Mustergültig trifft es wohl: Mit "The Breeze and I" hatte Caterina Valente jedenfalls 1954 ihren internationalen Durchbruch. 14 Wochen hielt sich der Titel in den US-amerikanischen Charts. Dass die Melodie aber aus einer klassischen Klavier-Suite stammt, das ist weit weniger bekannt. Ernesto Lecuoña heißt der Komponist. Seine Musik, sowie Kompositionen von Alberto Ginastera und Luis Moreau Gottschalk wurden von der Pianistin Claudia Schellenberger jetzt eingespielt. "Danzas Argentinas" heißt das Album etwas irreführend, denn der musikalische Radius geht doch weit über die südamerikanische Pampa hinaus und streift auch lateinamerikanische und spanische Kulturkreise. Zu hören ist darauf auch "Andaluciá", ebenjene Vorlage für Caterina Valente. Und die klingt im Original so:
Der Mann war fleißig. 176 Klavierstücke stammen aus Ernesto Lecuoañs Feder. Das Klavier ist auch das Instrument, von dem er kommt. Bereits mit 17 Jahren schließt er sein Studium am Konservatorium von Havanna mit einer Goldmedaille ab - das ist im Jahre 1912. Vier Jahre später bricht er nach New York auf und macht mit Konzerten auf sich aufmerksam. Auch in Paris ist Lecuoña erfolgreich. Für kurze Zeit ist dort Maurice Ravel sein Lehrer. Doch New York ist und bleibt die Station, die Lecuoña nach vorn bringt. Dort schätzt man besonders, was er so meisterlich beherrscht: nämlich mühelos zu wechseln zwischen den Genres. Und hier profitiert er auch von seinem Talent, eingängige, sangbare Melodien zu erfinden und den Spagat zu leisten zwischen anspruchsvoller klassischer und unterhaltender Musik. Nicht umsonst wird Ernesto Lecuoña als der "kubanische Gershwin" bezeichnet. Er schreibt über 400 Lieder, einige Zarzuelas und Kantaten, Filmmusiken und sogar eine Oper.
Außerdem gründet er das Lecuoña Symphony Orchestra und die Lecuoña Cuban Boys, die als eine der ersten kubanischen Vokalformationen in den USA Furore machen.
Die Idee, eine spanische Suite mit Melodien aus den verschiedenen iberischen Regionen zu schreiben, ist so neu nicht. Schon 1896 hatte Albéniz eine Suite Espagnola komponiert. Jedem Satz ist hier jeweils eine Stadt oder eine Region zugeordnet. Doch geografische Überschneidungen zwischen Albéniz und Lecuoña finden sich nicht - möglicherweise hat Lecuoña sie in seiner Suite Espagnole sogar bewusst vermieden: Bei ihm heißen die Sätze Córdoba, Andaluciá, Alhambra, Gitanerias, Guadalquivir und Malaguena. Auch die Malaguena, übrigens schon 1927 von ihm komponiert, ist - wie Andaluciá - im spanischen Sprachraum ein Riesenhit geworden.
Auch wenn sie gebürtig aus Hessen stammt, scheint Claudia Schellenberger das iberische Temperament gegeben zu sein. Beherzt greift sie bei Lecuoñas Suite in die Tasten und kostet die langen Phrasen lustvoll aus. Auch an Sentiment lässt sie es nicht fehlen. Die Grenze zur plakativen Folklore jedoch, die hat Schellenberger immer im Blick und überschreitet sie nie. Fast ein bisschen ehrfürchtig klingt das. Was durch den Klang dieser Aufnahme noch unterstützt wird. Claudia Schellenberger und ihr Tonmeister Christoph Claßen haben in der Frankfurter Festburgkirche aufgenommen. Und durch den langen Nachhall dort bekommt auch die Aufnahme etwas fast Sakrales. Erstaunlicherweise ertrinkt die Musik aber nicht im Hall. Trotz des räumlichen Klangs zeigen sich klare Konturen in Claudia Schellenbergers Spiel. Schwieriger wird das schon bei der Musik von Alberto Ginastera. Denn seine Danzas Argentinas erhalten ihr Gepräge vor allem durch ihre vibrierende Rhythmik und ihre dicht gewobene Struktur. Wohl deshalb hat das Aufnahmeteam das klangliche Spektrum der Kirche, in der die CD entstand, technisch etwas eingegrenzt und die Danzas Argentinas direkter, mit weniger Hall aufgenommen als bei Lecuoña.
