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Danke für die wahre Berichterstattung

In Deutschland gibt es rund 300 Journalistenpreise - von allgemeinen Preisen wie dem Theodor-Wolff-Preis, der für jedes Thema verliehen werden kann, bis hin zu sehr speziellen Preisen von Berufs- oder Wirtschaftsverbänden. Doch wie seriös sind diese Preise und wo ist die Grenze zur PR überschritten?

Von Michael Meyer |
    Frankfurt am Main im Herbst. Der BVK, der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften verleiht zum dritten Mal seinen Journalistenpreis. 150 Menschen sind in den 25.Stock des "Japan Centers" gekommen – von hier oben hat man einen fantastischen Blick auf den Finanzplatz Frankfurt. "Kapitalbeteiligungsgesellschaften" – das sind neudeutsch die "Heuschrecken", die Investoren, die manchmal nur kurzfristig in ein Unternehmen investieren, um es hinterher gewinnbringend zu verkaufen. Soweit das Klischee. Der Präsident des BVK, Hanns Ostmeier, sieht die Rolle der Kapitalbeteiligungsgesellschaften naturgemäß etwas anders:

    "Im Wesentlichen machen die etwas ganz Einfaches, sie stellen Kapital zur Verfügung um Unternehmen zu erwerben und der Begriff "Private Equity" leitet sich eigentlich von "Public Equity" ab, es ist also immer im Zusammenhang zu sehen mit seinem Gegenteil und "Public Equity" ist neudeutsch und heißt diejenigen Unternehmensanteile die an Börsen öffentlich gehandelt werden. Also Sinn und Zweck und Hintergrund dieses Private Equity ist das man Anlegern die Möglichkeit geben will in nicht-börsennotierte Unternehmen zu investieren."

    Vor fünf Jahren, im Jahr 2005 waren die Private Equity-Firmen und Hedge Fonds eine Art Gespenst, das in Deutschland umging. Auslöser war eine Bemerkung des damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering in der "BILD am Sonntag", der über Finanzjongleure, Hedge Fonds und private Kapitalanleger herzog und von einer "Heuschreckenplage" sprach, die Deutschland nicht gebrauchen könne. Noch Monate danach rechtfertigte sich Müntefering in einem Interview:

    "Wir haben eine Finanzindustrie, die hat mit Unternehmertum eigentlich nichts mehr zu tun, da ist ganz viel Geld unterwegs, das soll schnell viel mehr neues Geld bringen, und die Methoden mit denen man das versucht sind ziemlich rabiat, zulasten der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer sehen das und die Menschen fragen mich: Habt ihr das eigentlich im Griff?"

    Damals war die Berichterstattung zum Teil allzu polemisch und gegen die Finanzbranche gerichtet, meint Hanns Ostmeier:

    "Das war ja eine Situation in der eine Branche, die in Deutschland den meisten Leuten überhaupt nichts sagte, und wurde durch diese Heuschrecken-Diskussion ans Licht des Tages gezogen. Da war eben die Situation, dass weder die Öffentlichkeit noch die Journalisten sich mit einem Mal genötigt sahen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, auf ein großes Vorwissen zurückgreifen konnten. Also die Berichterstattung da war dadurch geprägt, dass man zunächst mal aufgriff den Ausgangspunkt, nämlich die Befürchtungen die damals Müntefering im Zusammenhang mit Private Equity- Investoren gehegt hat und dann fehlte eigentlich eine ganze Menge an Wissen und an Möglichkeiten, sich kundig zu machen über diese Branche, um da dann differenziert drauf eingehen zu können."

    Vor diesem Hintergrund ist denn auch die Gründung des Journalistenpreises des Verbands der privaten Kapitalbeteiligungsgesellschaften zu sehen. 2008 wurde er erstmals vergeben.

