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"Darwin? Nein danke!"

"Der Mensch wurde von Gott geschaffen und stammt nicht vom Affen ab" - diese kreationistische Meinung vertreten auch immer mehr Studierende an den Hochschulen. Sie lehnen die Evolutionstheorie ab, zweifeln sogar die Wissenschaft an. An der Technischen Hochschule Dortmund haben umfangreiche Befragungen ergeben, dass sogar unter den Biologie-Lehramtstudenten zahlreiche christliche Kreationisten sind. Darauf wollen die Hochschulen nun mit entsprechenden Konzepten reagieren.

Von Solveig Bader | 20.02.2009
    Jeder sechste Lehramtstudent an der Technischen Universität Dortmund ist nicht überzeugt davon, dass Darwin und die Evolutionstheorie Recht haben. Sogar sieben Prozent der Biologiestudenten glauben, dass die Menschheit mit der Erschaffung von Adam und Eva angefangen hat.

    Dittmar Graf, Biologie-Professor an der TU Dortmund, hat die Umfrage unter Lehramtstudenten durchgeführt und bezeichnet die Ergebnisse als erschreckend. Kreationismus - auch Schöpfungsglaube genannt - sei mit dem wissenschaftlichen Anspruch von Hochschulen nicht vereinbar und stelle eine Gefahr für die Lehre dar.

    "Kreationistisches Denken ist gleichzeitig auch antiwissenschaftliches Denken und die Aufgabe der Universität ist natürlich, Wissenschaft zu vermitteln, insofern ist Kreationismus schädlich und muss auch intensiv bedacht und angegangen werden. Es ist ja so, dass Kreationisten vielfach von sich selber behaupten, sie würden Wissenschaft betreiben. Wenn man aber genauer hinschaut, ist es alles andere als Wissenschaft. Es ist Pseudowissenschaft."
    Forschungen an türkischen Hochschulen belegen, dass 70 Prozent der Lehramtstudenten die Evolution ablehnen und wissenschaftsfeindlich denken. Das sind mehr als in den USA. Didaktiker befürchten, dass die angehenden Lehrer ihre Wertevorstellungen im Unterricht an die Schüler weitergeben könnten. Für das Fach Biologie absurd: Denn die Inhalte seien nur erklärbar, wenn man die Evolution zu Grunde lege. Um dem möglichen Einfluss von Schöpfungsgläubigen entgegenzusteuern, entwickelt Dittmar Graf, der an der TU Dortmund Biologielehrer ausbildet, neue didaktische Konzepte.

    "Dabei scheint es mir wichtig zu sein, dass man den Evolutionsunterricht, der zur Zeit immer am Ende der verschiedenen Schulstufen stattfindet, also in der zehnten oder in der dreizehnten Klasse, dass man da weiter nach vorne geht, also dass der Evolutionsunterricht früher beginnt, bevor es sich bei Schülern vielleicht schon kreationistische Gedankengänge verfestigt haben. Darüber hinaus sprechen wir uns auch aus für eine Intensivierung des Evolutionsunterrichts in der Schule. Darüber hinaus scheint es mir auch wichtig zu sein, dass man an den Universitäten allen Studierenden aller Fächer Evolutionsveranstaltungen nahe bringt."
    Heike Rietmann studiert Biologie auf Lehramt an der Technischen Universität Dortmund. Sie zählt sich zu den Darwin-Anhängern und zweifelt nicht im geringsten die Evolutionstheorie an. Als Lehrerin will sie jedoch tolerant sein, wenn sie mit dem Problem konfrontiert wird.

    "Ich würde jedem seine Meinung lassen, aber würde versuchen, den Schülern auch noch das Wissenschaftliche zu vermitteln. Es ist ja auch bewiesen, dass die Evolution stattgefunden hat und das würde ich versuchen, klarzumachen, dass Evolution das richtige ist, aber sie natürlich auch glauben können, wenn sie glauben, dass es einen Gott gibt, möchte ich nicht dazwischen reden. Das muss man auf jeden Fall strikt trennen."
    Ihr Biologieprofessor Dittmar Graf hat die internationale Tagung zum Thema Kreationismus angestoßen und organisiert. Denn Wissenschaftler aus ganz Europa beschäftigt mittlerweile das Thema Kreationismus.

    "Ich verspreche mir da eine Initialzündung für ein größeres gemeinsames Forschungsprojekt, das das Thema einheitlich europaweit beforscht. Wir wollen erforschen, wieso haben viele Probleme, die Evolution zu akzeptieren. Ein Hauptgrund ist sicherlich, dass religiöse Motive dahinter stehen, wenn man - wie in der Bibel steht - Gott hat den Menschen nach seinem Bilde geschaffen, dann kann man es oft nicht akzeptieren, dass aus biologischer Sicht der Mensch mit dem Schimpansen ganz nah verwandt ist und von anderen Affen abstammt."