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Das Alphabet des Keith Haring

Mit mehr als 300 Exponaten - Videos, Fotos, Flyer - will eine Ausstellung im Brooklyn Museum 30 Jahre nach dem Tod Keith Harings den Besuchern ein Gefühl für den Künstler vermitteln. Zwischen 1978 und 1982 entwickelte er sein Formenvokabular, eine Art geometrisches Alphabet.

Von Sacha Verna | 21.03.2012
    Das kriechende Baby, die Pyramide, die fliegende Untertasse: Keith Harings Motive und Stil sind so sehr Teil unserer visuellen Alltagssprache geworden wie Verkehrstafeln. Und fast so verbreitet. Zum Mythos seiner Person hat sein früher Tod an AIDS 1990 im Alter von nicht einmal 32 Jahren ebenso beigetragen wie die zahlreichen Dokumente, die ihn als eine der zentralen Figuren in der legendären New Yorker Dowtonwn-Szene der 1980er-Jahre ausweisen.

    "Die Leute kennen ihn als Pop-Ikone, als Stereotyp, als internationale Sensation. Aber wenn man sich seine Tage- und Skizzenbücher anschaut und seine sorgfältigen formalen Experimente, bekommt man ein Gefühl von ihm als Person."

    Das ist Tricia Laughlin Bloom, die die umfangreiche Keith-Haring-Ausstellung im Brooklyn Museum mitkuratiert hat. Eben dieses Gefühl für die Person Keith Haring will die Schau vermitteln - mit über 300 Exponaten, von Videos und Fotos bis zu selbst gedruckten Flyern mit Einladungen zu Partys und Performances.

    Und natürlich möchten die Organisatoren Keith Haring als Künstler zeigen. Er habe seine Materialien geliebt, sagt Tricia Laughlin Bloom, vor allem Papier und die japanische Sumi-Tusche. Damit verfertigte Haring die überwiegende Mehrheit seiner Werke:

    "Es war ein Echo auf Jackson Pollock und Action Painting, aber auch auf Künstler wie Pierre Alechinsky und Jean Dubuffet. Er zielte auf etwas sehr Elementares in der menschlichen Erfahrung. Das sieht man in den Werken, die sich zwischen gestischer Abstraktion und geometrischen Formen hin- und herbewegen und an die Kunst der Aborigines und Präkolumbianische Textilien erinnern."

    Die Ausstellung konzentriert sich auf die Jahre zwischen 1978, Keith Harings Ankunft in New York und der Aufnahme seines Studiums an der School of Visual Arts, und 1982. Graffiti war überall in der Stadt und bald war auch Keith Haring überall mit Graffiti, zusammen mit Freunden wie Jean-Michel Basquiat und Kenny Scharf. Zugleich entwickelte Haring sein Formenvokabular, wie 25 kleinformatige Gouachen illustrieren, eine Art geometrisches Alphabet:

    "Er dachte an Henri Matisses Scherenschnitte, als er diese Formen kreierte. Er orientierte sich ohne Voreingenommenheit an den großen Modernisten, genauso wie an den Hieroglyphen der Ägypter."

    Keith Haring habe sich als Glied in einer Kette gesehen, so Tricia Laughlin Bloom:

    "Ich bin weder der Anfang noch das Ende, und mein Werk ergibt nur Sinn im Zusammenhang mit dem von jenen, die vor mir kamen und nach mir kommen werden."

    Was am Ende dieser Ausstellung kommt, ist ein Pop-Shop. Dessen Archetyp eröffnete Keith Haring 1986 ja sogar selber in Soho. Da gibt es das kriechende Baby als hölzerne Kinderschaukel, den DJ Dog auf T-Shirts und den Rest auf Tassen, Pins und Baseballmützen. Außerdem werden Besucher dazu aufgefordert, sich auf Schiefertafeln selber kreativ zu betätigen. Kunst für die Massen.

    Das entspricht durchaus dem Geist von Keith Haring und seinen Genossen. Allerdings macht ein monumentales Unterfangen wie diese Retrospektive die endlose Variation des Ewiggleichen nur allzu offensichtlich, die Keith Harings Werk zugrunde liegt. Es ist ein gutes Beispiel für Kitsch und Verklärung und kommerzielle Blüten.

    Brooklyn Museum: "Keith Haring: 1987-1982". Bis 8. Juli.