Jürgens arbeitet heute als Restaurator im Rijksmuseum Amsterdam:
"Man versucht quasi, die Alterung, die ja beständig ist, zu verlangsamen, man versucht, Verschmutzungen abzunehmen, physische Schäden, die eventuell zu weiteren Schäden führen können, wie Risse. Ein Riss kann sich fortbilden; das versuchen wir zu stabilisieren. Chemische Schäden sind schwierig zu restaurieren, weil man die chemischen Vorgänge natürlich dafür wieder rückgängig machen müsste. Und dazu muss man die ursprünglichen chemischen Vorgänge kennen. Da wird es relativ komplex, weil wir nicht genau wissen, was in den letzten 100 Jahren tatsächlich passiert ist."
Analoge Fotos – Negative wie Positive – bestehen aus komplexen Stoffgemischen, genau genommen aus Suspensionen, wo Festkörper in Flüssigkeiten herumschwimmen, "aufgeschwemmt" wurden. Die Vorgänge bei der Belichtung dieser Suspension hängen unter anderem mit der Quantenmechanik zusammen und waren lange nicht verstanden. Was genau mit einem fixierten, also eigentlich für die Ewigkeit präparierten Foto in den Jahrzehnten und Jahrhunderten danach passiert, ist immer noch nicht klar. Die Silberkristalle auf Glas oder Fotopapier sind keine starren Gebilde.
Martin Jürgens: "In der Theorie wissen wir jedenfalls durch Oxidationsverfahren, wie sich Silber verändert. Aber im Einzelfall wird es manchmal schwierig. Und selbst, wenn wir es erkennen, müssen wir einen Weg finden, um diese chemischen Vorgänge rückgängig zu machen. In der Tat gibt es im Moment eine Art Moratorium bei den Fotorestauratoren, dass wir chemische Restaurierungen nicht vornehmen oder nur in den seltensten Fällen, weil die Langzeitfolgen unserer Eingriffe nicht wirklich abschätzbar sind. Es ist eine ethische Vorgabe, dass wir keine weiteren Schäden verursachen. Wenn wir nicht wissen, was in 100 Jahren mit unseren Fotografien passieren wird, sind wir lieber auf der vorsichtigen Seite und machen gar nichts."
Alte Fotos gelten als relativ robust, viel robuster als Bilddaten auf Festplatten oder CD-ROMs, denn Silber ist ein Edelmetall. Aber mit der Zeit oxidiert es wie Silberbesteck, Schwefel lagert sich an und färbt die Aufnahmen gelb. Je mehr und kräftigeres und UV-haltigeres Licht im Spiel ist, desto schneller passiert das. Museen gehen hier laufend Kompromisse ein. Wenn sie die guten Stücke schon aus den Kellern ins künstliche Licht des Ausstellungsraums bringen, überlegen sie sich genau, wie aggressiv das Licht ist, wie kräftig die Strahler strahlen, und wann man sie wieder ausschaltet.
Sie spielen auch mit der Luftfeuchtigkeit, denn die Gelatine der Fotos kann Wasser aus der Luft binden und dann klebrig werden. Zudem zerfällt jedes organische Material, also auch ein Foto, unter Temperatureinfluss.
"Viele Farbfotografien werden inzwischen eingefroren, unter 0°C gelagert, weil man damit den Verfall der Farbstoffe wirklich sehr, sehr, sehr stark abbremsen kann. Bei Schwarz-Weiß-Fotografien, die nicht so temperaturempfindlich sind, hat man sich auf 18°C geeinigt, bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von circa 40-50 Prozent. Farbfotografien sind wirklich temperaturempfindlich und werden in der Regel stark abgekühlt."
Beim Einfrieren, so Martin Jürgens, besteht die Gefahr, dass sich in wasserhaltigen Suspensionen Eiskristalle bilden, die das Foto brüchig und beim Auftauen weichmachen. Aber offenbar ist es so: Die Fotogelatine enthält zwar Wasser, aber das Wasser ist weitgehend in organischen Molekülverbänden eingepackt, kann also nicht auskristallisieren.
"Es gab lange Zeit die Vermutung, dass das ein Problem sein könnte. Inzwischen ist man sich relativ einig, dass sich bei Fotografien beim Einfrieren keine Kristalle innerhalb der Emulsion bilden. Das hat sich jetzt über die Jahre, die wir Fotos einfrieren gezeigt, 15-20 Jahre, was im Bereich der Fotorestaurierung ein relativ langer Zeitraum ist."
"Langsam einfrieren ist nicht so wichtig; langsam auftauen, ist eine gute Idee. Man will auch vermeiden, dass sich an der Oberfläche Kondenswasser bildet. Dafür gibt es bestimmte Verpackungssystem, die wir benutzen, um genau dieses Problem zu vermeiden."
Weitere Informationen zum Thema:
Die Webseite von Martin Jürgens
Serie: Wissenschaftliche Aspekte der Fotografie
Martin Jürgens hat auch an den schwer zerstörten Papier-Archivalien des eingestürzten Kölner Stadtarchivs geforscht und sich dabei vorwiegend mit modernen Computerausdrucken beschäftigt - von Kontoauszügen bis Fotoprints. Hören Sie mehr darüber in einer der nächsten Sendungen von Forschung Aktuell.
Anlass zu dieser Serie ist die heute beginnende Photokina in Köln, die größte Fotomesse der Welt.