Der 1916 geborene Argentinier Alberto Ginastera gehört zu den wichtigsten Komponisten der südamerikanischen Musik. Verglichen mit Lecuoña ist sein Stil wesentlich artifizieller. Zeitlebens setzte er sich mit neuen Strömungen in der Musik auseinander. Gleichzeitig wurzelte er aber tief in der Musik seiner Heimat. Sein großes Vorbild war Béla Bartók. Und ähnlich wie der Ungar strebte auch er nach einem nationalen Stil. Was ihm mit seinen Danzas Argentinas durchaus gelungen ist zu entwickeln.
Der deutlich trockenere Klang der Aufnahme bei Ginastera kommt sowohl den virilen Tänzen als auch der kompakten und dichten Struktur seiner 1. Sonate aus dem Jahre 1952 zugute. Dennoch wirkt die Sonate bei Claudia Schellenberger etwas schwerfällig und behäbig. Besonders im direkten Vergleich mit einer anderen, extrem energetischen Einspielung, die erst letztes Jahr auf den Markt kam.
Ein bisschen mehr Draufgängertum hätte sich Claudia Schellenberger bei dieser 1. Sonate von Alberto Ginastera ruhig leisten können. Ihre Interpretation wirkt vergleichsweise brav, zwar solide studiert, aber kaum ruppig und frei.
Doch auch mit dieser kleinen Einschränkung ist ihre neue CD "Danzas Argentinas" ein gelungenes Album geworden. Außer der Suite von Ernesto Lecuoña und den Werken von Alberto Ginastera sind auch noch 3 Kompositionen von Louis Moreau Gottschalk darauf zu finden. Bei AVI music ist die CD erschienen. Das war eine Empfehlung von Falk Häfner.
Besprochene CD:
Danzas Argentinas
Lecuoña/ Gottschalk/ Ginastera
Claudia Schellenberger, Klavier
Label: AVI-music
Bestell-Nr.: 8553199
LC: 15080
Der Mann war fleißig. 176 Klavierstücke stammen aus Ernesto Lecuoañs Feder. Das Klavier ist auch das Instrument, von dem er kommt. Bereits mit 17 Jahren schließt er sein Studium am Konservatorium von Havanna mit einer Goldmedaille ab - das ist im Jahre 1912. Vier Jahre später bricht er nach New York auf und macht mit Konzerten auf sich aufmerksam. Auch in Paris ist Lecuoña erfolgreich. Für kurze Zeit ist dort Maurice Ravel sein Lehrer. Doch New York ist und bleibt die Station, die Lecuoña nach vorn bringt. Dort schätzt man besonders, was er so meisterlich beherrscht: nämlich mühelos zu wechseln zwischen den Genres. Und hier profitiert er auch von seinem Talent, eingängige, sangbare Melodien zu erfinden und den Spagat zu leisten zwischen anspruchsvoller klassischer und unterhaltender Musik. Nicht umsonst wird Ernesto Lecuoña als der "kubanische Gershwin" bezeichnet. Er schreibt über 400 Lieder, einige Zarzuelas und Kantaten, Filmmusiken und sogar eine Oper.
Außerdem gründet er das Lecuoña Symphony Orchestra und die Lecuoña Cuban Boys, die als eine der ersten kubanischen Vokalformationen in den USA Furore machen.
