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"Dann müssen wir sagen, mit welchem Personal wir das machen"

Die Polizistin Kirsten Lühmann befürwortet eine erhöhte Sicherheitskontrolle von Flughafenfracht. Die SPD-Bundestagsabgeordnete hält aber für wichtig zu klären, ob private Anbieter oder die Bundespolizei die Aufgaben übernehmen sollten.

Kisten Lühmann im Gespräch mit Gerwald Herter |
    Gerwald Herter: Mein Kollege Jasper Barenberg hat die SPD-Bundestagsabgeordnete und Polizistin Kirsten Lühmann befragt.

    Kirsten Lühmann: Wir haben es mit einem Problem zu tun, aber dieses Problem hat sich die Bundesregierung schon angenommen. Wir haben ja 2009 ein Flughafenkonzept gelesen von der Bundesregierung und in diesem Konzept schon sind einige Schwachpunkte aufgedeckt worden, und nach diesen Vorfällen, denke ich, sollte man die noch mal näher beleuchten.

    Jasper Barenberg: Welche Schwachpunkte sehen Sie insbesondere?

    Lühmann: Wir haben einmal den Markt für die Kontrolle von Luftfracht auch an Private abgegeben, weil die Flughäfen auch deutlich gemacht haben, dass sie das Volumen, das wir haben – nur mal so eine Zahl: Wir hatten im letzten Jahr 3,6 Millionen Tonnen Fracht, die in die Bundesrepublik oder durch die Bundesrepublik durchgeschleust wurden -, dass das an den Flughäfen nicht zu leisten ist, jedenfalls nicht ohne erhebliche Zeitverzögerung, und die ist wirtschaftlich schwierig darzustellen. Deswegen haben wir damals gesagt, das müssen auch Private machen können. Die sind natürlich zertifiziert, die müssen sich registrieren lassen und gelten dann als sichere Versender.

    Da stellt sich jetzt natürlich die Frage: Wie sicher sind diese Kontrollen und diese Versender, und wie stark wird dort kontrolliert. Die Frage, die sich die Bundesregierung auch 2009 schon gestellt hat, war: Welches Personal wird da eingesetzt, wie gut ist dieses Personal geschult und vor allen Dingen wie gut wird es auch bezahlt für diese Aufgabe, die doch sehr sicherheitsrelevant ist.

    Barenberg: Das heißt, diesem Zertifikat, das es gibt, trauen Sie nicht recht über den Weg?

    Lühmann: Es wurde 2005 ja erst ins Leben gerufen und es ist wie bei vielen Dingen, die man neu schafft: Man muss erst mal schauen, wie so etwas funktioniert, bevor man es bewerten kann. Ich denke, dieser Anlass ist das letzte Indiz, das uns noch fehlte, dass wir vielleicht diese Regelungen noch mal genauer unter die Lupe nehmen sollten. Ich stimme da aber Ralf Beisel vom ADV zu, der gesagt hat, wir müssen diese Vorfälle zunächst aufklären.

    Barenberg: Nun ist es ja so, dass Fracht gerade beim Umladen in Deutschland, also Fracht, die für einen anderen Zielort bestimmt ist, in der Regel gar nicht weiter kontrolliert wird. Sollte auch da eine Überprüfung stattfinden, ob das so bleiben kann?

    Lühmann: Ich denke, das ist der große Knackpunkt, denn wir haben ja für Fracht, die von Deutschland losgeht, eigentlich relativ gute Regeln, die wir nach den von mir eben genannten Kriterien vielleicht noch mal evaluieren sollten. Aber die Fracht, die wir als Transitland transportieren, die steht jetzt natürlich besonders im Fokus, wobei wir Deutschland nicht isoliert sehen dürfen. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen europäischen Flughäfen, und wenn wir uns über Sicherheit unterhalten, gerade in den Zeiten der Terrorwarnungen, macht es, glaube ich, wenig Sinn, wenn wir eine isolierte deutsche Lösung anstreben, sondern wenn, dann müssten wir eine europaweite Lösung anstreben mit Standards, die dann für alle europäischen Frachtflughäfen gelten.

    Barenberg: Nun gibt es ja aber offensichtlich seit April ein neues, ein europaweites Regelwerk. Das soll eine sichere Lieferkette für Pakete organisieren und garantieren. Aber diese Garantie funktioniert offenbar nicht, eine lückenlose Kontrolle?