    "Wir haben mit dem Preis den Zweck verfolgt, Journalisten anzureizen, sich mit dem Thema Private Equity auseinanderzusetzen. Wohl wissend, dass das keine leichte Kost ist. Das ist kein Thema, mit dem man auf Tagesaktualität basierend irgendwelche Trend bedienen kann, sondern das ist ein Thema, was eine relativ harte Nuss darstellt, wenn man sich eben mal in die Situation eines Journalisten versetzt, der sich mit dem Thema beschäftigen möchte. Und die Idee des Preises ist es, das wir denjenigen, die das machen, ein Zeichen senden, das wird wahrgenommen, vor allen Dingen von Teilen der Öffentlichkeit, die auch beurteilen können, ob etwas von der sachlichen Tiefe und von der Differenziertheit passt oder nicht, um letztendlich zu ermuntern, ihr kommt damit wahrscheinlich nicht auf die Titelseite, es sei denn, es gibt wieder so einen Aufreger des Tages, aber es wird sehr wohl wahrgenommen und da war uns auch wichtig, dass wir durch die Auswahl der Jury eine hochkarätige Schar von Kollegen am Tisch hatten und genau dieses Signal mit senden konnten."

    Der BVK–Journalistenpreis ist also einer jener Auszeichnungen, die weitgehend unabhängig vergeben werden soll. Dafür sorgen die vier Mitglieder der Jury, die alle selbst Journalisten sind. Zwei davon, die bereits zum dritten Mal über die Gewinner des BVK-Journalistenpreises entscheiden, sind Sigmund Gottlieb, Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und Jörg Eigendorf von der "WELT", er war Leiter der Finanzredaktion in Frankfurt und ist seit September Leiter des Investigativressorts in Berlin.Eigendorf sagt, dass die ausgezeichneten Texte und Beiträge sich durchaus kritisch mit der Finanzbranche und den Private-Equity-Firmen befassen – Grundbedingung für einen Preis müsse eben sein, dass sie originell geschrieben seien:

    "Erste Voraussetzung ist, dass ich sie zu Ende lesen will. Es gibt viele Geschichten, die legen Sie nach zwei Absätzen beiseite, weil Sie sagen: Es ist zwar nett, ist aber keine aufwändige Recherche, kein origineller Einstieg, das ist eigentlich recht langweiliger Journalismus. Etwas was mich nicht überrascht, regt mich auch nicht zum Lesen an. Es muss mich also in irgendeiner Form überraschen."

    Jörg Eigendorf meint, dass viele hyperkritische Artikel über die Finanzbranche auch aus einem gewissen Unverständnis heraus geschrieben wurden. Wer die Branche nicht verstehe, könne auch nicht kompetent über einzelne Akteure urteilen:

    "Das Problem ist: Viele Journalisten nehmen sich auch nicht die Zeit dann, da reinzugehen, haben vielleicht nicht den Anreiz oder die Arbeitsmöglichkeiten. Da sag ich: Dafür sind solche Preise gut, sich intensiv mit einer solchen Materie auseinanderzusetzen, wir haben hier lebhafte Debatten in der Jury,wir prämieren eben am Ende Geschichten, die sind eben keine Schönwetter-Geschichten und die gefallen nicht jedem in der Branche, sondern die sind sehr kritisch, aber durch diese Jury kommen Sie nicht durch, wenn Sie nicht ordentliche Arbeit geleistet haben."

    So manch spannende Texte musste die Jury verwerfen – denn sie befassten sich nicht oder nicht eng genug mit dem Alltagsgeschäft der Kapitalgesellschaften.

    Dennoch bleibt die Frage, was ein Journalistenpreis bewirken soll, angesichts einer Branche, die die Öffentlichkeit häufig scheut. Zu viel Öffentlichkeit stört das Geschäft. Diese Haltung behindere allzu oft überhaupt eine sachliche Berichterstattung, meint Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk:

