Was wünschen sich Menschen in ihrem Arbeitsleben? Natürlich einen angemessenen Lohn. Und darüber hinaus?
"Was sich ganz oft zeigt, ist, dass wenn man nach Berufsbildern und Berufsträumen fragt, dass keiner ins Büro will. Wenn sie die Schneiderin fragen, sagt sie, also ich wollte auf gar keinen Fall ins Büro. Ich wollte was machen, sehen, was ich gemacht habe, die Produkte sehen."
Die Historikerin Christina Bargholz leitet am Hamburger Museum der Arbeit ein Projekt, das sich mit dem Wandel in der Arbeitswelt beschäftigt. Dazu hat sie nicht nur eine Ausstellung konzipiert, sondern auch viele Menschen jeden Alters befragt.
"Die Ingenieurin hat zum Beispiel gesagt, sie schafft was Bleibendes, was über sie hinausgeht, indem sie ein Windkraftfeld verankert in der Nordsee. Die Friseurin, die junge, erzählt der Friseurberuf mit Menschen, die hinterher schön den Laden verließen und glücklich seien und treue Kunden würden. Das sei ihr Beruf."
Arbeit ist auch prägend für eine Gesellschaft. Das war schon in der Steinzeit so, sagt Dr. Klaus Schlottau. Er ist Leiter der Arbeitsstelle Sozialgeschichte von Technik und Umwelt an der Universität Hamburg.
"Wenn man eben länger arbeitet, als man es selber nur für den individuellen Erhalt tun muss, dann schafft man Gesellschaft. Und wenn ich länger arbeite, als nur die zwei, drei Stunden, die ich brauch, um meine Körner zusammen zu sammeln, sondern dann noch mal zwei, drei Stunden anhänge, um für andere Leute die Körner zu sammeln, damit die auch leben können, die Kinder, die Alten, die Kranken, dann schaff ich eine Gesellschaft."
Ab dem Mittelalter differenzierte sich die Arbeit in einzelne Berufsgruppen. Drechsler, Schlosser, Schmidt und Bauer teilten sich die gesellschaftlich notwendige Arbeit. Spätestens seit der Reformation war Arbeit auch Dienst für Gott. Ora et labora. Bete und arbeite. Das änderte sich mit der kleinteiligen Arbeitsteilung in den ersten Industriebetrieben des 19. Jahrhunderts.
"Es geht dann nur noch darum, mithilfe der Lohnarbeit diesen täglichen Bedarf zusammen zu bekommen. Wir haben jetzt im 19. Jahrhundert zwölf bis 14 Stunden Arbeit, um auch nur das Notwendigste für eine Person zu erwerben."
Aus dem Fleiß, lateinisch Industria, wurde der Zwang des entfremdeten Produzierens. Gleichzeitig formierten sich die Gewerkschaften. Sie erkämpfen geregelte und kürzere Arbeitszeiten. Allerdings, so Klaus Schlattau, hatte das seinen Preis.
"Das heißt, wenn ich schon weniger arbeite, dann ist es natürlich so, dass die Organisatoren und Unternehmer dafür sorgen, dass in dieser Zeit viel mehr gearbeitet wird. Das heißt, Taktarbeit wird eingeführt, es wird Fließbandarbeit eingeführt. Es werden neue Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen. Ob's die Rohrpost ist oder Telegrafen oder Telefon, die die Arbeitsvorgänge, auch die Verwaltungsvorgänge beschleunigen. Sodass trotz sinkender Arbeitszeit ein deutlich höheres Maß an Arbeit geleistet wird."
Ein Mechanismus, der heute wieder fröhliche Urstände feiert, behauptet Hamburgs Verdi Landeschef Wolfgang Rose. Und er verweist auf die Bedingungen im Dienstleistungssektor. Zum Beispiel den Paketzusteller.
"Die Menschen bestellen heute immer mehr über Internet und dann kommt das Paket zuhause an. Und derjenige, der es bringt, kriegt schnell eine Unterschrift, ist dann wieder weg. Keiner weiß, unter welchen Bedingungen er arbeitet. Die Bedingungen sind geprägt durch Subunternehmen der entsprechenden Paketdienste. Und diese Subunternehmen haben absolute Niedriglöhne."
