Hon Lik ist ein chinesischer Pharmazeut. Ein Wendepunkt in seinem Leben war der Tod seines Vaters. Der hatte geraucht wie ein Schlot und war schließlich an Lungenkrebs gestorben. Für den Sohn war das ein Warnsignal, denn auch er selbst konnte nicht vom Tabak lassen. Und so erfand der Wissenschaftler ein Gerät, das einen nikotinhaltigen Nebel erzeugen kann – die erste moderne elektronische Zigarette.
Die Geräte wurden mittlerweile weiterentwickelt und gelten als ein Hilfsmittel für Raucher, die ihr Laster ablegen möchten. Auch hier in Deutschland, wo jeder vierte Mensch am Glimmstängel hängt. Aber wie gut funktioniert das wirklich? Wissenschaft im Brennpunkt nimmt den Weltnichtrauchertag am kommenden Mittwoch zum Anlass, sich mit dem Dampfen zu beschäftigen, mit E-Zigaretten zwischen Einstiegsdroge und Ausstiegshilfe.
Wie funktioniert eine E-Zigarette? Reportage aus einem E-Zigaretten-Geschäft in Köln - Von Volker Mrasek
Eine Apotheke! Könnte man jedenfalls meinen. In den Regalen lauter Fläschchen von der Größe homöopathischer Mittel. Hinten im Laden Tische mit eingelassenen Glasröhrchen ganz wie Reagenzgläser.
"Da stecken jetzt die Verdampfer drin. Die sind gefüllt mit den jeweiligen Liquids, mit den verschiedenen Sorten. Und die kann man dann in einen Akkuträger stecken und sich so durchprobieren", sagt Christian Tänzer.
Doch keine Apotheke! Ein Laden für elektrische Zigaretten! Mit Probiertischen, auf denen tatsächlich so etwas wie Speisekarten stehen ...
"Ja, zum Beispiel Amarena-Cherry. Oder Cappuccino-Cola. Pfirsich-Eistee. Von Ananas bis Zitrone alles vorhanden", erklärt Tänzer, der Inhaber des Geschäfts.
Verdampfung statt Verbrennung
Unzählige Geschmacksrichtungen - wer sich für die E-Zigarette entscheidet, hat die Qual der Wahl. Und noch einiges mehr ist ganz anders als beim gewohnten Glimmstengel. Die E-Zigarette wird zum Beispiel nicht geraucht. "Keine Verbrennung findet hier statt, sondern eine Verdampfung. Das ist auch der wesentliche Unterschied", sagt Christian Tänzer.
"Also, einmal haben wir hier den Akkuträger. Und der obere Teil ist der Verdampfer. Im Inneren sitzt dann der Verdampferkopf. Wir haben hier einen Draht mit Watte. Der Verdampferkopf saugt sich dann durch die Watte das Liquid nach. Und der Draht wird erhitzt, einfach dadurch, dass Strom durchläuft. In dem Moment entstehen halt so Temperaturen von 200 Grad. Ja, dann verdampft das Liquid und kann über einen Luftkanal inhaliert werden."
"Man kann hier tatsächlich auch an dem Gerät einstellen, wie viel Watt man quasi dampfen möchte. Je höher man es stellt, desto mehr Dampf ist es natürlich. Ich hab's jetzt auf 55 gestellt", sagt Philipp, Mitarbeiter des Geschäfts. "Ich bin jetzt hier bei 18 Watt unterwegs. Das sind dann kleinere Wolken. Das ist eher so wie bei der Zigarette dann", erklärt Christian Tänzer.
Die klassische Zigarette. Mancher Raucher dreht sie sich selbst, aus Tabak und Filterpapier. Bei der E-Zigarette dagegen gibt es schon mal Selbstmischer und Selbstwickler.
Die einen stellen die Liquids in Eigenregie her, also die aromatisierten Flüssigkeiten. Die anderen basteln sich Heizwendel und Wattekern im Verdampfer selbst zusammen.
Sechs Milligramm Nikotin als Standard
Das Mischen der Liquids hält Christian Tänzer nicht für bedenklich. Auch dann nicht, wenn ihnen Nikotin zugesetzt wird, wie das viele E-Zigaretten-Nutzer tun nach dem Umstieg vom Rauchen. Üblich seien sechs Milligramm und mehr auch kaum verträglich, so Christian Tänzer: "Wenn ich jetzt zwölf Milligramm nehmen würde, dann müsste ich husten. Wenn man da 'was überdosiert, dann merkt man das sehr, sehr schnell. Gefährlicher wär' da eher das Selbstwickeln."
Davon rät der studierte Papieringenieur unerfahrenen Bastlern eher ab: "Da sehe ich halt eher Gefahren, dass man nicht weiß, was man tut. Dass man die Elektrotechnik dahinter nicht richtig einschätzt. Man kann halt dadurch sehr schnell einen Kurzschluss erzeugen. Und dann fließen sehr hohe Ströme, und das könnte im schlimmsten Fall zu einem entgasenden oder gar explodierenden Akku führen."