    "Das ist ein schwieriges Thema, weil wir natürlich feststellen, dass genau in diesem Bereich die Zurückhaltung, den Kontakt zum Medium zu nutzen, sehr groß ist. Das kann man zum Teil verstehen, weil die Menschen in diesem Geschäft auch schlechte Erfahrungen gemacht haben. Andererseits halte ich es für komplett falsch und auch nicht im Interesse derjenigen, so eine Zurückhaltung an den Tag zu legen, nach Möglichkeit den Kontakt zum Medium zu vermeiden. (…) Die müssen auch kapieren, dass auch eine differenzierte Darstellung negativer Seiten, die es natürlich auch in diesem Geschäft gibt, gegeben hat, und immer noch gibt und weiterhin geben wird, dass diese Seiten genauso journalistisch sauber, klar, direkt, auch wenn es sein muss, mit aller Deutlichkeit und Brutalität aufgezeigt werden. Das müssen die aushalten, aber da habe ich das Gefühl, soweit sind sie noch nicht in ihrem Erkenntnisprozess."

    Immerhin: Zwei der 2010 ausgezeichneten Artikel befassen sich äußerst kritisch mit dem derzeitigen Zustand der Private-Equity – Branche, einer trägt den Titel "Sanierer in Not", ein anderer ist mit "Entdeckung der Sanftheit" überschrieben – darin geht es darum, dass die Branche um ein besseres Image kämpft – der Journalistenpreis mag dafür ja ein Indiz sein.

    Von den über 300 Journalistenpreisen, die es in Deutschland gibt, sind längst nicht alle als unabhängig zu bezeichnen. Oft haben Verbände, Institutionen ein bestimmtes Interesse, warum sie einen Preis vergeben. Die Webseite "Journalistenpreise.de" listet derzeit knapp 300 Journalistenpreise auf, die zum Teil kurios speziell sind.Da gibt es etwa einen Preis

    "Gemeinsam gegen Lungenhochdruck",

    einen Preis des Sparkassenverbands zum Thema

    "Bezahlen mit Karte im Alltag",

    einen Preis namens

    "Die Apotheke in der Gesellschaft"

    oder auch ein Preis für Beiträge aus dem Bereich

    "Historische Wertpapiere und Finanzgeschichte".

    Nicht dass manche dieser Themen nicht wichtig wären – aber es stellt sich schon die Frage, wie unabhängig derlei Preise sein können, wenn sie so speziell zugeschnitten sind. Manchmal treten die wirtschaftlichen Interessen auch ganz klar in den Vordergrund, ein Beispiel: Der Toyota-Händlerverband hatte einen Journalistenpreis ausgeschrieben unter dem Titel: "Danke für die wahre Berichterstattung" – Hintergrund war um eine Rückrufaktion um fehlerhafte Gaspedalen, Bremsen und Fußmatten in Toyota-Wagen. Toyota wolle sich für eine differenzierte Berichterstattung bedanken - gleich mehrere Zeitungsjournalisten sollten ausgezeichnet werden, diese lehnten jedoch ab. Während die Autoren vom "Handelsblatt", dem "stern" oder der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" in dem Journalistenpreis eine dreiste, anbiedernde Aktion sahen, nahmen die Mitarbeiter der ADAC Motorwelt den Preis an. Das Preisgeld wurde aber, immerhin, an die Stiftung Gelber Engel für Verkehrssicherheit weitergeleitet.
    Volker Lilienthal, Professor für Medienjournalismus in Hamburg meint, dass man bei den Auszeichnungen in jedem Fall genau hingucken müsse. Nicht alle hätten den gut arbeitenden, investigativen Journalismus im Auge:

    "Ich glaube schon, dass die stimulierend wirken, dass junge Leute und auch erfahrene Leute auf die Idee kommen , in der Richtung muss ich mal was arbeiten, und insofern kann man da was erwarten, aber man sollte nicht zu Großartiges erwarten. Grundsätzlich begrüße ich es, dass es immer noch Stifter gibt, die ihr Geld in guten Journalismus investieren, in Form von Wettbewerben, davon gibt es eigentlich schon viel zu viel eigentlich , wir müssen uns konzentrieren in der öffentlichen Wahrnehmung auf die Preise, auf die es wirklich ankommt. "

