Programmatisch hängt eine große Farbfotografie von Andres Serrano - aus dem Leichenschauhaus - am Anfang der Ausstellung: Das Bild aus dem Jahr 1992 zeigt den Fuß eines Toten mit einer großen, geritzten Wunde. "Rat Poison Suicide" heißt es, "Selbstmord durch Rattengift". In seiner Konzentration auf den Körperteil eines Toten macht es deutlich: Die Darstellung körperlichen Leids gehört seit der Passion Christi zu den großen Themen der Kunstgeschichte. Und zweitens weist es unübersehbar auf formale Aspekte hin, die die Qualität des Bildes erst ausmachen: Lichtführung, Ausschnitt, Format, bleiche Farbe, der gänzlich dunkle Hintergrund, der am Bildrand angedeutete Leichensack zeigen in neutraler Kühle: Das bist du, Mensch, das wird von dir übrig bleiben.
Von Krankheit und Tod, vom Sterben und gar vom Verwesen kann - mit Anstand, mit Würde - nur handeln, wer sein Handwerk versteht. Die Ausstellung versammelt Werke von über 100 Künstlern, quer durch die Fotogeschichte - und das gezeigte menschliche Leid ist schwer zu ertragen. Aber der Kurator Urs Stahel hat versucht, Altern und Sterben als einen Prozess zu zeigen; so ist die Ausstellung jedenfalls angelegt:
"Ich hab mich entschieden, eine Linie zu ziehen vom integren, unversehrten Körper, der aufs Spiel gesetzt wird, der eingesetzt wird, da gibt es auch Bilder von Sexualität, den Körper riskieren, aber es ist immer noch ein Spiel, voller Lebendigkeit - und dann durch die Ausstellung zu gehen und schrittweise Versehrungen zu zeigen, Selbstversehrungen, Selbsteingriffe. Es folgt dann ein Kapitel über Identität, man passt sich an, man nimmt ab, man folgt bestimmten Mustern, man schneidet in sich ein, weil man im Widerstand zu seinem eigenen Körper lebt."
Bilder von Selbstverstümmelungen nehmen einen großen Raum ein. Manche müssen Hand an sich legen, um sich selbst zu spüren. Valérie Belins wahrscheinlich am Computer hergestellte Aufnahme des an der Nase operierten Michael Jackson mag zwar ein Kunstprodukt sein, aber sie zeigt paradigmatisch das Groteske all jener Körpermanipulationen, vom Tattoo bis zum Nasenring, an die wir uns modehalber schon fast gewöhnt haben.
Es gibt die inszenierte Fotografie renommierter Gegenwarts-Künstler wie Noboyushi Araki, Nan Goldin oder Rineke Dijkstra. Man sieht aber auch eine ganze Reihe von Pressebildern, die mittlerweile Ikonen des Dokumentarismus sind. Oft sind es Sportbilder von unglaublicher Brutalität, etwa das Keystone-Agentur-Foto eines Boxkampfs von Joe Louis 1951. Oder Kriegsfotos - der Vietnamkrieg schrieb hier ein düsteres Kapitel -, Bilder von Unfällen und Morden und aus dem sexuellen Underground.
"Erzählungen können etwas verständlich machen. Fotos tun etwas anderes: Sie suchen uns heim und lassen uns nicht mehr los", meinte die Essayistin Susan Sontag. Genau das passiert in dieser Ausstellung: Die sprachlose Gewalt dieser Bilder und Videos trifft den Betrachter, denn es geht um seine eigene Sterblichkeit. Urs Stahel gelingt nebenbei aber eine kleine Kulturgeschichte unseres Umgangs mit Körper, Krankheit, Endlichkeit - und eine Problematisierung der Rolle des Fotografen selber.
"Es kommen ganz viele Fragen hier auf, nämlich: Wofür wird dieses Bild gemacht? Wer hat den Auftrag gegeben? Macht der Fotograf nachher eine Zehnerauflage mit diesem Bild und verdient Geld? Ist das korrekt? Wieso schauen wir uns diese Bilder an? Was ist das Zielpublikum?"