Paketsklaven nennt Wolfgang Rose diese Menschen. Und solche Sklaven gibt es inzwischen in vielen Branchen, weiß Professor Kirsten Baumann. Sie ist Direktorin des Hamburger Museums der Arbeit.
Dass wir in manchen Fällen uns wieder aufs 19. Jahrhundert zu bewegen. Nämlich in den Fällen, in denen Menschen von ihrer Hände Arbeit einfach nicht mehr leben können. Selbst wenn sie acht Stunden, neun Stunden, zehn Stunden am Tag arbeiten. Und das kann nicht sein.
Und davor schützen auch nicht die technischen Innovationen, die in den letzten 150 Jahren unser Leben eigentlich erleichtern sollten, sagt die Historikerin.
"Begonnen mit der Dampfmaschine, dann der Elektrifizierung, die es möglich gemacht hat, dass man Tag und Nacht arbeiten kann. Der Rhythmus der Natur wurde abgelöst durch den Rhythmus, der von Arbeitgebern vorgegeben wurde und uns bis heute verfolgt."
Geändert haben sich in den letzten hundert Jahren auch viele Berufe.
"Das ist ein Setzkasten hier. 126 Fächer, wohlfeil aufgebaut nach einem deutschen Belegungsplan und daraus setzen wir."
Bleischriftsetzer wie Helmut Bohlmann gibt es heute nicht mehr. Durch die Erfindung des Computers ist seine Handwerkskunst verloren gegangen.
Es war früher sehr schwer. Schriftkästen sind schwer. Die Satzformen waren schwer zu tragen. Das Setzen hat lange gedauert. Wenn man heutzutage sieht, dass man direkt auf dem Bildschirm schon setzen kann und eine ganz andere Schriftauswahl hat. Hat sich sehr viel geändert.
Seit gut einem Jahrzehnt gerät auch der traditionelle Einzelhandel immer mehr aus den Fugen, weiß die Historikerin Christina Bargholz. Das Internet verändert die Einkaufs- und die Arbeitswelt.
"Wir haben jetzt ganz schlecht bezahlte Fachverkäufer, die unter einem großen Druck stehen. Das Internet macht die Vorgaben für die Preise. Und die Arbeitsplätze werden verlagert auf die Paketdienste, die jetzt in Massen die Waren zum Kunden bringen."
Auch die veränderte Situation der Frauen im Erwerbsleben ist ein Thema im ABC der Arbeit. Rückblick einer Friseurin, die 1935 ihre Lehre machte.
"Verkäuferin, Kontoristin, Krankenschwester, ja. Das war das. So Metallfacharbeiterberufe usw. konnte man damals nicht. Oder Tischlerin oder so was, Gott da war ja überhaupt nicht dran zu denken."
Aber, so Christina Bargholz , erstaunlicherweise gab es vor hundert Jahren schon U-Bahn-Fahrerinnen.
"U-Bahn-Fahrerinnen gab es im Ersten Weltkrieg schon als industrielle Reservearmee. Männer warn im Krieg, Frauen wurden herangezogen, kurz angelernt, haben das gemeistert. Nach dem Krieg haben die Männer wieder das U-Bahn-Fahren übernommen. Dasselbe passiert im Zweiten Weltkrieg. Und dann waren bis in den 70er-Jahren überhaupt keine Frauen vertreten. Da musste erst ein Gesetz geändert werden, dass Frauen diese Berufe ergreifen können."
Auch wenn von Gleichberechtigung im Erwerbsleben, von gleichem Lohn für Frau und Mann noch lange keine Rede sein kann, erkennt man Fortschritte, resümiert Christina Barkholz. Und verweist auf die Arbeitskämpfe der vergangenen hundert Jahre.
"Dass das, was für uns heute selbstverständlich ist, alles erkämpft worden ist. Von gewerkschaftlich organisierten oder von Streiks oder von Einzelpersonen. Und das erscheint uns so selbstverständlich, dass es eine 40-Stunden-Woche gibt und dass es einen Tariflohn gibt und dass es Urlaub gibt und eine Krankenversicherung. Und alles das ist aber seit der Industrialisierung Mitte des 19.Jahrhunderts eben erkämpft worden."
