Statt in der Spitze eines Kirchturmes schlägt diese Glocke in einem schallgedämpften Container auf dem Campus der Fachhochschule Kempten. Die Wissenschaftler, die daneben stehen, blicken gespannt auf eine Fülle von Kurven, die auf eine Leinwand projiziert werden und die sich im Rhythmus des Glockenschlages verändern. Eine Kurve zeigt an, wie heftig der so genannte Glockenkuss ausfällt.
" Ein Glockenkuss ist die Berührung des Klöppels an der Glocke. Und wir haben diesen Glockenkuss sozusagen dargestellt durch seine Härte, nämlich durch die Abbrems-Beschleunigung des Klöppels beim Anschlag. Und das ist ein durchaus harter Kuss mit 600facher Erdbeschleunigung, der nur eine halbe Tausendstel Sekunde dauert."
So Professor Andreas Rupp von der Fachhochschule Kempten; er ist Leiter des europäischen Glockenforschungsprojektes ProBell. Die Versuchsglocken in dem Container sind übersät mit einer Fülle von Sensoren. Gemessen werden unter anderem die Verformungen im Bereich der Anschlagstelle des Klöppels und der Schwingungswinkel der Glocke. Außerdem analysieren Mikrofone die Klanggüte. All diese Daten sind wichtig, um eine entscheidende Frage zu klären: Welche Parameter führen zu welchen Verschleißerscheinungen?
" Es kommt einerseits durch den Anschlag des Klöppels an der Glocke zu einem örtlichen Materialverschleiß. Es wird Material abgetragen; es gibt eine ausgetragene Stelle, die die Glockenwandung reduziert und irgendwann die Glocke. Zum anderen können, wenn das Material ermüdet, Risse aufbringen, die die Glocke nicht mehr zum Läuten bringen. Das heißt: die klingt dann nicht mehr. Ein weiteres Läuten würde die Glocke dann vollständig zerstören."
Um zu verhindern, dass für so manche Kirchenglocke schon bald das letzte Stündlein schlägt, müssen die Forscher die Zusammenhänge zwischen dem Grad der Beanspruchung durch den Klöppel, den Materialverformungen und den Veränderungen im Klangspektrum erforschen. Immer und immer wieder, im Tempo einer Nähmaschine, hämmert ein Klöppel auf eine Metallplatte ein.
" Das ist ein so genannter Anschlagsversuch. Wir brauchen Langzeitversuche, wo wir mehrere Hundert Jahre Läuten simulieren an Glocken. Aus diesem Grund haben wir eine Beschleunigung, wo wir nicht die Glocke selbst anschlagen, sondern wo wir mit einem Stahlzylinder, der die Eigenschaften des Klöppels hat, auf eine Bronzeplatte aufschlagen, aber das mit einer Frequenz von 30 mal pro Sekunde. Das heißt: Wir können 100 Jahre in ein, zwei Wochen simulieren."
In der Praxis geht die Bewegung aber nicht vom Klöppel direkt aus. Vielmehr versetzt in der Regel ein kleiner Motor die Glocke in eine Drehung. Immer wieder verändern die Forscher einzelne Parameter wie Läutwinkel, Läutfrequenz; dabei kommen auch Klöppel aus unterschiedlichen Legierungen zum Einsatz. Die gewonnenen Daten dienen als Basis für Computersimulationen. Das heißt: Zum Teil lesen die Wissenschaftler bereits am Rechner ab, wie sich das Frequenzspektrum einer Glocke bei einem variierenden Läutewinkeln verändert. Professor Rupp:
" Die Computersimulationen sind dazu gut, Dinge zu berechnen, die wir hier im Versuch an Glocken nur sehr schwer realisieren können. Zum Beispiel wenn wir wissen, eine Computersimulation liefert zuverlässige Ergebnisse, und wir können das vergleichen mit unseren Messungen, dann können wir im Computer sehr leicht die Klöppellegierung ändern oder die Form ändern und dann schauen, wie sich das auswirkt."
