politik, dass genau die nebenberuflichen außen vor bleiben sollen, es sei denn, die vorgesehenen Mindestlöhne von 8 bis 9,80 Euro würden doch noch abgesenkt auf ein Niveau von 7,50 Euro, was die private Konkurrenz mitmachen würde.

    Zumwinkel: Schauen Sie mal bei Hartz IV ist die Größenordnung 10, 10,50 Euro. Im Abbruchgewerbe ist 10,30 Euro. Ein Mindestlöhner, wie er mit den drei Gewerkschaften abgeschlossen ist, die hier im Postwesen tätig sind, geht von 8 Euro bis 9,80 Euro. Das ist 30, 40 Prozent unter den Posttarifen. Also wer damit nicht Wettbewerb treiben kann, der soll erst gar nicht anfangen.

    Spengler: Aber der DGB hat bundesweit selbst einen generellen Mindestlohn von 7,50 Euro ins Gespräch gebracht?

    Zumwinkel: Das ist ja alles brutto gerechnet und zum anderen hat er das nicht in solchen Branchen. Wenn Sie da den DGB-Chef fragen, hat er das hier auf solche Branchen angewandt nicht gemeint.

    Spengler: Also Sie wollen die vorgesehenen Mindestlöhne, die Sie in dem Tarifvertrag mit ver.di ausgehandelt haben und die zwischen 8 und 9,80 Euro liegen - die FAZ hat sie als Mindestlohn auf europäischem Höchstniveau bezeichnet -, nicht weiter runtersenken?

    Zumwinkel: Nein, die Mindestlöhne sicher nicht. Schauen Sie mal bei einem Malergesellen, einem Dachdecker, überall wo es Mindestlöhne gibt, liegen sie über 10 Euro und der Zusteller ist ein Lehrberuf. Zwei Jahre wird man dort lernen. Für Nichtlernberufe sind ja gerade die 8 Euro vorgesehen wie im Osten, dass man hier die Differenzierung hat. Also hier liegen wir weit unter den Tarifen, die heute ein Zusteller bei der Post AG bekommt.

    Spengler: Wie viel bekommt ein Zusteller bei Ihnen?

    Zumwinkel: Ein Zusteller bei uns bekommt 11,43 Euro und diejenigen, die schon länger als sechs Jahre dabei sind - das nennt man Besitzständler -, die kriegen um die 14, 15 Euro herum, also erheblich darüber. Darunter sind Beamte und viele andere.

    Spengler: Nun sagt der Sozialdemokrat Florian Gerster, der Ihre privaten Konkurrenten vertritt, er könne im Prinzip nur Mindestlöhne von maximal 7,50 Euro zahlen. Ansonsten käme es zu Entlassungen von etwa 20.000 Mann.

    Zumwinkel: Da kommen mir nur die Tränen. Er vertritt ja die Interessen von zwei milliardenschweren Konzernen. Das ist einmal der Springer-Konzern und dann der niederländische TNT-Konzern mit elf Milliarden Börsenkapital. dass man hier auf dem Rücken der Arbeitnehmer Lohndumping betreibt, wo dann letztlich noch die Differenz zum Existenzminimum durch Hartz IV bezahlt wird, das ist ja sehr exotisch.

    Spengler: Unterstellen Sie dem Florian Gerster, der ja mal Chef der Bundesagentur für Arbeit war, ernsthaft Lohndumping?

    Zumwinkel: Ja. Das wird ja jeden Tag hier betrieben. Wir hatten ja hier schon erhebliche Situationen, die sei es im Fernsehen oder in Zeitungsberichten geschildert wurden, wo das genau herauskommt.

    Spengler: Also dass die Gewerkschaften hohe Mindestlöhne wollen, Herr Zumwinkel, ist klar, aber dass Sie das als Arbeitgeber auch wollen, versteht man eigentlich nicht so richtig.

    Zumwinkel: Schauen Sie mal ich habe hier in Deutschland 160,000 Mitarbeiter beschäftigt bei Wind und Wetter und die sind wahrlich nicht auf Rosen gebettet. Ich sage mal verheiratet, zwei Kinder, netto 1,350 in Berlin oder Frankfurt. Da muss man schon ganz schön kämpfen, um seinen Lebensunterhalt davon insbesondere in Ballungsräumen hier zu bestreiten. Und wenn er dann sieht, dass auf der anderen Straßenseite ein Wettbewerber kommt, von dem Lohnteile vom ALG II kommen, dann versteht der doch die Welt nicht mehr und sagt wo kommen wir denn da hin. Also da muss ich doch hier für meine Mitarbeiter kämpfen!

    Spengler: Also das ist das große soziale Herz, das bei Ihnen schlägt, und nicht die Absicht, sich lästige Konkurrenz vom Leib zu halten? Man könnte das ja verstehen.

    Zumwinkel: Man kann vieles verstehen. Natürlich vertrete ich die Interessen der Deutschen Post. Wir tragen die Post in jeden Winkel Deutschlands, von der Hallig über den Spreewald bis hin auf die Hallig Hooge. Und wenn in diesem Briefmarkt, der ja im Volumen schrumpft - das ist ja leider nicht ein Markt, der jedes Jahr nach oben geht und wo man Zuwächse verteilen kann; hier kämpft man, dass es nicht mehr als 3 oder 4 Prozent pro Jahr wird, was nicht nur in Deutschland so ist, sondern auch in den Niederlanden und anderen entwickelten Ländern -, 20 Prozent des Arbeitsvolumens eben über dieses Lohndumping an die Wettbewerber gehen, dann sind bei der Post 32.000 Stellen überflüssig und die müssten dann die Post verlassen und das will ich nicht.