    Lühmann: Genau! Insofern halte ich es für wichtig, dass wir schauen, warum es nicht funktioniert und auf welchen Flughäfen es nicht funktioniert, denn es waren ja mehrere Verlade- oder Versendeorte, die dieses Paket auf seinem Weg zurückgelegt hat, und ohne den Hinweis von Geheimdiensten wäre es ja in keinem dieser Flughäfen entdeckt worden.

    Ich möchte Sie aber noch darauf hinweisen, dass wir uns jetzt nur über Flughäfen unterhalten. Solche Pakete können aber sehr wohl auch über Schiene, Straße und vor allen Dingen auf dem Wasserwege an den Absender gelangen, und wenn wir uns über Sicherheit unterhalten, denke ich, müssen wir diese Bereiche auch mal unter die Lupe nehmen. Gerade wenn man sich die Länder, die terrorverdächtig sind wie der Jemen, anguckt, haben wir natürlich auch sehr viele Frachttransporte über den Wasserweg nach Deutschland oder durch Deutschland.

    Barenberg: Nun sagt aber das Bundesverkehrsministerium, eine lückenlose Kontrolle der Fracht sei praktisch unmöglich, und das Verkehrsministerium sagt das für die Flugfracht, aber umso mehr muss das ja auch gelten, wenn wir die Schiene, die Straße und den Seetransport mit einbeziehen.

    Lühmann: Das ist die große Schwierigkeit, die wir jetzt haben. Wir müssen zwischen der Sicherheit – und als ehemalige Polizeibeamtin kann ich Ihnen versichern, eine absolute Sicherheit wird es nicht geben -, das heißt, wir müssen wieder eine Balance finden zwischen der größtmöglichen Sicherheit, die wir herstellen können, und den Bedingungen, die wir auch als Transitland für einen geordneten Warentransport sicherstellen müssen.

    Barenberg: Nun wurde ja die Kontrolle bei Personen in den letzten Jahren massiv verschärft. Jetzt mutmaßen einige, das sei zulasten der Sicherheit gegangen, wenn es um Fracht und wenn es um Pakete geht. Ist da was dran?

    Lühmann: Es ist natürlich auffällig, dass die Kontrolle von Personen deutlich auch im öffentlichen Fokus gestanden hat, wobei man ja auch feststellt, bei einigen Regeln, zum Beispiel bei der Kontrolle von Flüssigkeiten, dass es jetzt schon Experten gibt, die sagen, dass das vielleicht etwas verfrüht war und dass die Art und Weise, wie diese Kontrolle stattfindet, nicht unbedingt der Sicherheit dient, sondern eher der Beruhigung der Passagiere. Insofern muss ich Ihnen recht geben, dem Frachtbereich wurde sehr wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Wenn wir das jetzt verstärken - und zum Beispiel der Vorsitzende des Innenausschusses, Herr Bosbach, hat das ja auch gefordert -, dann müssen wir aber auch deutlich sagen, mit welchem Personal wir das machen. Er hat gesagt, das soll die Bundespolizei machen. Da sage ich natürlich, das ist eine nette Idee, aber dann müssen wir auch deutlich sagen, mit welchem Personal, denn dann müsste das Personal der Bundespolizei erheblich aufgestockt werden, weil dieser Bereich der inneren Sicherheit zurzeit schon erhebliche Personallücken hat.

    Barenberg: Und doch ist der Ansatz aus Ihrer Sicht richtig, da auch Zuständigkeiten auf Bundesebene zu vereinheitlichen? Im Moment ist es ja so, dass für Personenkontrollen – wir haben es erwähnt – das Innenministerium, also die Bundespolizei, zuständig ist, für Fracht dagegen das Bundesverkehrsministerium beziehungsweise das Bundesluftfahrtamt beziehungsweise die privaten Wirtschaftsunternehmen, die dann zertifiziert sind.

    Lühmann: Ich denke, dass bei der Untersuchung, die wir jetzt haben werden, gerade diesen Schnittstellenproblematiken ein besonderes Augenmerk gelten wird. Die Regierung hat ja einen Arbeitsstab aus denen von Ihnen eben genannten Ministerien auch zusammengestellt, natürlich federführend in dem Fall das Auswärtige Amt noch dazu. Aber das sind die Punkte, die Sie angesprochen haben, die gelöst werden müssen. Wie sie gelöst werden, das sollten erst mal die Untersuchungen klären, aber dass sie gelöst werden müssen, steht, glaube ich, außer Frage.

    Herter: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann in unserer Sendung "Das war der Tag". Mein Kollege Jasper Barenberg hat sie befragt.