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Darts-WM
Ihre Welt ist eine Scheibe

Bunte Pfeile, eine kleine Scheibe, dazu Geschick, Präzision und eine perfekte Hand-Auge-Koordination: Bei der Darts-WM in London treffen sich die Profis, den Sport lieben aber auch die Amateure.

von Jochen Spengler | 15.12.2013
    Die ersten üben schon. Es geht schnell. Immer drei Pfeile – dann ist der nächste Spieler dran. Ihre Welt ist eine Scheibe und die ist 2,37 Meter weg, 34 Zentimeter groß und besteht aus 20 Tortenstücken, die zwischen 20 und einem Punkt zählen. Nein, sie seien keine tollen Dartspieler und das hier sei die schlechteste Darts-Liga in London, scherzt Chris, 49, mit kurzem Haar und hagerer Figur. Doch er hat gerade in der Übungsrunde seinen Pfeil im mittleren, schmalen Ring der 20 platziert. Das verdreifacht den Wert des Tortenstückes auf 60 – mehr geht nicht. Verdoppelt wird der Wert, wenn der Wurfpfeil im äußeren schmalen Ring landet. Chris spielt seit 33 Jahren, sagt er, wegen der netten Atmosphäre und der Geselligkeit mit den Kumpels - weit weg von den Ehefrauen.
    Tatsächlich bleibt der White Hart, ein Pub im Wimbledon Village an diesem Abend frauenfrei; allmählich trifft der Rest des achtköpfigen Dartsteams ein, das sich der Einfachheit halber nach seinem Stammpub benannt hat. Auch George, Chris’ 17-jähriger Sohn ist dabei, weil es so lustig sei.
    Die Gastgeber erwarten das Team des Lokal-Rivalen Hawaii-5-O, dessen Spieler leicht zu erkennen sind an ihren bunten Hawaii-Hemden. Einer von ihnen ist Nigel, Mitte 50, und der nimmt die Sache durchaus ernst: er wolle zunächst mal gewinnen und dann erst Spaß haben. Darts ist noch immer ein Arbeitersport, weiß und männlich. Dass England sein Geburtsort war und zu seinem Mekka wurde, muss an der einzigartigen Kombination liegen: Pub, Bier, Boys und Darts.
    "Bei drei bis vier Pints spielst Du besser, sagt Dave. Du entspannst."
    Das aber gilt für die Darts-Profis schon längst nicht mehr. Seit Privatsender die großen Turniere übertragen, wurden viele von ihnen zu Millionären. Die 72 besten Spieler der Welt tragen gerade wieder in London bis zum Neujahrstag die Weltmeisterschaft aus.
    Auch die Amateure im White Hart werden zu den sieben Millionen Fernsehzuschauern gehören und sie haben einen klaren Favoriten: Phil – the Power – Taylor, für viele der beste Dartsspieler aller Zeiten. Vor einem Jahr holte er sich vor 2.500 Fans im Londoner Alexandra Palace zum sechzehnten Mal den Weltmeistertitel. Auch bei der diesjährigen WM, bei der Preisgelder von 1,2 Millionen Euro winken, dürften seine Fans wieder ihre Lieblingshymne anstimmen: "Es gibt nur einen Phil Taylor."
    Phil Taylor, eine 53-jährige englische Legende, mit Bauch und tätowiert wie die meisten Spitzenspieler. Warum Darts eigentlich noch keine olympische Disziplin sei, will ein Interviewer von ihm wissen.
    "Vermutlich, weil Olympioniken keinen Alkohol trinken dürfen."
    Das ist im White Hart anders; die Stimmung ist frohgemut und der Wettkampf hat begonnen hat: Einzelspiele, Doppel, Vierer und Achter. Es gibt etliche Spielvarianten im Darts, aber meist wird von 501 heruntergezählt. Läuft es optimal, dann braucht ein Spieler dafür neun Würfe, was aber nur selten gelingt. Das Schwierigste beim Darts ist das Spielende. Nur der Pfeilewerfer gewinnt, der als erster genau Null erreicht. Und dabei ist in der Regel auch noch vorgeschrieben, dass der letzte Pfeil auf einem Doppelfeld landen muss. Wenn das dann gelinge, sei es ein einzigartiges Gefühl, sagt Chris, der sein Spiel dann tatsächlich mit einem Doppeltreffer beendet.
    Darts hat nichts mit Glück, sondern mit Geschick zu tun und verlangt eine gute Hand-Auge-Koordination. Das Hawaiihemd-Team ist an diesem Abend besser und Gary, ein gemütlicher 53-Jähriger, ist der herausragende Spieler - sein Tipp lautet:
    "Man muss das Spiel von Anfang an genießen, dann so viel wie möglich üben und oft den Dreichfachring treffen, die 20 oder die 19. Ich schaffe das – ich habe meine Momente…"
    Was Gary kurz darauf mit einem Fabelwurf unter Beweis stellt.