    Doch die Frage bleibt: Wie kann man die seriösen Preise eigentlich von den weniger seriösen unterscheiden? Ein Theodor-Wolff-Preis der Zeitungen ist ganz sicher über jeden Zweifel erhaben, aber gilt das auch für den Preis für "Wohnen und Design"? Volker Lilienthal meint, dass oft schon die Namen verräterisch sind: Etwa bei Titeln wie dem "Business of Beauty-Frisurenpreis":

    "Da merkt man doch gleich, dass das Huhn nur in einer ganz bestimmten Ecke gackert, und da würde ich als Journalist ehrlich gesagt Abstand nehmen. Ich halte es grundsätzlich für legitim, dass irgendwelche Firmen oder Verbände solche Preise auflegen, aber es sind eben PR-Preise, es sind thematisch eng geführte Preise und an dieser thematischen Engführung merkt man dann auch: Der Preisstifter ist dann nicht an gutem Journalismus allgemein interessiert, sondern er will eine Thematisierung eines Feldes erreichen, was ansonsten vielleicht gar nicht in den Medien so stark beachtet würde, insofern liegt bei diesen thematisch eng geführten Preisen ein gewissen manipulatives Element im Spiel."

    Ein weiteres Kriterium mag sein, so meint Lilienthal, wer bei den Preisen in der Jury sitzt. Wenn in einer Jury kaum oder gar kein Journalist vertreten ist, sei es anzuzweifeln, ob der Preis wirklich so unabhängig vergeben wird. Ein Beispiel: Der Verband "Pro Dente", der sich mit Zahntechnik befasst, zeichnet Beiträge aus den Bereichen Zahnmedizin und Zahntechnik aus. Dirk Kropp, Pressesprecher des Verbands "Pro Dente" meint, die Zusammensetzung der Jury sei aber kein Problem:

    "Ich brauche den Zahntechniker und ich brauche den Hochschulprofessor in der Jury, weil ich sonst anfange, Sachen auszuzeichnen, die faktisch nicht stimmen, das heißt, ich brauche die Fachkompetenz, das sind 50 Prozent jeweils, um beurteilen zu können, ist der Beitrag inhaltlich stimmig. Ich glaube, das ist so eine gewisse Arbeitsteilung bei uns, da ist der Fachjournalist, das ist jetzt meine Person, obwohl ich von Hause aus kein Journalist bin, sondern nur eine klassische PR-Ausbildung habe, und Publizistik-Studium, das wir uns auf die Ebene begeben, welche Kriterien des Schreibens, ist die Ansprache vernünftig, kann man davon ausgehen, dass es von der Recherche her erkennbar ist, wie aufwändig ein Beitrag war, das ist eigentlich unser Job und da ergänzt sich die Jury ganz gut, ich darf hier auch ganz ehrlich sagen, wenn ich mehr Geld hätte könnte ich mir mehr Experten für die Jury mit ihren Fahrtkosten kaufen, und könnte die auch größer machen. Das ist auch immer ein Aspekt, den man bei kleineren Preisen nicht so ganz wegschieben sollte."

    In diesem Jahr wurde etwa ein Artikel aus der "Apothekenumschau" prämiert, der Fallbeispiele recherchiert hatte, auch Preisangaben wurden in dem Artikel gemacht. Ein weiterer Preis behandelte das Thema Auslandszahnersatz. Doch die Frage bleibt: Sind manche Artikel etwa schon darauf hingeschrieben, diesen Preis zu bekommen, sind sie halbe PR? Dirk Kropp:

