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Darmstress erschnüffeln

Raumfahrt. - Ein bemannter Flug zum Mars ist etwas anderes als der Trip zum Mond. Statt weniger Tage sind die Astronauten viele Monate unterwegs, was unweigerlich zu gesundheitlichen Problemen führt. Italienische Wissenschaftler tüfteln daher an einfachen Tests, mit denen die Besatzung sich anbahnende Probleme, etwa in der Verdauung, erkennen kann. Die italienische Küche, so die Forscher, liefert dann auch gleich eine Behandlungsmethode.

Von Thomas Migge |
    Aldo Roda ist Chemiker an der Universität Bologna. Beim Mars-500-Projekt der europäischen Raumfahrtbehörde ist er für mögliche Verdauungsprobleme der Test-Flieger zuständig. Rodas Team beschäftigt sich seit Anfang des Jahres bei einer Flugsimulation am Moskauer biomedizinischen Institut mit Astronauten, die drei Monate in der Schwerelosigkeit unter ähnlichen Bedingungen lebten wie beim geplanten Marsflug. Die Biochemiker aus Bologna testeten dabei ein in Italien entwickeltes System mit einer so genannten künstlichen Nase. Sensoren aus Metallporphyrinen geben einem Arzt wichtige Hinweise für eine Ferndiagnose bei Magen-Darm-Problemen während des Langzeitaufenthaltes im All. Dazu haben die Wissenschaftler vor dem Moskauer Experiment Proben der Atemluft bei den Probanden genommen und daraus Durchschnittswerte gebildet für den intakten Magen-Darm-Trakt.
    Aldo Roda:

    "Auch der gesundeste Mensch würde unter solchen Lebensumständen Probleme haben. Man lebt ja nicht nur dauerhaft in der Schwerelosigkeit, sondern ernährt sich auch nicht so, wie es sein sollte. Astronauten essen ja nicht wie auf der Erde. Sie ernähren sich mit Instantgerichten. Vor allem die Darmflora macht dann nicht mehr so richtig mit."

    Die einmal beschädigte Darmflora muss, so Aldo Roda, durch eine gesunde Ernährung, wie auf der Erde, wieder hergestellt werden. Was aber ohne Medikamente in der Regel nicht möglich ist. Dazu muss der Astronaut im Fall des Falles selbst herausfinden, welche Probleme ihn zwicken. Helfen kann im dabei der Blas-Sensor aus Bologna. Er funktioniert wie der Alko-Tester bei Autofahrern.

    "Da ist eine wirklich einfache Untersuchungsmethode, denn das Testgerät untersucht die Atemluft einer Person, was Auskunft über Probleme im Magen und Darmbereich gibt."

    Nach der Atemluft-Diagnose, die Aldo Roda in Moskau testete und die sich als das beste Mittel für eine ärztliche Untersuchung möglicher Krankheiten von Astronauten im Magen-Darm-Bereich erwies, kann dann der Patient versuchen, die Ernährung umzustellen. Das Thema Ernährung beschäftigt die italienischen Mitarbeiter des europäischen Marsprojekts auch aus einem anderen Grund. Roda und seine Mitarbeiter suchen nach Alternativen zur herkömmlichen Astronautenkost:

    "Italienischen Lebensmittelunternehmen, entwickeln in unserem Auftrag eine Astronauten-Kost, nach der klassischen italienischen Küche. Gerichte, die auch als Instant-Mahlzeiten verzehrt werden können, aber gesund sind und sich leicht von Astronauten zubereiten lassen."

    Klassische italienische Küche. Das bedeutet für Roda auch ohne Medikamente Magen-Darm-Krankheiten auf Langstreckenflügen im Weltraum bekämpfen zu können. Mit Gemüse und Nudeln, mit Olivenöl und Früchten hofft er, die Magen-Darm-Flora vorbeugend und dauerhaft zu stabilisieren. Die Menü-Vorschläge der Forscher aus Bologna münden in Weltraumgerichte, die leicht verdaulich sind und positiv auf die angegriffene Darmflora wirken. Gerichte, die noch top secret sind. Aldo Roda ist aufgrund seiner Untersuchungen davon überzeugt, dass sich Magen-Darm-Krankheiten, verursacht durch Dauer-Schwerelosigkeit und Instant-Nahrung, mit den gleichen Mitteln behandeln lassen wie unter normalen Lebensumständen auf der Erde. Sein Ziel ist es, so lange wie möglich und mit, wie er sagt, "Mammas Hausmannskost all’italiana" dem Einsatz der Medikamente vorzubeugen.