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Dänische Studierende
"In Deutschland ist es ein sehr erwachsenes Studium"

Junge Deutsche studieren gerne ein oder zwei Semester in Dänemark - umgekehrt sind es viel weniger. Den Studierenden, die aus dem Norden in die Bundesrepublik kommen, fallen besonders die Hierarchie und die Bürokratie auf. Fünf Dänen berichten von ihren Erfahrungen aus München.

Von Susanne Lettenbauer | 01.08.2015
    "Hallo, Jens Gronborg aus Aarhus in Dänemark. Ich studiere Physik hier bei der TUM, ja das ist mein letztes Semester Bachelor."
    "Also mein Name ist Sara Marie Jonek, ich studiere jetzt im achten Semester, also im zweiten Semester Master Interkulturelle Kommunikation an der LMU."
    "Mein Name ist Kirstine Hem Pedersen, ich bin 20 Jahre alt und studiere jetzt seit fast einem Jahr Tiermedizin hier an der LMU."
    "Ja, also ich heiße Frederik, ich komme aus Kopenhagen und studiere hier Mathematik an der LMU über Erasmus im vierten Semester."
    "Ja ich heiße Anne, bin 23 Jahre alt und studiere Politikwissenschaften an der LMU."
    Jens, Sara, Kirstine, Frederik und Anne - fünf dänische Studierende in München mit ganz unterschiedlichen Fächern. Ihre Erfahrungen an der Uni sind aber sehr ähnlich:
    Anne: "In Dänemark duzt man sich ja immer, hier soll man sich siezen. Und an der Uni ist nicht so viel los wie in Dänemark. Also die dänischen Studenten sind immer am Campus. Die deutschen Studenten gehen in den Unterricht und dann wieder nach Hause."
    Sara: "Das größte ist die Machtdistanz zwischen den Studenten und den Dozenten, das ist mir am häufigsten aufgefallen, die ganzen Titel und dann das Gesieze, das ist bei uns in Dänemark nicht so."
    Frederik: "Also ich habe gar nicht geglaubt, dass wie man hier Mathematik lehrt, die Unterschiede so groß sein können", sagt Frederik Ravn Klausen:"Das hat Vor- und Nachteile. Hier beschließen die Professoren selbst, was sie lehren wollen, bei uns gibt es ein festes Pensum mit einem Buch, da hilft einem der Professor nur, das Buch durchzugehen."
    Anne: "Hier finde ich es interessant, dass es so viele Referate gibt, das haben wir in Dänemark nicht so, da habe ich viel von den anderen Studenten gelernt."
    Jens: "Es ist vielleicht eher altmodisch, also klassisch, man geht zur Vorlesung und geht dann wieder nach Hause, in Dänemark ist es mehr in Gruppenarbeiten, in Deutschland ist es ein sehr erwachsenes Studium, das ist wie Arbeit, in Dänemark ist es mehr wie Alltag."
    Dozenten und Professoren sähen in Deutschland sehr viel mehr herab auf die Studierenden, lautet eine nicht unbedingt positive Erfahrung. Ein gemütliches Studium mit wenigen Kommilitonen, die man im ersten Semester bei einem gemeinsamen Wochenendausflug kennenlernt - in Deutschland undenkbar. Was Frederik fehlt in München, "ist das studiemiljö. Hier gibt es ja ein kleines Café und manchmal, so einmal in der Woche sitzen da Leute bei einem Bier, sie lernen wirklich viel. Aber bei uns spielen wir jeden Tag Brettspiele, wir haben einfach, da sagt man hygge, kann man nicht übersetzen, wir haben es gut zusammen. Da könnten die Deutschen ein bisschen dran denken, warum lerne ich. Ich lerne, weil es mir Spaß macht, und nicht, weil ich lernen muss."
    Ganz unterschiedliche Durchfallquoten
    Das deutsche Studium erfordere sehr viel mehr Eigeninitiative, sagen Jens und Frederik, die Naturwissenschaftler. Man werde nicht so umsorgt, falle eher durch die Prüfungen, aber genau das reize an dem deutschen Studium:
    Jens: "Es ist eine Herausforderung, ich meine, wenn du einen Job kriegst ist es genau dasselbe, dann hast du nicht diesen Kindergarten, wo du viele Menschen triffst, da musst du es selber machen."
    Frederik: "Also die Durchfallquoten sind so ganz, ganz anders. In Deutschland wird zweimal so viel angenommen als in Dänemark, aber nur die Hälfte wird am Ende Bachelor, das heißt, wenn es eine Klausur ist, in Dänemark wo 40 Prozent durchfallen, dann wird es zu einem politischen Problem gemacht wegen zu viel durchgefallen. Wenn es in Deutschland eine Klausur ist, wo nur 40 Prozent durchfallen, dann wird es zu einem politischen Problem, weil so wenig durchgefallen sind. Das ist schon komisch. Da könnten beide, die Deutschen und die Dänen davon lernen."
    Man könne generell viel voneinander lernen, meint auch Kirstine, die Tiermedizin studiert. Zum Beispiel beim Thema E-learning:
    "Das ist viel integrierter in Dänemark, schon seit Jahren, das kommt jetzt erst an unserer Fakultät, ich hatte jetzt auch ein Wahlpflichtfach, mir bringt das viel mehr, als mich in eine Vorlesung reinzusetzen, überhaupt das ganze mit Internet, da ist Dänemark viel weiter als Deutschland generell."
    Jens, Sara, Kirstine, Frederik und Anne - sie alle studieren trotz der Unterschiede gern in München, weil ihre Sprachkenntnisse besser werden und Deutschland ein wichtiger Arbeitsmarkt ist. Nur an eines werden sie sich nie gewöhnen:
    Jens: "Die Deutschen mag so Stempel und Symbole, da hatte ich unglaublich Probleme mit, in Dänemark haben wir so was nicht mehr."
    Sara: "Diese ganze Bürokratie könnte nicht einfach abgeschafft, aber wenigstens digitalisiert werden, also ich bin vielleicht verwöhnt, das läuft bei uns automatisch, man muss sich nicht einschreiben, muss auch nichts zahlen, das liegt wahrscheinlich auch daran."