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"Dann riechen wir sie noch mal in Ruhe ab"

Produkte, die über längere Zeit haltbar sind, kommen nicht ohne Aromastoffe aus. Die kaufen Lebensmittelhersteller bei Aromaproduzenten. Was für Sie nach Erdbeere schmeckt - ist es oft nicht.

Von Susanne Kuhlmann | 20.08.2009
    "Wir unterscheiden grundsätzlich die Pulverproduktion und die Flüssigproduktion. Die sind auch voneinander getrennt. Hier in dieser Abteilung findet gerade das Vorwiegen von trockenen Komponenten statt. Trockenes Vanillearoma, Huhnaroma, Zimtzucker, Gewürzmischungen für Paella, für Eiscreme, für alles Mögliche."
    Herzhaft und würzig riecht es in diesem Bereich der Produktion von Stockmeier Food im ostwestfälischen Herford. Uwe Tilk, geschäftsführender Gesellschafter, zeigt die unterschiedlich großen Mischer, in denen die einzelnen Komponenten vermengt werden.

    "Am anderen Ende der Produktion ist die Flüssigproduktion. Die Komponenten werden in Wiegestationen, die unter Abluft betrieben werden, abgewogen. Anschließend gehen die in einen Kessel, werden gerührt, werden mit Lösungsmitteln versetzt - das kann Ethanol sein, Propylenglykol, Speiseöl - was auch immer das Lösungsmittel für das flüssige Aroma ist. Dann wird über Filter und Siebe in Kunststoffkanister abgefüllt – von 2,5 Kilo bis hin zu 1000er Containern."

    Süßlich und fruchtig riecht es hier. Uwe Tilk spricht von "Geruchsbelastung" und sagt, dass die vor allem im Lager ein Problem sei. Neutrale Produkte verändern sich, wenn sie ein paar Tage neben stark riechenden Aromen liegen. In einem Lagerbereich herrscht deshalb Unterdruck, im benachbarten Überdruck, damit die Atmosphäre neutral bleibt.

    Bevor Aromen wie Granatapfel, Sahne oder Brühe in den Produktionshallen gemischt und in Container oder Säcke abgepackt werden, muss man sie entwickeln. Das passiert im Labor und ist die Aufgabe von Flavouristen und Anwendungstechnologen. Sie arbeiten mit kleinen Bechergläsern und Löffeln, mit hochempfindlichen Wiege- und Analysegeräten – und vor allem mit ihrer Nase und ihrer Zunge.
    Zurzeit lautet ein Auftrag, das Erdbeeraroma eines Wettbewerbers nachzuarbeiten. Dazu brauchen die Flavouristen unter anderem Vanillin und Lacton, Furaniol und Isobuttersäure. Das sind Substanzen, die zum einen chemisch oder biologisch aus Erdbeeren und anderen Früchten destilliert und zum anderen als naturidentische Aromen im Labor hergestellt werden.
    Ulrich Kolof leitet den Bereich Entwicklung und Anwendungstechnik.

    "In den ersten Nacharbeitungsschritten haben wir ein Gaschromatogramm gemacht, ein Massenspektogramm gemacht und haben diese Stoffe, die sich daraus ergeben zusammengemischt."

    Damit ist das Team schon weit gekommen, findet die Flavouristin Rebecca de Rosa. Sie vergleicht gerade zwei klare Flüssigkeiten in Bechergläsern.

    "Hier ist das Original, und dazu haben wir unseren letzten Versuch. Dann schnuppert man erst mal oben den Kopfraum ab, wie auch bei dem, was wir entwickelt haben. Das ist der erste Eindruck.
    Danach nimmt man sich seinen Löffel und probiert erst mal das Original, was ich gerade mache, lässt es schön auf der Zunge zergehen. Man braucht richtig Ruhe dafür. Man muss sich echt konzentrieren ...
    Um es noch mal zu überprüfen, tauchen wir einen Riechstreifen in die beiden Aromen rein. Dann riechen wir sie noch mal in Ruhe ab, um noch mal wirklich festzustellen, ob das ganz genau passt."

    Bis es soweit ist, sind oft viele Versuche nötig, sagt die Anwendungstechnologin Ina Sommer. Sie probiert Fruchtbonbons, die auf Wunsch des Süßwarenherstellers ebenfalls nach Erdbeere schmecken sollen.

    "Erdbeere kann ja ganz unterschiedlich sein. Man kann eine Walderdbeere haben oder die, die man in der Marmelade kennt, ein bisschen süßlich, ein bisschen grün kann sie schmecken. Dann kommt eine Rückmeldung, und dann wird geguckt. Liegt es an der Anwendung? Liegt es am Kochprozess? Oder liegt es am Aroma? Dann sind wieder die Flavouristen gefragt, die noch mal ins Aroma einsteigen und da noch mal dran arbeiten."

    Wenn sich schließlich alle einig sind, wird das Aroma produziert, verpackt und ins Lager gebracht. Dort stehen Säcke und Container für Speditionen zum Transport an die Auftraggeber bereit. Uwe Tilk:

    "Das sind Produkte, die gehen nach Moskau. Blackberry, also Brombeeraroma, Orangenaroma flüssig. Die gehen an Molkereien, die gehen in Betriebe für die Herstellung von Süßwaren, in Getränkebetriebe. Lemongras – bis hin zum Blauschimmelkäsearoma – alles dabei. Spekulatiusgewürz – ich vermute mal, so langsam geht die Weihnachtsbäckerei wieder los."