Besonders verstörend sind die medizinischen Fotos von Föten oder von Verkrüppelten, aber auch die Kriegsbilder von verreckenden Soldaten und totenkopfübersäten Landschaften. Die inszenierten Fotos bieten da eine Art Ruhepol - auch wenn sie Alzheimer-Patienten oder schrill zurechtgeschminkte Tote zeigen. Eine in ihrer fotografischen Vielfalt großartige Ausstellung, die den Zuschauer allerdings an seine psychischen Grenzen führt.
Von Krankheit und Tod, vom Sterben und gar vom Verwesen kann - mit Anstand, mit Würde - nur handeln, wer sein Handwerk versteht. Die Ausstellung versammelt Werke von über 100 Künstlern, quer durch die Fotogeschichte - und das gezeigte menschliche Leid ist schwer zu ertragen. Aber der Kurator Urs Stahel hat versucht, Altern und Sterben als einen Prozess zu zeigen; so ist die Ausstellung jedenfalls angelegt:
"Ich hab mich entschieden, eine Linie zu ziehen vom integren, unversehrten Körper, der aufs Spiel gesetzt wird, der eingesetzt wird, da gibt es auch Bilder von Sexualität, den Körper riskieren, aber es ist immer noch ein Spiel, voller Lebendigkeit - und dann durch die Ausstellung zu gehen und schrittweise Versehrungen zu zeigen, Selbstversehrungen, Selbsteingriffe. Es folgt dann ein Kapitel über Identität, man passt sich an, man nimmt ab, man folgt bestimmten Mustern, man schneidet in sich ein, weil man im Widerstand zu seinem eigenen Körper lebt."
Bilder von Selbstverstümmelungen nehmen einen großen Raum ein. Manche müssen Hand an sich legen, um sich selbst zu spüren. Valérie Belins wahrscheinlich am Computer hergestellte Aufnahme des an der Nase operierten Michael Jackson mag zwar ein Kunstprodukt sein, aber sie zeigt paradigmatisch das Groteske all jener Körpermanipulationen, vom Tattoo bis zum Nasenring, an die wir uns modehalber schon fast gewöhnt haben.
Es gibt die inszenierte Fotografie renommierter Gegenwarts-Künstler wie Noboyushi Araki, Nan Goldin oder Rineke Dijkstra. Man sieht aber auch eine ganze Reihe von Pressebildern, die mittlerweile Ikonen des Dokumentarismus sind. Oft sind es Sportbilder von unglaublicher Brutalität, etwa das Keystone-Agentur-Foto eines Boxkampfs von Joe Louis 1951. Oder Kriegsfotos - der Vietnamkrieg schrieb hier ein düsteres Kapitel -, Bilder von Unfällen und Morden und aus dem sexuellen Underground.
"Erzählungen können etwas verständlich machen. Fotos tun etwas anderes: Sie suchen uns heim und lassen uns nicht mehr los", meinte die Essayistin Susan Sontag. Genau das passiert in dieser Ausstellung: Die sprachlose Gewalt dieser Bilder und Videos trifft den Betrachter, denn es geht um seine eigene Sterblichkeit. Urs Stahel gelingt nebenbei aber eine kleine Kulturgeschichte unseres Umgangs mit Körper, Krankheit, Endlichkeit - und eine Problematisierung der Rolle des Fotografen selber.
"Es kommen ganz viele Fragen hier auf, nämlich: Wofür wird dieses Bild gemacht? Wer hat den Auftrag gegeben? Macht der Fotograf nachher eine Zehnerauflage mit diesem Bild und verdient Geld? Ist das korrekt? Wieso schauen wir uns diese Bilder an? Was ist das Zielpublikum?"
Besonders verstörend sind die medizinischen Fotos von Föten oder von Verkrüppelten, aber auch die Kriegsbilder von verreckenden Soldaten und totenkopfübersäten Landschaften. Die inszenierten Fotos bieten da eine Art Ruhepol - auch wenn sie Alzheimer-Patienten oder schrill zurechtgeschminkte Tote zeigen. Eine in ihrer fotografischen Vielfalt großartige Ausstellung, die den Zuschauer allerdings an seine psychischen Grenzen führt.