Zwar startete das europäische Glockenforschungsprojekt ProBell erst im Oktober vergangenen Jahres, erste Ergebnisse liegen aber bereits vor. So haben die Fachleute herausgefunden, dass der Glockenverschleiß ganz entscheidend abhängt von dem Winkel, in dem die Glocken beim Läuten ausschwingen. Kurt Kramer, Vorsitzender im Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen:
" Hohes Läuten bedeutet hohes Risiko für die Glocken. Das haben wir bei diesem Projekt mittlerweile schon festgestellt. Deswegen sind wir dabei, die Klöppel so zu berechnen, dass die niederes Läuten ermöglichen. Den Läutewinkel der Glocken nach unten nehmen bedeutet automatisch Schonung der Glocken."
Darüber hinaus haben die Wissenschaftler festgestellt, wie weit nach einigen Jahren gedreht werden muss, um zu vermeiden , dass der Klöppel immer auf die gleiche Stelle einschlägt. Bislang wurden die Glocken dann um 90 Grad um den Klöppel gedreht. Damit lässt sich der Anschlagspunkt verändern. Doch genau diese 90-Grad-Drehung ist, so ein weiteres Ergebnis aus dem Kemptener Glockenlabor, alles andere als optimal.
" Es hat bei den Untersuchungen schon gezeigt, dass diese Drehbewegung nur auf 30 bis 35 Grad geschehen sollte, weil dann die alte Anschlagstelle nur noch mit etwa 10, 20 Prozent belastet wird. Das ist eine deutliche Entlastung für die Glocke, die man dann noch trotz Schadstelle weiter betreiben kann."
Warum eine Drehung um 30 Grad eine deutlich höhere Entlastung als eine Drehung um 90 Grad bringt, müssen die Glockenforscher aus dem Allgäu aber erst noch ergründen. Auch Computersimulationen sollen in den nächsten Monaten verfeinert werden. Denn mit Kirchturmglocken verhält es sich wie mit kranken Zähnen: Je früher ein Schaden erkannt wird, desto einfacher die Gegenmaßnahmen. Die Experten in Kempten arbeiten daran, aus winzigen Klangveränderungen verlässliche Rückschlüsse auf Materialermüdungen zu ziehen. Kurt Kramer:
" Wir haben festgestellt, dass die Computerbilder der Spannungsmessungen die gleichen sind oder fast die gleichen, fast identisch sind, jetzt müssen wir noch schauen, wo Unterschiede sind. Und dann, wenn wir das wissen, kann zukünftig der Monteur, der auf den Turm geht, mit einem Mikrofon, mit vorgegebenen Parametern den Ton der Glocke aufnehmen. Und über den Ton kann man dann auf ein Schadensbild der Glocke schließen."
" Ein Glockenkuss ist die Berührung des Klöppels an der Glocke. Und wir haben diesen Glockenkuss sozusagen dargestellt durch seine Härte, nämlich durch die Abbrems-Beschleunigung des Klöppels beim Anschlag. Und das ist ein durchaus harter Kuss mit 600facher Erdbeschleunigung, der nur eine halbe Tausendstel Sekunde dauert."
So Professor Andreas Rupp von der Fachhochschule Kempten; er ist Leiter des europäischen Glockenforschungsprojektes ProBell. Die Versuchsglocken in dem Container sind übersät mit einer Fülle von Sensoren. Gemessen werden unter anderem die Verformungen im Bereich der Anschlagstelle des Klöppels und der Schwingungswinkel der Glocke. Außerdem analysieren Mikrofone die Klanggüte. All diese Daten sind wichtig, um eine entscheidende Frage zu klären: Welche Parameter führen zu welchen Verschleißerscheinungen?
" Es kommt einerseits durch den Anschlag des Klöppels an der Glocke zu einem örtlichen Materialverschleiß. Es wird Material abgetragen; es gibt eine ausgetragene Stelle, die die Glockenwandung reduziert und irgendwann die Glocke. Zum anderen können, wenn das Material ermüdet, Risse aufbringen, die die Glocke nicht mehr zum Läuten bringen. Das heißt: die klingt dann nicht mehr. Ein weiteres Läuten würde die Glocke dann vollständig zerstören."
Um zu verhindern, dass für so manche Kirchenglocke schon bald das letzte Stündlein schlägt, müssen die Forscher die Zusammenhänge zwischen dem Grad der Beanspruchung durch den Klöppel, den Materialverformungen und den Veränderungen im Klangspektrum erforschen. Immer und immer wieder, im Tempo einer Nähmaschine, hämmert ein Klöppel auf eine Metallplatte ein.
