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Danaergeschenk für Mikroben

Nanotechnologie. - Bis zur Entdeckung von Antibiotika wurde Silber medizinisch genutzt. Mit Einzug der Nanotechnologie erlebt das Edelmetall in der Medizin nun eine Wiedergeburt. Krankenhausmobiliar und Gerätschaften könnten zukünftig mit Silber ummantelt oder angereichert werden.

Von Michael Stang | 23.07.2009
    Vor allem in Krankenhäusern müssen großflächig Desinfektionsmittel angewendet werden, um das Infektionsrisiko durch Bakterien und Pilze zu minimieren. An einer Methode, selbstdesinfizierende Oberflächen für Möbel herzustellen, forschen Wendelin Stark uns seine Kollegen von der ETH Zürich. Eine solche antibakterielle Schicht soll die Mikroorganismen sofort unschädlich machen, ohne dass zusätzliche Desinfektionsmittel zum Einsatz kommen. Die Überlegung der Chemiker war einfach: Sie wollten eine selbstklebende Folie entwickeln, die Bakterien anlockt und anschließend abtötet.
    "Und da haben wir gedacht. ,OK, machen wir doch einen Köder, einen Lockstoff für die Bakterien.‘ Und dann haben wir das Silber als extrem kleine Partikel verpackt in diesen Nährstoff für die Bakterien. Und wenn jetzt das ganze auf eine Polymeroberfläche kommt und ein Bakterium dort wachsen will, dann findet es das Bakterium zunächst einmal ganz cool, dass da noch Nährstoff da ist und findet es super – ,OK. Los! Wachsen!‘, frisst den Nährstoff. Aber in dem Nährstoff sind kleine Silberpartikel und dann stirbt das Bakterium."

    Das Trojanische Nano-Pferd ist eine Kombination aus Calciumphosphat als Nahrungsmittel, das die Mikroorganismen für ihren Stoffwechsel brauchen und Silber, das die Bakterien unschädlich macht. Zur Herstellung der Bakterienfalle bedarf es zweier Arbeitsschritte. Als erstes wird die aktive Komponente gebaut, bei der die Nährstoffpartikel mit den Silberpartikeln vermischt werden. Ergebnis ist ein weiß-braunes Nano-Pulver, sagt Wendelin Stark.

    "Diese Nährstoffpartikel sind etwa 20 bis 50 Nanometer groß. Das ist bereits sehr klein, etwa die Größe von einem großen Enzymkomplex. Das Silber muss dann noch kleiner sein, weil das muss ja in diese Partikel rein oder mit diesen Partikeln in die Bakterien rein. Das Silber ist nur noch ein bis zwei Nanometer groß. Das sind eigentlich eher kleine Grüppchen von Atomen, das sind vielleicht 50 bis 200 Atome. Das ist wirklich sehr, sehr klein."

    Im zweiten Arbeitsschritt bringen die Züricher Chemiker das Pulver in einen Polymerfilm ein. Dieser kann anschließend fein verteilt etwa auf eine Folie aufgetragen werden. Die Wirkschicht macht maximal zwei Gewichtsprozent der Folie aus und verändert sie dadurch nicht in ihren Eigenschaften. Dieses Material wirkt beispielsweise auf das Bakterium Escherichia coli, das Darminfektionen verursacht ist, bis zu 1000 Mal stärker als herkömmliche Silberpräparate. Anders ausgedrückt: bei Tests überlebte keins der bis zu einer Million auf die Folie aufgebrachten Mikroorganismen. Durch diesen Erfolg angespornt entstand im Züricher Institut für Chemie und Bioingenieurwissenschaften vor einem Jahr eine Spin-off Firma. Wendelin Starks ehemaliger Student Norman Lüchinger ist Technischer Chef der Firma Nanograde, die zusammen mit einer Partnerfirma die Bakterientötende Polymerfolie herstellt.

    "Wir haben auf dieser Trägerfolie eine sehr dünne Schicht, das ist die antibakterielle Wirkschicht. Und weil diese Schicht so dünn ist und auch die Nato-Partikel so klein sind und auch in relativ geringen Konzentrationen eingearbeitet werden können, bleibt die Transparenz immer noch bestehen."

    Erste Medikamenten- oder Nahrungsmittelverpackungen, die mit der Folie ausgestattet sind, sollen noch dieses Jahr auf den Markt kommen. Dann sei der Weg auch frei, die selbstklebende, antibakterielle Folie großflächig in Krankenhäusern bei Türklinken, Betten oder Sanitäranlagen einzusetzen. Da nur wenige Silberpartikel benötigt werden, können zum einen die Kosten reduziert werden, zum anderen ist die Methode deutlich weniger Umwelt belastend als frühere Silberpräparate. Ist der Anfang mit der Folie geschafft, wollen die Züricher Forscher im nächsten Schritt das Material auch als Farbzusatz herstellen, der flüssig aufgetragen werden kann. Dadurch könnte die Wirkschicht einfacher erneuert werden, wenn die mit Silber versetzten Calciumphosphate aufgebraucht sind.