Dienstag, 14. Mai 2024


Daniel Roßbach aus Thüringen, geboren am 27.02.1990

Ich war Bürger der DDR, formal gesehen – für einige Monate zwischen Februar und Oktober 1990. Schon aus diesem Umstand ist ersichtlich, dass die Lebensrealität dieses Staates nie meine war. Im Gegenteil – Objekte "aus DDR-Zeiten", mit Herstellungsvermerken wie "VEB Kunststoffindustrie" wirkten wie Verweise auf eine beinahe museale Sphäre, die irgendwie in die Gegenwart hineinragt.

06.09.2010
    Und doch, obwohl die DDR für mich ein abstrakter historischer Gegenstand ist, wie etwa die Weimarer Republik, obwohl ich, aufgewachsen direkt an der Grenze Thüringens zu Hessen, so viele soziale Kontakte zu West- wie zu Ostdeutschen hatte, besteht meine Identität zu einem, wenn auch nicht allzu großen Teil, in meiner Herkunft aus den "neuen Ländern" der Bundesrepublik. Es könnte nun angenommen werden, diese Identifizierung sei eine mit dem Vergangenen, gespeist aus Verklärung und rückwärtsgewandter Sehnsucht. Doch das ist durchaus nicht der Fall.

    Vielmehr entspringt das Gefühl einer speziell ostdeutschen Herkunft und damit auch noch bestehender Grenzen innerhalb eines vereinten Landes der Gegenwart und ihrer Realitäten. Denn solche Grenzen sind auch in aktuellen Karten vielfach noch immer sichtbar: Etwa, wenn diese Arbeitslosenzahlen, Wohlstandsverteilung, Wahlergebnisse oder auch die Verteilung der Vereine in der ersten Fußball-Bundesliga abbilden. Natürlich wären weitere Beispiele denkbar, und in vielen, wenn auch nicht allen, erscheint der Osten des Landes als die benachteiligte Region, wenn auch nicht immer exklusiv.

    Diese fortwährenden politischen und sozialen Sonderkonditionen im Osten Deutschlands sind es, die auch Menschen, die selbst nie in der DDR gelebt haben, veranlassen, in manchen Situationen in Ost-West-Schemen zu denken. Doch der Anteil dieses Einflusses auf das gesamte Bewusstsein von Menschen meiner Generation sollte auch nicht überschätzt werden. Denn damit, spezielle Probleme Ostdeutschlands wahrzunehmen, ist immer seltener ein polarisierendes und konfliktträchtiges Verhältnis zu Menschen aus anderen Teilen des Landes verbunden, aus dem feindselige Stereotypen voneinander entstehen.