    "Ich glaube, man kann das ganz schwer sehen. Man müsste da Vorurteile walten lassen, kleine Publikationen, dürften dazu neigen, freie Journalisten, dürften dazu neigen, aber die Überraschung, die wir immer erleben, ist, wir zeichnen einen Artikel aus, und dann nimmt den ein freier Journalist entgegen, das wissen Sie ja vorher nicht, das wird ja nicht abgefragt. Wir hatten im ersten Jahr den Fall, dass eine Kollegin des SAT.1 Regionalfensters den Preis zeitweilig nicht entgegen nehmen durfte, weil ihr Chefredakteur der Meinung war, dass ihr Beitrag über Kinderzahnheilkunde, wie nimmt man Kindern die Angst vorm Zahnarztbesuch, dass das ein lancierter, ein genau für diesen Preis gemachter Beitrag gewesen ist, sie ist dann nachher doch gekommen mit ihrem Chefredakteur zusammen zur Preisverleihung, weil der sich dann überzeugen wollte, auf welcher Ebene sich die Preisverleihung abspielt, aber ich halte das für echt schwer."

    Die Frage ist ohnehin, warum sich Journalisten überhaupt auf Journalistenpreise bewerben. Die meisten Preise sind dotiert in einem Bereich von 1000 EUR, 2000 EUR, manchmal auch bis zu 5000 EUR. Da man kaum davon ausgehen kann, ständig einen Preis zu bekommen, fällt der Journalistenpreis als feste Einkommensquelle wohl aus. Arne Orgassa, selbst Hörfunk- und Fernsehjournalist, hat seine Diplomarbeit über das Thema geschrieben und dafür 931 Kollegen befragt. Nicht alle haben auf jede Frage geantwortet, aber, es gebe einen gewissen Trend, warum sich Journalisten um Preise und Auszeichnungen bemühen:

    "Der Hauptpunkt, was die Leute gesagt haben, warum sie teilnehmen ist, auf der einen Seite eine bessere Karriere zu machen, anerkannt zu werden in der Branche vielleicht auch in der Öffentlichkeit, und was ich eben auch erstaunlich fand, dass einige Freie gesagt haben: Ja, das Preisgeld können wir schon gut gebrauchen, das wir mit dem Preis gewinnen können.
    Was ich am Beeindruckendsten fand war, ein Großteil der Befragten sagt, es gibt Preise, die Qualität fördern wollen, zwischen renommierten Preisen und Preisen, die so ein Geschmäckle haben, die von PR-Leuten gemacht werden, die von Lobbygruppen gemacht werden, auf der anderen Seite aber viele von denen bei diesen Preisen mitgemacht haben."

    Bei Netzwerk Recherche, dem Verein, der streng über ethische Grundsätze der Branche wacht, sieht man die Vielzahl der Journalistenpreise ebenfalls als Problem, so der Vorsitzende Thomas Leif:

    "Ja, es gibt es die skurrile Entwicklungen, dass Journalisten auf Preise hin schreiben, auf Preise ihre Texte formatieren und konzipieren und als Nebenhonorarerwerb sehen, daran sehen Sie schon, das sich eine Szene entwickelt hat, die völlig übertrieben ist, es geht nicht mehr um die Substanz einer journalistischen Qualität sondern um ein Marketingversprechen, was mit dem Preis verbunden ist."

    Selbst bei größeren Preisen, die in der Branche anerkannt sind, wird zum Teil gemauschelt, meint Thomas Leif, wenn etwa Texte aus dem eigenen Verlag nachnominiert werden und deren Autoren sogar einen Preis erhalten:

    "Also wenn man nachher sieht wer am Ende ausgezeichnet wird und aus welcher Gruppe diese Leute kommen, und wer welches Preismarketing betreibt, dann gibt es eine Menge Fragezeichen. Ich glaube ein großes Problem sind so genannte Vorjurys, die sich sehr sorgfältig Gedanken machen um Preisträger und dann kommt eine Promijury obendrauf, die endgültig entscheidet und das führt zu Konflikten, das ist nicht immer so sinnvoll und verzerrt auch das gesamte Bild. (….) Das entscheidende ist, legt die Jury ihre Kriterien offen nach der sie entscheidet, jedenfalls vom Prinzip her, und hält sie sich an die Kriterien, das sind für mich die Standards und die sind leider nicht allzu oft gewährt, weil viele ihr eigenes Geschäft betreiben und da sich im Grunde eine Inflation entwickelt hat, die meiner Ansicht nach am Ende schadet."