"Was sich ganz oft zeigt, ist, dass wenn man nach Berufsbildern und Berufsträumen fragt, dass keiner ins Büro will. Wenn sie die Schneiderin fragen, sagt sie, also ich wollte auf gar keinen Fall ins Büro. Ich wollte was machen, sehen, was ich gemacht habe, die Produkte sehen."
Die Historikerin Christina Bargholz leitet am Hamburger Museum der Arbeit ein Projekt, das sich mit dem Wandel in der Arbeitswelt beschäftigt. Dazu hat sie nicht nur eine Ausstellung konzipiert, sondern auch viele Menschen jeden Alters befragt.
"Die Ingenieurin hat zum Beispiel gesagt, sie schafft was Bleibendes, was über sie hinausgeht, indem sie ein Windkraftfeld verankert in der Nordsee. Die Friseurin, die junge, erzählt der Friseurberuf mit Menschen, die hinterher schön den Laden verließen und glücklich seien und treue Kunden würden. Das sei ihr Beruf."
Arbeit ist auch prägend für eine Gesellschaft. Das war schon in der Steinzeit so, sagt Dr. Klaus Schlottau. Er ist Leiter der Arbeitsstelle Sozialgeschichte von Technik und Umwelt an der Universität Hamburg.
"Wenn man eben länger arbeitet, als man es selber nur für den individuellen Erhalt tun muss, dann schafft man Gesellschaft. Und wenn ich länger arbeite, als nur die zwei, drei Stunden, die ich brauch, um meine Körner zusammen zu sammeln, sondern dann noch mal zwei, drei Stunden anhänge, um für andere Leute die Körner zu sammeln, damit die auch leben können, die Kinder, die Alten, die Kranken, dann schaff ich eine Gesellschaft."
Ab dem Mittelalter differenzierte sich die Arbeit in einzelne Berufsgruppen. Drechsler, Schlosser, Schmidt und Bauer teilten sich die gesellschaftlich notwendige Arbeit. Spätestens seit der Reformation war Arbeit auch Dienst für Gott. Ora et labora. Bete und arbeite. Das änderte sich mit der kleinteiligen Arbeitsteilung in den ersten Industriebetrieben des 19. Jahrhunderts.
"Es geht dann nur noch darum, mithilfe der Lohnarbeit diesen täglichen Bedarf zusammen zu bekommen. Wir haben jetzt im 19. Jahrhundert zwölf bis 14 Stunden Arbeit, um auch nur das Notwendigste für eine Person zu erwerben."
Aus dem Fleiß, lateinisch Industria, wurde der Zwang des entfremdeten Produzierens. Gleichzeitig formierten sich die Gewerkschaften. Sie erkämpfen geregelte und kürzere Arbeitszeiten. Allerdings, so Klaus Schlattau, hatte das seinen Preis.
"Das heißt, wenn ich schon weniger arbeite, dann ist es natürlich so, dass die Organisatoren und Unternehmer dafür sorgen, dass in dieser Zeit viel mehr gearbeitet wird. Das heißt, Taktarbeit wird eingeführt, es wird Fließbandarbeit eingeführt. Es werden neue Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen. Ob's die Rohrpost ist oder Telegrafen oder Telefon, die die Arbeitsvorgänge, auch die Verwaltungsvorgänge beschleunigen. Sodass trotz sinkender Arbeitszeit ein deutlich höheres Maß an Arbeit geleistet wird."
Ein Mechanismus, der heute wieder fröhliche Urstände feiert, behauptet Hamburgs Verdi Landeschef Wolfgang Rose. Und er verweist auf die Bedingungen im Dienstleistungssektor. Zum Beispiel den Paketzusteller.
"Die Menschen bestellen heute immer mehr über Internet und dann kommt das Paket zuhause an. Und derjenige, der es bringt, kriegt schnell eine Unterschrift, ist dann wieder weg. Keiner weiß, unter welchen Bedingungen er arbeitet. Die Bedingungen sind geprägt durch Subunternehmen der entsprechenden Paketdienste. Und diese Subunternehmen haben absolute Niedriglöhne."