Die Idee, eine spanische Suite mit Melodien aus den verschiedenen iberischen Regionen zu schreiben, ist so neu nicht. Schon 1896 hatte Albéniz eine Suite Espagnola komponiert. Jedem Satz ist hier jeweils eine Stadt oder eine Region zugeordnet. Doch geografische Überschneidungen zwischen Albéniz und Lecuoña finden sich nicht - möglicherweise hat Lecuoña sie in seiner Suite Espagnole sogar bewusst vermieden: Bei ihm heißen die Sätze Córdoba, Andaluciá, Alhambra, Gitanerias, Guadalquivir und Malaguena. Auch die Malaguena, übrigens schon 1927 von ihm komponiert, ist - wie Andaluciá - im spanischen Sprachraum ein Riesenhit geworden.
Auch wenn sie gebürtig aus Hessen stammt, scheint Claudia Schellenberger das iberische Temperament gegeben zu sein. Beherzt greift sie bei Lecuoñas Suite in die Tasten und kostet die langen Phrasen lustvoll aus. Auch an Sentiment lässt sie es nicht fehlen. Die Grenze zur plakativen Folklore jedoch, die hat Schellenberger immer im Blick und überschreitet sie nie. Fast ein bisschen ehrfürchtig klingt das. Was durch den Klang dieser Aufnahme noch unterstützt wird. Claudia Schellenberger und ihr Tonmeister Christoph Claßen haben in der Frankfurter Festburgkirche aufgenommen. Und durch den langen Nachhall dort bekommt auch die Aufnahme etwas fast Sakrales. Erstaunlicherweise ertrinkt die Musik aber nicht im Hall. Trotz des räumlichen Klangs zeigen sich klare Konturen in Claudia Schellenbergers Spiel. Schwieriger wird das schon bei der Musik von Alberto Ginastera. Denn seine Danzas Argentinas erhalten ihr Gepräge vor allem durch ihre vibrierende Rhythmik und ihre dicht gewobene Struktur. Wohl deshalb hat das Aufnahmeteam das klangliche Spektrum der Kirche, in der die CD entstand, technisch etwas eingegrenzt und die Danzas Argentinas direkter, mit weniger Hall aufgenommen als bei Lecuoña.
Der 1916 geborene Argentinier Alberto Ginastera gehört zu den wichtigsten Komponisten der südamerikanischen Musik. Verglichen mit Lecuoña ist sein Stil wesentlich artifizieller. Zeitlebens setzte er sich mit neuen Strömungen in der Musik auseinander. Gleichzeitig wurzelte er aber tief in der Musik seiner Heimat. Sein großes Vorbild war Béla Bartók. Und ähnlich wie der Ungar strebte auch er nach einem nationalen Stil. Was ihm mit seinen Danzas Argentinas durchaus gelungen ist zu entwickeln.
Der deutlich trockenere Klang der Aufnahme bei Ginastera kommt sowohl den virilen Tänzen als auch der kompakten und dichten Struktur seiner 1. Sonate aus dem Jahre 1952 zugute. Dennoch wirkt die Sonate bei Claudia Schellenberger etwas schwerfällig und behäbig. Besonders im direkten Vergleich mit einer anderen, extrem energetischen Einspielung, die erst letztes Jahr auf den Markt kam.
Ein bisschen mehr Draufgängertum hätte sich Claudia Schellenberger bei dieser 1. Sonate von Alberto Ginastera ruhig leisten können. Ihre Interpretation wirkt vergleichsweise brav, zwar solide studiert, aber kaum ruppig und frei.
Doch auch mit dieser kleinen Einschränkung ist ihre neue CD "Danzas Argentinas" ein gelungenes Album geworden. Außer der Suite von Ernesto Lecuoña und den Werken von Alberto Ginastera sind auch noch 3 Kompositionen von Louis Moreau Gottschalk darauf zu finden. Bei AVI music ist die CD erschienen. Das war eine Empfehlung von Falk Häfner.
Besprochene CD:
Danzas Argentinas
Lecuoña/ Gottschalk/ Ginastera
Claudia Schellenberger, Klavier
Label: AVI-music
Bestell-Nr.: 8553199
LC: 15080