Tänzer jedenfalls hat eher vorsichtige Kunden als fahrlässige. Viele wollten wissen, ob von E-Zigaretten nicht auch Risiken ausgingen - selbst von nikotinfreien. "Ich meine, das ist vielleicht auch nicht gesund?!"
Lungenschädigende Aromastoffe
Der Verdacht ist nicht unbegründet. So gibt es Liquids, in denen Diacetyl oder Pentandion vorkommt. Buttrige Aromastoffe, die die Lunge schädigen können. Die Konzentrationen im Dampf von E-Zigaretten sind zwar sehr gering. Aber: "Besser auf solche Stoffe verzichten, als unnötige Risiken da einzugehen."
Tänzer teilt da offenbar die Sorgen seiner Kunden: "Deswegen haben wir es uns auch ein bisschen zu unserer Aufgabe gemacht, da mehr Transparenz reinzubringen und mit den Herstellern zu sprechen. Also zumindest das Statement zu bekommen: keine Verwendung von Diacetyl, Pentandion oder Triacetin auch. Das ist auch noch ein etwas kontrovers diskutiertes Aroma."
"Jetzt geh' ich 'mal zu Mango über. Das ist halt 'was fruchtiger dann", sagt Kunde Philipp. Nur äußerst selten taucht auch 'mal ein Nichtraucher und Neueinsteiger im Laden auf. "Für den ist das normalerweise auch überhaupt nicht interessant, weil das in Deutschland auch nicht wirklich als cool gilt", sagt Laden-Besitzer Christian Tänzer. Im Gegenteil: Käufer von E-Zigaretten seien fast ausnahmslos Raucher, die vom Tabak loskommen wollten. "Manche tun sich ein bisschen schwerer. Bei manchen ist es von Tag eins: Die legen die Zigaretten weg und rühren nie wieder eine an. Auch die, die 30 bis 40 Zigaretten am Tag geraucht haben."
Die E-Zigarette als Entwöhnungshilfe - Interview mit Ute Mons
Die E-Zigarette als Entwöhnungshilfe für starke Raucher. Da stellt sich natürlich sofort die Frage, ob man dabei nicht etwa den Teufel mit dem Beelzebub austreibt. Ob man eine Sucht durch eine andere ersetzt. Wie schädlich für die Gesundheit sind die E-Zigaretten eigentlich? Diese Frage hat Dr. Ute Mons im Interview beantwortet. Mons leitet die Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ in Heidelberg.
Von Umsteigern und potentiellen Einsteigern - Von Stephanie Kowalewski
Die E-Zigarette als Hilfsmittel, um vom Tabak weg zu kommen. Dabei dürfte es sich wohl nur um die eine Seite der Medaille handeln. Gerade die Vielfalt der Aromen könnte das Dampfen attraktiv machen für Jugendliche.
Andreas Kopp hat 35 Jahre lang gut eine Schachtel Zigaretten pro Tag geraucht. "Jetzt rauche ich E-Zigarette und habe kein Nikotin, nichts mehr drin. Also nur noch den Geschmack."
Davon träumt auch Ulrike Vallee. Seit fast 40 Jahren raucht sie täglich rund 20 Zigaretten. Die 53-Jährige findet das schon lange schrecklich, will weg von den Kippen, schämt sich, weil sie es einfach nicht schafft. "Ich hab schon so Vieles probiert: Akkupunktur, mit Hypnose, mit allem was es gibt. Es funktioniert nicht." Ihr letzter Versuch von dem Tabak und dem Nikotin loszukommen, ist die E-Zigarette. "Also mein Ziel ist, ohne Nikotin zu leben. Und ich hoffe, dass es damit funktioniert. So versuche ich es runterzufahren, und vielleicht kann ich dann irgendwann auch das Teil an die Seite stellen."
Proberauchen im Dampfergeschäft
Im Dampfergeschäft von Tim Trautmann in Tönisvorst am Niederrhein hat sie sich die unterschiedlichen E-Zigaretten zeigen lassen und sich für ein mattschwarzes, etwas längliches Gerät entschieden, das sie mit ihrer gesamten Hand umfassen muss. "So, was darf denn dann noch an Liquid dazu? Ach, ich würde mit Melone beginnen. Ok. Dann nehmen wir den einmal mit sechs mg." Sechs Milligramm Nikotin auf zehn Milliliter Liquid mit Melonengeschmack. Das entspricht in etwa einer leichten Tabakzigarette.
"Sollen wir die auch einmal direkt fertig machen? Ja, gerne." Tim Trautmann träufelt das nikotinhaltige Liquid in den kleinen Tank, der auf den Akkuträger aufgeschraubt ist, steckt das Mundstück darauf und reicht Ulrike Vallee die fertige E-Zigarette. Sie nimmt einen Zug. "Ich finde die auch nicht so stark, wie die Zigarette selber. Ja, ist wunderbar."
Viele Suchtexperten halten die Rauchentwöhnung mithilfe der E-Zigarette jedoch für keine gute Idee. Letztlich tausche der Raucher nur das Suchtmittel aus. Obendrein fehlten nach wie vor eindeutige Studien, die die Unbedenklichkeit der Liquids belegen. Deshalb sei der völlige Rauchstopp das Beste.