"Man versucht quasi, die Alterung, die ja beständig ist, zu verlangsamen, man versucht, Verschmutzungen abzunehmen, physische Schäden, die eventuell zu weiteren Schäden führen können, wie Risse. Ein Riss kann sich fortbilden; das versuchen wir zu stabilisieren. Chemische Schäden sind schwierig zu restaurieren, weil man die chemischen Vorgänge natürlich dafür wieder rückgängig machen müsste. Und dazu muss man die ursprünglichen chemischen Vorgänge kennen. Da wird es relativ komplex, weil wir nicht genau wissen, was in den letzten 100 Jahren tatsächlich passiert ist."
Analoge Fotos – Negative wie Positive – bestehen aus komplexen Stoffgemischen, genau genommen aus Suspensionen, wo Festkörper in Flüssigkeiten herumschwimmen, "aufgeschwemmt" wurden. Die Vorgänge bei der Belichtung dieser Suspension hängen unter anderem mit der Quantenmechanik zusammen und waren lange nicht verstanden. Was genau mit einem fixierten, also eigentlich für die Ewigkeit präparierten Foto in den Jahrzehnten und Jahrhunderten danach passiert, ist immer noch nicht klar. Die Silberkristalle auf Glas oder Fotopapier sind keine starren Gebilde.
Martin Jürgens: "In der Theorie wissen wir jedenfalls durch Oxidationsverfahren, wie sich Silber verändert. Aber im Einzelfall wird es manchmal schwierig. Und selbst, wenn wir es erkennen, müssen wir einen Weg finden, um diese chemischen Vorgänge rückgängig zu machen. In der Tat gibt es im Moment eine Art Moratorium bei den Fotorestauratoren, dass wir chemische Restaurierungen nicht vornehmen oder nur in den seltensten Fällen, weil die Langzeitfolgen unserer Eingriffe nicht wirklich abschätzbar sind. Es ist eine ethische Vorgabe, dass wir keine weiteren Schäden verursachen. Wenn wir nicht wissen, was in 100 Jahren mit unseren Fotografien passieren wird, sind wir lieber auf der vorsichtigen Seite und machen gar nichts."
Alte Fotos gelten als relativ robust, viel robuster als Bilddaten auf Festplatten oder CD-ROMs, denn Silber ist ein Edelmetall. Aber mit der Zeit oxidiert es wie Silberbesteck, Schwefel lagert sich an und färbt die Aufnahmen gelb. Je mehr und kräftigeres und UV-haltigeres Licht im Spiel ist, desto schneller passiert das. Museen gehen hier laufend Kompromisse ein. Wenn sie die guten Stücke schon aus den Kellern ins künstliche Licht des Ausstellungsraums bringen, überlegen sie sich genau, wie aggressiv das Licht ist, wie kräftig die Strahler strahlen, und wann man sie wieder ausschaltet.
Sie spielen auch mit der Luftfeuchtigkeit, denn die Gelatine der Fotos kann Wasser aus der Luft binden und dann klebrig werden. Zudem zerfällt jedes organische Material, also auch ein Foto, unter Temperatureinfluss.
"Viele Farbfotografien werden inzwischen eingefroren, unter 0°C gelagert, weil man damit den Verfall der Farbstoffe wirklich sehr, sehr, sehr stark abbremsen kann. Bei Schwarz-Weiß-Fotografien, die nicht so temperaturempfindlich sind, hat man sich auf 18°C geeinigt, bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von circa 40-50 Prozent. Farbfotografien sind wirklich temperaturempfindlich und werden in der Regel stark abgekühlt."
Beim Einfrieren, so Martin Jürgens, besteht die Gefahr, dass sich in wasserhaltigen Suspensionen Eiskristalle bilden, die das Foto brüchig und beim Auftauen weichmachen. Aber offenbar ist es so: Die Fotogelatine enthält zwar Wasser, aber das Wasser ist weitgehend in organischen Molekülverbänden eingepackt, kann also nicht auskristallisieren.
"Es gab lange Zeit die Vermutung, dass das ein Problem sein könnte. Inzwischen ist man sich relativ einig, dass sich bei Fotografien beim Einfrieren keine Kristalle innerhalb der Emulsion bilden. Das hat sich jetzt über die Jahre, die wir Fotos einfrieren gezeigt, 15-20 Jahre, was im Bereich der Fotorestaurierung ein relativ langer Zeitraum ist."
"Langsam einfrieren ist nicht so wichtig; langsam auftauen, ist eine gute Idee. Man will auch vermeiden, dass sich an der Oberfläche Kondenswasser bildet. Dafür gibt es bestimmte Verpackungssystem, die wir benutzen, um genau dieses Problem zu vermeiden."
Weitere Informationen zum Thema:
Die Webseite von Martin Jürgens
Serie: Wissenschaftliche Aspekte der Fotografie
Martin Jürgens hat auch an den schwer zerstörten Papier-Archivalien des eingestürzten Kölner Stadtarchivs geforscht und sich dabei vorwiegend mit modernen Computerausdrucken beschäftigt - von Kontoauszügen bis Fotoprints. Hören Sie mehr darüber in einer der nächsten Sendungen von Forschung Aktuell.
Anlass zu dieser Serie ist die heute beginnende Photokina in Köln, die größte Fotomesse der Welt.