" Das ist ein so genannter Anschlagsversuch. Wir brauchen Langzeitversuche, wo wir mehrere Hundert Jahre Läuten simulieren an Glocken. Aus diesem Grund haben wir eine Beschleunigung, wo wir nicht die Glocke selbst anschlagen, sondern wo wir mit einem Stahlzylinder, der die Eigenschaften des Klöppels hat, auf eine Bronzeplatte aufschlagen, aber das mit einer Frequenz von 30 mal pro Sekunde. Das heißt: Wir können 100 Jahre in ein, zwei Wochen simulieren."
In der Praxis geht die Bewegung aber nicht vom Klöppel direkt aus. Vielmehr versetzt in der Regel ein kleiner Motor die Glocke in eine Drehung. Immer wieder verändern die Forscher einzelne Parameter wie Läutwinkel, Läutfrequenz; dabei kommen auch Klöppel aus unterschiedlichen Legierungen zum Einsatz. Die gewonnenen Daten dienen als Basis für Computersimulationen. Das heißt: Zum Teil lesen die Wissenschaftler bereits am Rechner ab, wie sich das Frequenzspektrum einer Glocke bei einem variierenden Läutewinkeln verändert. Professor Rupp:
" Die Computersimulationen sind dazu gut, Dinge zu berechnen, die wir hier im Versuch an Glocken nur sehr schwer realisieren können. Zum Beispiel wenn wir wissen, eine Computersimulation liefert zuverlässige Ergebnisse, und wir können das vergleichen mit unseren Messungen, dann können wir im Computer sehr leicht die Klöppellegierung ändern oder die Form ändern und dann schauen, wie sich das auswirkt."
Zwar startete das europäische Glockenforschungsprojekt ProBell erst im Oktober vergangenen Jahres, erste Ergebnisse liegen aber bereits vor. So haben die Fachleute herausgefunden, dass der Glockenverschleiß ganz entscheidend abhängt von dem Winkel, in dem die Glocken beim Läuten ausschwingen. Kurt Kramer, Vorsitzender im Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen:
" Hohes Läuten bedeutet hohes Risiko für die Glocken. Das haben wir bei diesem Projekt mittlerweile schon festgestellt. Deswegen sind wir dabei, die Klöppel so zu berechnen, dass die niederes Läuten ermöglichen. Den Läutewinkel der Glocken nach unten nehmen bedeutet automatisch Schonung der Glocken."
Darüber hinaus haben die Wissenschaftler festgestellt, wie weit nach einigen Jahren gedreht werden muss, um zu vermeiden , dass der Klöppel immer auf die gleiche Stelle einschlägt. Bislang wurden die Glocken dann um 90 Grad um den Klöppel gedreht. Damit lässt sich der Anschlagspunkt verändern. Doch genau diese 90-Grad-Drehung ist, so ein weiteres Ergebnis aus dem Kemptener Glockenlabor, alles andere als optimal.
" Es hat bei den Untersuchungen schon gezeigt, dass diese Drehbewegung nur auf 30 bis 35 Grad geschehen sollte, weil dann die alte Anschlagstelle nur noch mit etwa 10, 20 Prozent belastet wird. Das ist eine deutliche Entlastung für die Glocke, die man dann noch trotz Schadstelle weiter betreiben kann."
Warum eine Drehung um 30 Grad eine deutlich höhere Entlastung als eine Drehung um 90 Grad bringt, müssen die Glockenforscher aus dem Allgäu aber erst noch ergründen. Auch Computersimulationen sollen in den nächsten Monaten verfeinert werden. Denn mit Kirchturmglocken verhält es sich wie mit kranken Zähnen: Je früher ein Schaden erkannt wird, desto einfacher die Gegenmaßnahmen. Die Experten in Kempten arbeiten daran, aus winzigen Klangveränderungen verlässliche Rückschlüsse auf Materialermüdungen zu ziehen. Kurt Kramer:
" Wir haben festgestellt, dass die Computerbilder der Spannungsmessungen die gleichen sind oder fast die gleichen, fast identisch sind, jetzt müssen wir noch schauen, wo Unterschiede sind. Und dann, wenn wir das wissen, kann zukünftig der Monteur, der auf den Turm geht, mit einem Mikrofon, mit vorgegebenen Parametern den Ton der Glocke aufnehmen. Und über den Ton kann man dann auf ein Schadensbild der Glocke schließen."