    Auch der Journalistenverein "Freischreiber", der sich seit zwei Jahren um die Belange freier Journalisten kümmert, sieht in den vielen Journalistenpreisen ebenfalls eine Gefährdung der Ethik in der Branche, gerade auch durch die Nähe zu PR-Maßnahmen einiger Verbände. Jedoch hat "Freischreiber" eine andere Sicht auf die Dinge. Felix Zimmermann, freier Journalist für DIE ZEIT, taz oder GEO, meint, dass die Honorarsätze gerade bei Zeitungen heute zum Teil so schändlich niedrig seien, dass freien Journalisten kaum etwas anderes übrig bleibe, als nebenbei PR zu machen oder sich notgedrungen manchmal auch auf Journalistenpreise zu bewerben:

    "Damit kann man sehr oft sehr viel mehr Geld verdienen, die Honorare kommen pünktlicher, es gibt kein Gezanke darum, und viele auch namhafte Journalisten, die ich kenne, sagen dann Kundenzeitschriften kann ich schreiben, wie ich schreiben will, da redet mir auch keiner rein, anders als in Redaktionen, wo einem dann doch mal reingeredet wird."

    Auch Arne Orgassa befürchtet, dass die wirtschaftliche Situation vieler Journalisten Nebentätigkeiten wie PR geradezu unausweichlich werden lassen:

    "Wenn gerade bei Printjournalisten, die Honorare immer weiter sinken, ist man dort glaube ich schon sehr stark verleitet zu sagen: Wow, da bietet mir einer 1000, 2000 Euro an für einen Preis der gar nicht so schwer zu recherchieren ist, dann schreib ich den mal schnell. Ich glaube schon, dass da eine Tendenz da ist. Ich glaube auch, dass wenn sich an der Honorarfrage nichts ändert, das noch stärker sein wird. Eben weil auch eine Vermengung bei freien Journalisten da ist mit PR, das habe ich auch durch Feedback mitbekommen, ich habe Journalisten rausgefiltert aus dem Fragebogen, die zugegeben haben, dass sie PR machen. Daraufhin habe ich ganz viele empörte Emails bekommen, wir können uns unseren Unterhalt doch gar nicht leisten, wenn wir nebenbei nicht noch ein bisschen PR machen. Die aber alle gesagt haben: Wir trennen sehr strikt zwischen PR und unserer journalistischen Arbeit, ob das so ist kann ich nicht beurteilen, aber ich sehe, dass die Leute PR machen und dass die Leute vielleicht auch deswegen an PR-Preisen teilnehmen."

    Die Hamburger Journalistin Silke Burmester weiß, wie es ist, PR nicht unbedingt machen zu wollen, aber machen zu müssen. Sie hat sich zwar noch für keinen der kuriosen Journalistenpreise beworben, macht aber nebenbei PR. Sie schrieb schon für alle möglichen Magazine und Zeitungen, unter anderem für die "ZEIT", "GEO", "taz" und andere. Im enger werdenden Markt der Zeitungen und Zeitschriften wird es für viele freie Journalisten immer schwieriger, zu überleben. Burmester, die unter anderem viel Aufmerksamkeit für ihr "geheimes Tagebuch der Carla Bruni" erhielt, erzählt, dass ihr Weg in die PR ein nicht unbedingt freiwilliger war:

    "Da rein zu geraten oder hinzugeraten ist nicht so schwierig, weil man immer Leute kennt, die das machen. Deswegen daran zu kommen ist nicht so schwierig, es zu machen, war die Entscheidung als deutlich wurde dass ich vom Journalismus nicht mehr leben kann. Weil mehrere Arbeitgeber weggebrochen sind, der "stern" hatte die Ansage keine Freien mehr zu beschäftigen, und auf einmal waren vier regelmäßige Arbeitgeber weg. Und da muss man halt gucken, wo kommt es her, und die die mir noch blieben waren nicht die, die mich ernähren können. Also spricht "taz" oder so und ein Problem ist ja auch dass es heute kaum noch Geschichten gibt, die so groß sind dass man davon leben kann, man muss also unglaublich viel machen. Und das ist eben auch ein Vorteil von PR dass man da auch mal 1600 oder 3000 EUR bekommt , man muss also nicht so eine unglaubliche Masse machen, weil man muss eine unglaubliche Masse produzieren um auf 3000 EUR zu kommen, das geht gar nicht."