"Man fühlt sich einfach gesünder"
"Das ist keine Alternative. Weil ich es nicht geschafft hab, einfach so aufzuhören", sagt die 26-jährige Sina Menge, die seit gut einem Jahr E-Zigarette statt Tabakzigarette raucht. Inzwischen hat sie die Nikotinmenge der Liquids von sechs auf drei Milligramm reduziert. Irgendwann will sie komplett auf Nikotin verzichten. Aber schon jetzt gehe es ihr besser, sagt sie. "Der Geschmack verändert sich, man bekommt besser Luft, man selber riecht auch besser. Man fühlt sich einfach gesünder."
Für viele ausländische Forscher ist die E-Zigarette deshalb ein geeignetes Mittel zur Schadensbegrenzung, sagt Hans-Jürgen Hallmann, Leiter der Ginko-Stiftung für Prävention und Suchtvorbeugung in NRW: "In England wird es als kleineres Übel betrachtet. In Deutschland hat man noch nicht so eine eindeutige Sichtweise. Es gibt auch unter den Forschern, auch unter den Fachleuten aus den Suchtberatungsstellen einfach unterschiedliche Ansichten. Die einen sagen, es ist ein kleineres Übel, die anderen sagen, es ist der Einstieg. Es gibt Personen, die eben auch sagen, es ist der Einstieg in den Ausstieg."
Aber selbst wenn die elektronische Zigarette für Tabakraucher eine echte Alternative sein sollte, fürchten Wissenschaftler, dass sie für Jugendliche der Einstieg ins Rauchen sein könnte.Hier geht es ja um das Rauchritual. Also ich nehme etwas, inhaliere das, probiere das schon mal aus als Zigarette oder als Shisha. Und hier liegt die Gefahr dabei, dass dieses ritualisierte Rauchen, dann auch sich auf Tabakprodukte ausweitet.
Leicht zu erwerbende Einsteigermodelle
Zumal es selbst für Minderjährige - obwohl gesetzlich verboten - ziemlich einfach sei, an günstige Modelle zu gelangen, sagt Deike Kranz, die in der Jugendberatung der Ginko-Stiftung tätig ist. In ihrer Hand hält sie ein typisches Einsteiger-Modell, das eher an einen Kugelschreiber erinnert, als an eine Zigarette. "Und hat vorne einen schönen Glitzerstein, der auch aufleuchtet wenn ich jetzt daran ziehen würde. Es kostet so rund zehn Euro und es ist ein Einwegprodukt, was ich eben an Tankstellen, Kiosken oder im Internet schnell bestellen kann. Wobei wir uns nicht täuschen sollten über die Dauer. Es hat schon 1000 Züge."
Auch Tim Trautmann hat Kunden, die noch nie eine Tabakzigarette geraucht haben, aber sehr wohl dampfen: "Die, die anfangen, die vorher nicht geraucht haben, sind in der Regel Shisharaucher. Die steigen dann schon mal gerne auf die E-Zigarette um, ohne Nikotin."
Laut der letzten Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung hat etwa jeder achte minderjährige Jugendliche schon einmal E-Zigaretten und etwa jeder Siebte E-Shishas ausprobiert. Bei den 18- bis 25-jährigen haben schon fast 70 Prozent Wasserpfeife und gut 20 Prozent E-Zigarette konsumiert.
Bessere Studien notwendig
Doch ist das für junge Menschen der Einstieg ins Rauchen? Eine Stichprobe bei Schülern eines Düsseldorfer Gymnasiums: "Nö. Finde ich nicht. Ich glaube, wenn man anfängt zu rauchen, dann normale Zigaretten. - Die finde ich voll widerlich. Ich finde es eigentlich gesünder, wenn man ohne Nikotin rauchen kann. Von daher finde ich es eher positiv. - Hat für mich gar keinen Reiz. - Ein Freund von mir, der raucht das jeden Tag. Ist aber irgendwie uncool. - Ich hab mehr von Leuten gehört, dass die zur Abgewöhnung das benutzen würden."
Wie viele Jugendliche durch E-Zigaretten- und E-Shishas zur Tabakzigarette gekommen sind, weiß letztlich niemand, weil es auch hier keine belastbaren Studien gibt. Und so lässt sich derzeit keine eindeutige Aussage über Nutzen und Schaden treffen, betont Hans-Jürgen Hallmann von der Ginko-Stiftung. "Wir brauchen bessere Studien, es müssen Langzeitstudien angefertigt werden, man muss den Markt beobachten und ich hoffe, dass wir da klarere Aussagen auch treffen können."
Wie intensiv nutzen Jugendliche uind Heranwachsende E-Zigaretten - Interview mit Heino Stöver
Ein Wissenschaftler, der sich mit solchen Studien zum Nutzungsverhalten bei Jugendlichen beschäftigt, ist Prof. Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences. Im Interview äußert er sich zu Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, wie intensiv Jugendliche und Heranwachsende E-Zigaretten nutzen. Stövers Anregung: das Dampfen als Entwöhnungshilfe im größeren Kontext zu betrachten im Umgang mit Sucht in unserer Gesellschaft.