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"Da wird man in Europa noch ein zähes Ringen erleben"

Die Bundeskanzlerin hat vorgeschlagen, dass Euro-Länder Löhne, Sozialstandards und Steuern künftig abstimmen. Joachim Spatz wendet ein: "Einen Wettbewerb, dass man da vereinheitlicht, wo es uns wehtut, und an anderer Stelle nicht, das kann ich mir schwerlich vorstellen."

    Jasper Barenberg: Werben wird Angela Merkel bei ihrem Besuch in Madrid sicherlich auch für ihren Plan für einen sogenannten Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Erdacht ist er im Kanzleramt, um den Euro auf lange Sicht krisenfest zu machen. Und über diesen Plan wollen wir jetzt mit Joachim Spatz sprechen. Er ist für die FDP Mitglied im Europaausschuss des Deutschen Bundestages. Einen schönen guten Tag, Herr Spatz.

    Joachim Spatz: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Bundeskanzlerin Merkel, sie will anders als früher innerhalb der Euro-Länder Löhne, Sozialstandards und Steuern künftig abstimmen. Ministerpräsident Zapatero von Spanien unterstützt diese Pläne, die EU-Kommission unterstützt sie auch. Gilt das auch für die FDP?

    Spatz: Natürlich kommt es auf die Details an. Wir wissen alle, dass eine engere wirtschaftspolitische Koordination in Europa sein muss. Allerdings ist natürlich dann wichtig, wie eng diese Abstimmung sein muss und wie groß die Spielräume für die nationalen Parlamente noch sein dürfen. Ich sage mal, einen gewissen Fingerzeig, dass man das nicht einfach so tun kann, hat ja die Entscheidung des zuständigen Ausschusses im Europaparlament diese Woche gebracht, wo ja schon, wenn es konkreter geworden ist (Stichwort Renteneintrittsalter), natürlich die Vertreter einzelner Länder große Skepsis angemerkt haben. Man sieht also schon an diesem Beispiel, welcher Zielkonflikt herrscht. Wir bevorzugen, dass man gewisse Ziele formuliert, gemeinsam formuliert, aber hohe Freiheitsgrade belässt bei der Art und Weise, wie man diese Ziele erreicht, also ich sage mal Zielreduzierung von Staatsschulden, aber in einzelne Steuerarten, zum Beispiel Unternehmenssteuern einzugreifen, das würden wir für nachrangig halten und eher die Spielräume bevorzugen.

    Barenberg: Bei dem, was aus dem Kanzleramt bisher bekannt ist, geht es ja unter anderem konkret auf der einen Seite um die Höhe der Mehrwertsteuer, die Höhe der Unternehmenssteuern auf der anderen Seite, und in beiden Fällen ist gedacht an eine Art Korridor, auf den man sich in Europa einigt. Würden Sie da mitziehen an diesem Strang?

    Spatz: Es kommt auf die Breite des Korridors an. Wenn der hinreichend breit ist, damit eben die Spielräume entsprechend auch für, ich sage mal, subsidiären Wettbewerb, für den Wettstreit der besten Ideen, der besten Sozial- und der besten Steuerpolitiken offen gehalten wird, wenn dieser Korridor eben hinreichend breit ist, dann ist gegen einen solchen nichts zu sagen. Wenn er zu eng ist, ist es schlecht, denn ich sage mal, Stichwort Sozialsysteme: Die sind doch in verschiedenen Ländern verschieden ausgeprägt und deshalb kann man letztendlich bei einer sehr differenzierten Ausgangsposition nicht zu schnell auf eine zu enge Vereinheitlichung hinsteuern. Da braucht man eben entsprechende Spielräume. Aber wie gesagt, bei den Zieldefinitionen müsste man natürlich dann auch konsequent sein, und wie gesagt, eines habe ich ja genannt: die Reduzierung der Staatsschulden. Da wäre ein Beispiel die Einführung einer Schuldenbremse wie in Deutschland. Wie das dann das einzelne Land erreicht, durch welche Steuern, das muss den eigenen Ländern dann einfach überlassen werden können.

    Barenberg: Der Unterschied, Herr Spatz, scheint mir zu sein, dass gegenüber diesen allgemeinen und allgemein formulierten Zielen es jetzt doch stärker um Einzelheiten geht. Bleiben wir bei dem Punkt Steuern, über den wir gerade gesprochen haben. Nun hat sich ja insbesondere mit Blick auf Irland erwiesen, welche Probleme es hervorrufen kann, wenn ein Land sehr niedrige Steuern hat und alle anderen Länder darunter leiden, und am Ende diesem einen Land, Irland nämlich, unter die Arme greifen müssen. Das hat sich ja als Problem herausgestellt. Ist da nicht eine Angleichung der Steuersätze jedenfalls wünschenswert?

    Spatz: Ich sage ja, eine Bandbreite, die hinreichend breit ist, gegen die kann man ja eigentlich nichts sagen.

    Barenberg: Und die sollte dann so breit sein, dass jeder sich doch ...

    Spatz: Und wer dann da weit darunterfällt, das wäre dann ein Beispiel, wo man sagt, okay, ein strengeres Regime wäre auch da hinnehmbar. Allerdings, wie gesagt: Wenn das zu eng wird – und da ist halt das Wort "Angleichung", finde ich, viel zu verführerisch -, dann trifft das wahrscheinlich den Kern der Sache nicht. Wie gesagt, das kommt aber aufs Detail an, und ich denke mal, da wird man in Europa noch ein zähes Ringen erleben, sowohl beim Thema, ich sage mal, Bandbreite bei Renteneintrittsalter wie auch bei Steuern und Ähnliches. Es kann nur eines nicht sein, dass man sich bei einzelnen Sektoren auf relativ strikte Maßnahmen einigt, ich sage mal vielleicht Steuern oder Ähnliches, und beim Thema Sozialstandards dann eben sagt, okay, das interessiert uns nicht so, da ist es egal, ob in Deutschland ein Renteneintrittsalter mit 67 geplant ist und andere Länder haben weiterhin sehr niedrige Renteneinstiegsalter. So einen Wettbewerb, dass man da vereinheitlicht, wo es uns wehtut, und an anderer Stelle nicht, das kann ich mir schwerlich vorstellen. Deshalb gehört das zum Gesamtpaket, bei dem auch erst beschlossen ist, wenn alles beschlossen ist.

    Barenberg: ... , sagt Joachim Spatz. Er sitzt für die FDP im Deutschen Bundestag und ist dort Mitglied im Europaausschuss. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Spatz.