    PR-getriebene Journalistenpreise und Öffentlichkeitsarbeit sind für Silke Burmester nicht unbedingt problematisch, aber sie sagt, dass eine saubere Trennung, eine genaue Betrachtung wer schreibt wann für welche Interessen nach wie vor wichtig sei:

    "Mir ist die Problematik sehr bewusst, ich bin auch Dozentin und hab auch schon Seminare zu dem Thema gegeben, ich habe früher als freie Textchefin gearbeitet und mir ist bei Frauenzeitschriften auch schon diese Verquickung aufgefallen und ich hab gemerkt, dass es bei den Journalisten oder Redakteuren gar kein Bewusstsein mehr gibt, das auch sprachlich aufzufangen. Da heißt es dann: Das Shampoo tut das und das anstatt zu sagen: Der Hersteller sagt, das Shampoo täte das und das. Ich habe für mich das halt so gelöst, dass ich nur PR mache, die ganz klar erkennbar ist. Ich schreib zum Beispiel fürs "Opelmagazin", da steht Opel drauf. Mein Problem ist, dass ich damit die Autoindustrie stütze,aber das ist das persönliche Problem, aber es ist erkennbar dass es PR ist. Und das ist dann für mich auch in Ordnung. Was ich nicht mache, mich von Firmen bezahlen zu lassen, und das das dann als Artikel unterzubringen oder die PR-Firmen brauchen ja auch Schreiber, die dann gleich übernommen werden, sowas mache ich nicht. "

    Netzwerk Recherche hatte vor zehn Jahren für Aufruhr gesorgt, als der Verein den Satz prägte: "Journalisten machen keine PR!" – Über diese allzu strenge Forderung wurde in der Branche viel diskutiert – doch Thomas Leif meint, dass dieser Satz in seiner Einfachheit noch immer genial sei und trotz aller ökonomischen Schwierigkeit noch immer Bestand habe:

    "Wir sind für getrennte Welten – Journalismus ist das eine, PR das andere. Aber wir sind ziemlich allein – sowohl der DJV als auch Verdi, als auch Freischreiber sind anderer Auffassung, wir sind da ziemlich alleine auf dem Platz. Kurioserweise kriegen wir Unterstützung von professionellen PR-Leuten, die sagen: Wir können nur vernünftig arbeiten, wenn es auch einen kritischen guten Journalismus gibt, das ist die Paradoxie der Debatte. Ich glaube, heute ist der Status der, durch den ökonomischen Druck und dadurch dass so viele junge Leute Journalist werden wollen, das Thema immer virulenter werden wird aber leider viele gar kein Trennungsgebot mehr im Kopf haben und dafür werben wir und dafür argumentieren wir, mit mittlerem Erfolg muss man sagen, weil der kommerzielle Druck auf den Journalismus extrem höher wird."

    Zumindest in diesem Punkt sind sich die beiden Vereine "Netzwerk Recherche" und "Freischreiber" einig – der kommerzielle Druck wird größer werden – und freie Journalisten müssen sehen, wo sie bleiben. Beim Thema Journalistenpreise müsse allerdings letztlich jeder für sich entscheiden, meint Felix Zimmermann von "Freischreiber":

    "Ich würde mich für solche Journalistenpreise auch nicht bewerben, ich habe auch noch nichts über Augenärzte oder Friseure geschrieben, die ihre Journalistenpreise vergeben, wir haben da von unserem Verband auch keine Richtlinie, aber ich finde, das schließt sich aus, wer sauberen Journalismus machen will, der bewirbt sich nicht für solche Journalistenpreise."