    Spengler: Das kann man nachvollziehen. Dennoch möchte ich noch mal auf die nun sich abzeichnende Lösung kommen. Heißt es nicht, wenn man nun die nebenberuflichen Briefträger nicht einbezieht, dass Ihre Konkurrenten, Ihre neuen Konkurrenten genau auf ein Modell ausweichen werden, dass sie vor allen Dingen nebenberufliche Zusteller-Jobs schaffen, die dann nicht mehr unter die Mindestlöhne fielen?

    Zumwinkel: Es kommt auf die Definition nebenberuflich an. Man nennt das im Gesetzesjargon die Erfüllungsgehilfen. Es nützt ja nichts, dass jemand eine Lizenz erhält, ein Büro aufmacht, eine Sekretärin einstellt und dann 1000 Erfüllungsgehilfen einstellt, die dann zu dem Niedriglohn arbeiten. Also die muss man schon erfassen. Wenn die mal gelegentlich wie ein Zeitungszusteller einer Tageszeitung Briefe mitnehmen - der hat ja gar nicht so viel Zeit, um viele Briefe mitzunehmen -, dann ist das kein Thema. Das sollte man gar nicht erst versuchen zu erfassen. Aber wenn solche Erfüllungsgehilfen auch überwiegend Briefe mitnehmen, dann geht das nicht.

    Spengler: Das heißt sie sollen erfasst werden. Sie gehen auch als Postchef weiter davon aus, dass der Tarifvertrag, den Sie mit ver.di abgeschlossen haben, gilt und dass es zum Mindestlohn ab dem 1. Januar kommt?

    Zumwinkel: Es kommt zum Mindestlohn. Es wird jetzt darum gerungen, in genau welcher Form und wie der Tarifvertrag hier mit ver.di und der christlichen Gewerkschaft zu interpretieren ist.

    Spengler: Ab 1. Januar könnte ich meine Briefe bis 50 Gramm auch bei den Postkonkurrenten wie Pin oder TNT abgeben. Rechnen Sie mit einer ernsthaften Konkurrenz ab 1. Januar, die billiger, wo möglich schneller ist als die Post?

    Zumwinkel: Wenn das mit dem Lohndumping so bleibt kann es sein, dass sie billiger wird. Sie wird aber nicht für die Privatleute billiger, weil darum wird sich keiner kümmern, also nach Berchtesgaden die Post zu bringen oder abzuholen, sondern man wird sich auf die Großkunden, große Banken, große Versicherungsgesellschaften, Behörden und so weiter, konzentrieren - das macht 85 Prozent des Briefvolumens aus -, weil dort brauchen sie keinen Briefkasten, sondern sie holen mit dem LKW auf Paletten die Briefe ab. Darauf wird sich der Wettbewerb konzentrieren und der wird uns kräftig Konkurrenz machen, aber dafür sind wir schon gewappnet.

    Spengler: Sie haben angekündigt, dass auch Sie als Post von einem Korsett befreit würden, flexiblere Preise, Briefformate möglich würden. Können Sie sagen, wo es für den Verbraucher besser werden wird?

    Zumwinkel: Der Verbraucher wird ja von der Konkurrenz so nichts spüren. Wir werden weiter unseren Universaldienst bis in den letzten Winkel aufrecht erhalten. Wir haben die beste Qualität, unterhalten Postgesellschaften der Welt. Ein Brief dauert in Deutschland 1,06 Tage im Durchschnitt. Da müssen sie in Amerika einen Expressdienst anrufen, um so etwas überhaupt zu erhalten, und die 0,06 Tage sind nur dann, wenn mal in Frankfurt am Flughafen Nebel ist und das Postflugzeug wirklich nicht landen kann. Das heißt wir werden voll auf die Qualität setzen und werden die auch weiter so aufrecht erhalten und da wo es geht natürlich auch noch verbessern.

    Spengler: Darf ich was aus meiner persönlichen Erfahrung beisteuern? Ich habe in der letzten Woche zwei Tage lang auf meine Briefe warten müssen und als ich meinen Briefträger am Samstag daraufhin ansprach und ihm auch noch sagte, dass ich mit Ihnen zum Interview verabredet sei, da hat er gesagt ich soll Ihnen einen schönen Gruß bestellen, aber die Briefträger - das war jetzt der Raum Bonn - seien total überlastet. Ein 12-Stunden-Tag sei für ihn normal, weil die Post derzeit einfach keine Zusteller mehr einstellen würde. Was sagen Sie dem Mitarbeiter, meinem Briefträger, Herr Zumwinkel?

    Zumwinkel: Dann sage ich ihm, wenn er 12 Stunden arbeitet, ist das nicht in Ordnung und wir müssen sofort seinen Zustellbezirk neu schneiden, also kleiner schneiden.

    Spengler: Das ist ein Wort. - Herr Zumwinkel, ich bedanke mich. - Das war Klaus Zumwinkel, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post.