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Darf's ein bisschen mehr sein?

Den Studierenden an der Uni Witten-Herdecke ist ihr Studium mehr Geld wert. Vor zwei Tagen haben sie beschlossen, freiwillig höhere Studienbeiträge zu zahlen: Mehr als die Hälfte der 1100 Studierenden zahlt die Kosten - im Schnitt 250 Euro pro Monat - nach dem Studium zurück, wenn sie Geld verdienen.

Von Kai Toss |
    Lukas Wallacher gehört zum Vorstand der Studierendengesellschaft Witten Herdecke. Der eingetragene Verein erhebt die Gelder der Studierenden und führt sie an die Universität ab. Die Gesellschaft legt auch fest, was ein Studium kostet. Angesichts der Diskussionen um die Einführung von Studiengebühren an öffentlichen Hochschulen wirkt die Entscheidung zumindest verblüffend, nicht aber für den 24jährigen Medizin und Wirtschaftsstudenten Wallacher.
    " Verwundert würde ich nicht sagen, weil im Grunde damit zu rechnen war - es wird ja schon lange über die Thematik diskutiert. Für mich auch noch mal ein Stück weniger verwunderlich, weil ich mich ja auch mal persönlich entschieden habe, für mein Studium zu zahlen, wobei ich den großen Unterschied für mich in Witten mache - und wir für uns in Witten machen - nicht von Studiengebühren zu reden, sondern ganz bewusst von Beiträgen."
    Die Studierendengesellschaft legt Wert darauf, dass mit den Geldern keine konkrete Erwartungshaltung verbunden ist, wie sie zwischen einem Anbieter und einem Kunden besteht. Es sei deshalb auch keineswegs so, dass die Hochschule ihre Dienstleistung eins zu eins in Rechnung stellt oder dass die Studierenden auf der anderen Seite als Kunden eine Leistung erwarten. Deshalb die Betonung des Begriffes "Beitrag" statt "Gebühr".

    " Es geht um das Gesamtvorhaben, um die Idee Universität Witten-Herdecke, die wir mit unserem Beitrag auch langfristig und nachhaltig unterstützen möchten."
    Dies geschieht mit dem so genannten Generationenvertrag, wie er schon viele Jahre praktiziert wird. Bisher kostete jedes Studium 15.000 Euro. Die Gebühren konnten dafür entweder monatlich, also während des Studiums gezahlt werden oder nach dem Einstieg in das Berufsleben, acht Jahre lang acht Prozent des Einkommens. Kommende Studierende müssen als Spätzahler zehn Jahre zehn Prozent zahlen. Sofortzahler spüren die drastische Erhöhung unmittelbar. Der Studiengang Zahnmedizin wird 26.000 Euro kosten. Das entspricht einer Erhöhung um sage und schreibe 71 Prozent. Peter Kallien, der kaufmännische Geschäftsführer der Uni Witten-Herdecke glaubt nicht, dass zukünftige Studentengenerationen durch die Erhöhung der Beiträge überfordert werden.
    " Insbesondere weil das Modell, auf das sie jetzt abzielen, im Prinzip den Sofortzahlermodus abbildet. Es ist eine Verdopplung des Sofortzahlerbeitrages. Das Modell richtig gelebt wird in Form der Späterzahlung, die rein leistungsorientiert ist, wo wir natürlich auch zu einer Anpassung der Prozentzahlen gekommen sind."

    Wer aktuell in Witten studiert, ist von den Erhöhungen nicht betroffen. Die Studierendengesellschaft hofft jedoch, dass die Kommilitonen freiwillig mehr zahlen. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist aber zweifelhaft. Zahnmedizinstudent Rudi Semmler meint:

    " Ich würde das freiwillig wahrscheinlich nicht tun. Gut dabei ist, dass man die Möglichkeit hat, über diese Finanzierungsmöglichkeiten, das Geld nachzuzahlen."
    Sein Mitstudent Christoph Meißner sieht es ähnlich:

    " Freiwillig mehr zahlen - das Problem bei den Zahnmedizinern ist die finanzielle Belastung durch die Materialien, die wir kaufen müssen, die in manchen Semestern enorm ist. Ich denke, dass es schwierig ist zu sagen, man zahlt freiwillig mehr, weil man schon eine hohe Belastung hat."

    Wenn zukünftig alle Studierenden der Uni zu den neuen Konditionen ihr Wissen erwerben müssen, soll der studentische Anteil am Gesamtbudget der Uni von acht auf elf Prozent steigen. In absoluten Zahlen heißt das: Der Anteil wird von 2,5 auf rund 4 Millionen Euro pro Jahr ansteigen. Und das, obwohl die Studienbedingungen schon jetzt gut seien. Auf einen Lehrenden kommen beispielsweise in der Medizin zwei Studierende, die Bibliothek ist rund um die Uhr geöffnet. Außerdem betont Lukas Wallacher vom Vorstand der Studierendengesellschaft, dass die Mitbestimmung der Studierenden an der Uni viel weiter reiche als an anderen Hochschulen.
    " Wir werden sozusagen nicht erst mündig dadurch, dass wir Geld zahlen. Das sind wir sowieso. Das Geld ist der Beitrag auch zum ökonomischen Gelingen dieses Projektes und ist nicht gekoppelt an diese Leistung."
    Trotz der drastischen Beitragserhöhung: Geschäftsführer Peter Kallien ist sich sicher, dadurch zukünftige potentielle Studierende nicht zu verschrecken.
    " Wir sind uns bewusst: Wir stehen im Wettbewerb der Universitäten. Es gibt gute staatliche Universitäten. Es gibt gute private Hochschulen. Aber wir glauben, dass wir mit diesen Beiträgen am Markt bestehen können."