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Dannebrog und Sprachgemisch

Die skandinavischen Schulen gelten als Erfolgsmodell. Doch auch in Deutschland gibt es sie. 49 Schulen mit rund 5700 Schülern sind es für dänische Minderheit in Südschleswig. Obwohl es sich Privatschulen handelt, muss kein Schulgeld entrichtet werden. Staatliche Zuschüsse aus Kiel und Kopenhagen garantieren ein finanzielles Polster.

Von Marc-Christoph Wagner |
    Vom Haus der Havns sind es nur wenige Schritte bis zur Bushaltestelle. Alle drei Kinder gehen in Flensburg in die Schule - die 16jährige Ida und ihr Bruder Martin auf die Duborg-Schule, das dänische Gymnasium. Eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit dem Bus - Zeit, um letzte Hausaufgaben zu erledigen.

    "Abgesehen von der Sprache gibt es eigentlich keine großen Unterschiede zwischen jungen Dänen und Deutschen. Bei älteren Generationen ist das anders - unsere Eltern und Großeltern betonen und pflegen oft noch die Unterschiede. Besonders in vielen dänischen Vereinen hier in Südschleswig bestehen die Älteren darauf, dass man Dänisch spricht, die dänische Fahne hisst und dänische Lieder singt. Viele von denen sind dänischer als die Dänen. Das ist irgendwie merkwürdig."

    Martin selbst fühlt sich in erster Linie als Südschleswiger. Nach dem Abitur will er in Dänemark studieren, denn als dänischer Staatsbürger wird er dort finanziell unterstützt. Danach aber kann er sich eine Rückkehr in seine Grenzregion durchaus vorstellen.

    " Die Menschen hier in der Region sind sich der Unterschiede und Feinheiten bewusst, sie können zwischen Deutschen, Dänen und Mitgliedern der Minderheit differenzieren. Aber in Dänemark und südlich der Grenzregion werden diese unterschiedlichen Nuancen kaum wahrgenommen - die Deutschen betrachten einen als Dänen, die Dänen einen als Deutschen. In Dänemark ist diese Haltung besonders ausgeprägt: Unter jungen Dänen gibt es viele Vorurteile gegen Deutsche und wir Angehörigen der Minderheit werden da gleich mit in einen Sack gesteckt. Wir sind oft als Deutsche beschimpft worden, das war nicht gerade besonders angenehm."

    In Flensburg angekommen, trennen sich die Wege der drei Geschwister. Der kleine Jakob geht noch in die Grundschule, Ida hat es eilig und verschwindet sogleich im roten Backsteingebäude des Gymnasiums. Martin und seine Freunde bleiben an der Haltestelle stehen.

    "God morgen. Martin und Freund: God morgen, god morgen. Mädchen: Hast Du vielleicht ein Feuerzeug, oder Du? Beide: Wieso, Du rauchst doch gar nicht? Mädchen: Dankeschön. Beide: Bitteschön. mcw: Das ist ja ein deutsch-dänisches Kuddelmuddel hier.
    Ja, ja. Das ist auch sehr kennzeichnend für unsere Sprache, dass wir… - wir mischen halt oft, also, wir mischen Satzbröckelchen und Wörter, usw. und es entsteht so ein Mischmasch, der eigentlich fast unverständlich ist für Außenstehende, aber für uns ist das sehr nützlich eigentlich. mcw: Og I taler tysk med hinanden, ihr sprecht deutsch miteinander?
    Ja, also schon seit immer. Wir kennen uns jetzt seit cirka zehn Jahren oder so und das war schon immer… Freund: Wir haben’s probiert, also ich habe probiert mit ihm Dänisch zu sprechen als ich ihn kennen lernte, aber das wollte er nun nicht. Da habe ich irgendwann nachgegeben, weil er immer auf Deutsch geantwortet hat."

    Auf den Gängen des Gymnasiums herrscht ein buntes Durcheinander - aus allen Richtungen sind deutsche und dänische Halbsätze zu vernehmen. Unterrichtssprache auf der Duborg-Schule ist Dänisch, doch viele der rund 1000 Schüler sind deutsch.

    " Natürlich haben wir Cliquen, je nach Hobby oder Sportverein. Der Sprachunterschied spielt dabei keine Rolle. Wir gehen alle in die gleiche Schule, das verbindet uns."

    Dennoch: Einen gewissen Dänenstolz gibt es an der Duborg-Schule schon.

    " Das ist der höchste Fahnenmast der Stadt. Die Fahne wird nicht oft gehisst - nur zum Geburtstag der Königin oder zum Abitur. Dann aber weht der Dannebrog, die dänische Fahne, höher als alle anderen in der ganzen Stadt. Nur mit der deutschen Schule dort auf der anderen Seite der Förde stehen wir in Konkurrenz, denn deren Mast ist fast so hoch wie unserer. Wenn die sehen, dass wir unsere Fahne hochziehen, dann machen sie sofort genau das gleiche."

    Und genau das wird auch gebraucht. Für die dänische Minderheit sind die eigenen Schulen quasi eine lebenserhaltende Maßnahme, denn vor allem dort werden die dänischen Wurzeln, die Sprache und die Kultur, gelehrt und gefördert. Ein Besuch bei Familie Haun in Glücksburg, frühmorgens, kurz bevor der Schulbus kommt...