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Danke, kein Interesse an Ihrem Jobangebot!

Für Bewerber sind Absagen leider ein gewohntes Bild. Freundlich formuliert teilen sie mit, dass man für die Stelle nicht geeignet sei. Doch jetzt können Jobsuchende den Spieß auch umdrehen. Die erste Absageagentur Deutschlands hilft bei der Formulierung von Absagen an Unternehmen, an deren Stellenangeboten man kein Interesse hat.

Von Teresa Schomburg |
    Rot springt dem Betrachter der Buchstabe "A" entgegen, daneben prangt ein Foto mit drei jungen dynamischen Menschen, Links führen zu Stellenanzeigen renommierter Zeitungen. Die Seite sieht fast so aus wie die der Bundesagentur für Arbeit. Doch einige Details passen nicht ins Bild. Die jungen Menschen tragen Sonnenbrillen, unter dem Bild steht der Begrüßungstext "Herzlich willkommen auf den Seiten der Absageagentur."

    Mit Absagen kennt Thomas Klauck sich aus. Monatelang saß er am Schreibtisch, durchsurfte alle Online-Jobbörsen und schrieb Bewerbungen wie besessen. Doch kein Verlag, keine Bibliothek und kein Kunstverein wollte den studierten Philosophen einstellen. Jeden Tag wuchs der Stapel mit Absagen auf seinem Tisch, und mit jeder Absage wuchs der Frust.

    " Es gibt halt immer dieses Gefühl dann zum Briefkasten zu gehen, und man sieht diese Absagen und denkt halt, eigentlich,, hätte ich das doch sehr gerne gearbeitet, aber ich bin noch nicht mal in die nächste Runde gekommen, sondern ich bin halt gleich abgelehnt worden, warum auch immer. "

    Jetzt dreht Thomas Klauck den Spieß einfach um. Zusammen mit der Studentin Kathrin Lehnert rief er die Absageagentur ins Leben. Auch Unternehmen, die sollten sich die Absagen stapeln. Nächtelang saßen die frischgebackenen Vermittler am Computer, entwarfen ihre Website und tippten am Text für den perfekten Absagebrief.

    Nach sorgfältiger Prüfung Ihres Angebots muss ich Ihnen leider mitteilen, dass die oben genannte Ausschreibung nicht meinen Ansprüchen gerecht wird. Daher muss ich Ihnen hiermit bedauerlicherweise eine Absage schicken. Ich versichere Ihnen, dass meine Entscheidung keine Abwertung Ihrer Person oder Ihres Unternehmens bedeutet, sondern ausschließlich auf meine Auswahlkriterien zurückzuführen ist.
    Mit der Bitte um Verständnis und
    mit freundlichen Grüßen,
    Ihre Absageagentur


    Der Brief steht jetzt im Internet bereit. Bewerbungsmüde setzen die Adresse des gewünschten Unternehmens ein, und die beiden Absageagenten leiten das Schreiben weiter. Die Agentur ist mehr als ein persönlicher Racheakt. Kritik will Klauck üben an der Praxis vieler Unternehmen, Bewerber mit Standardfloskeln abzuspeisen. Absagegeplagten gibt er die Gelegenheit klarzustellen, was die eigene Arbeitskraft wert ist.

    " Ich bin nicht nur immer der, der darauf warten muss, dass mir endlich irgend jemand ne schlecht bezahlte oder ne gar nicht bezahlte Arbeit, oder ne Arbeit, die halt unmögliche Bedingungen hat, anbietet und muss dann glücklich darüber sein, sondern ich kann halt einfach selbst absagen."

    Die ersten Kunden sind zufrieden. Annika Seifert rackerte sich monatelang als Praktikantin bei Filmproduktionsfirmen ab. Dafür sah sie keinen Cent, auch aus einem Volontariat wurde nichts. Unbezahlt als Praktikantin arbeiten? Da macht sie nicht mehr mit. Jetzt bringt sie ihren Ärger zu Papier.

    " Ich hab Spaß daran, mir die Leute vorzustellen, wie sie den Brief aufmachen und denken, das ist die 600. Bewerbung, und dann stutzen: Moment mal: Absage? Was bedeutet das denn?"

    Absagen einstecken - das ist für Unternehmen neu. Zu den Schreiben aus dem Hause Klauck und Lehnert wollen sich Personalchefs bislang nicht persönlich äußern. Zu groß ist die Angst, den Namen ihres Unternehmens in Misskredit zu bringen. Lediglich per e-Mail reagierte die Personalchefin eines Chemiekonzerns. Das Absageschreiben tat sie als Missverständnis ab.

    Sehr geehrter Herr Klauck,
    Bezug nehmend auf Ihr Schreiben und der darin enthaltenen Angebotsablehnung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass weder eine Bewerbung noch weiterführende Interviews sowie eine Offertlegung erfolgte. Somit gehen wir von einem Irrtum aus und sehen Ihr Schreiben als gegenstandslos an.


    Heute macht die Agentur ein Büro in Berlin-Kreuzberg auf. Der Ort soll Treffpunkt sein für alle, die sich austauschen wollen über ihre Odysseen auf dem Arbeitsmarkt oder über den Stellenwert von Arbeit allgemein. T-Shirts mit dem Aufdruck "Ich habe abgesagt" verkaufen Klauck und Lehnert hier. Ansonsten hält sich die Agentur mit Fördermitteln aus dem politischen Fonds "Netzwerke" über Wasser. Für zwei Monate reichen die Finanzen, dann ist die Aktion vorbei. Und dann?

    " Und dann - geht der ganze Prozess wahrscheinlich wieder von vorne los"

    Der Arbeitsmarktguerillero muss dann wieder Bewerbungen schreiben und Absagen einstecken. Bis doch noch jemand sagt: Sie sind unser Mann.