Paketsklaven nennt Wolfgang Rose diese Menschen. Und solche Sklaven gibt es inzwischen in vielen Branchen, weiß Professor Kirsten Baumann. Sie ist Direktorin des Hamburger Museums der Arbeit.
Dass wir in manchen Fällen uns wieder aufs 19. Jahrhundert zu bewegen. Nämlich in den Fällen, in denen Menschen von ihrer Hände Arbeit einfach nicht mehr leben können. Selbst wenn sie acht Stunden, neun Stunden, zehn Stunden am Tag arbeiten. Und das kann nicht sein.
Und davor schützen auch nicht die technischen Innovationen, die in den letzten 150 Jahren unser Leben eigentlich erleichtern sollten, sagt die Historikerin.
"Begonnen mit der Dampfmaschine, dann der Elektrifizierung, die es möglich gemacht hat, dass man Tag und Nacht arbeiten kann. Der Rhythmus der Natur wurde abgelöst durch den Rhythmus, der von Arbeitgebern vorgegeben wurde und uns bis heute verfolgt."
Geändert haben sich in den letzten hundert Jahren auch viele Berufe.
"Das ist ein Setzkasten hier. 126 Fächer, wohlfeil aufgebaut nach einem deutschen Belegungsplan und daraus setzen wir."
Bleischriftsetzer wie Helmut Bohlmann gibt es heute nicht mehr. Durch die Erfindung des Computers ist seine Handwerkskunst verloren gegangen.
Es war früher sehr schwer. Schriftkästen sind schwer. Die Satzformen waren schwer zu tragen. Das Setzen hat lange gedauert. Wenn man heutzutage sieht, dass man direkt auf dem Bildschirm schon setzen kann und eine ganz andere Schriftauswahl hat. Hat sich sehr viel geändert.
Seit gut einem Jahrzehnt gerät auch der traditionelle Einzelhandel immer mehr aus den Fugen, weiß die Historikerin Christina Bargholz. Das Internet verändert die Einkaufs- und die Arbeitswelt.
"Wir haben jetzt ganz schlecht bezahlte Fachverkäufer, die unter einem großen Druck stehen. Das Internet macht die Vorgaben für die Preise. Und die Arbeitsplätze werden verlagert auf die Paketdienste, die jetzt in Massen die Waren zum Kunden bringen."
Auch die veränderte Situation der Frauen im Erwerbsleben ist ein Thema im ABC der Arbeit. Rückblick einer Friseurin, die 1935 ihre Lehre machte.
"Verkäuferin, Kontoristin, Krankenschwester, ja. Das war das. So Metallfacharbeiterberufe usw. konnte man damals nicht. Oder Tischlerin oder so was, Gott da war ja überhaupt nicht dran zu denken."
Aber, so Christina Bargholz , erstaunlicherweise gab es vor hundert Jahren schon U-Bahn-Fahrerinnen.
"U-Bahn-Fahrerinnen gab es im Ersten Weltkrieg schon als industrielle Reservearmee. Männer warn im Krieg, Frauen wurden herangezogen, kurz angelernt, haben das gemeistert. Nach dem Krieg haben die Männer wieder das U-Bahn-Fahren übernommen. Dasselbe passiert im Zweiten Weltkrieg. Und dann waren bis in den 70er-Jahren überhaupt keine Frauen vertreten. Da musste erst ein Gesetz geändert werden, dass Frauen diese Berufe ergreifen können."
Auch wenn von Gleichberechtigung im Erwerbsleben, von gleichem Lohn für Frau und Mann noch lange keine Rede sein kann, erkennt man Fortschritte, resümiert Christina Barkholz. Und verweist auf die Arbeitskämpfe der vergangenen hundert Jahre.
"Dass das, was für uns heute selbstverständlich ist, alles erkämpft worden ist. Von gewerkschaftlich organisierten oder von Streiks oder von Einzelpersonen. Und das erscheint uns so selbstverständlich, dass es eine 40-Stunden-Woche gibt und dass es einen Tariflohn gibt und dass es Urlaub gibt und eine Krankenversicherung. Und alles das ist aber seit der Industrialisierung Mitte des 19.Jahrhunderts eben erkämpft worden."