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Das Altern der Erde

Inzwischen scheint es Geologen zu gelingen, verschiedene Stadien der Erdentwicklung zu entschlüsseln. Den Forschern zufolge altert der Planet momentan. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls ein Aufsatz in der Fachzeitschrift "Geology".

Von Dagmar Röhrlich |
    Im Lauf ihrer 4,5 Milliarden Jahre langen Existenz hat sich die Erde verändert: Sie funktioniert heute anders als früher - "gemächlicher", wie es Martin van Kranendonk von der University of New South Wales in Sydney ausdrückt:

    "Analysiert man die weltweit zur Verfügung stehenden Informationen über die Frühzeit der Erde, scheint sich vor drei Milliarden Jahren ein fundamentaler Umschwung ereignet zu haben. Zuvor war der Erdmantel sehr heiß, und viele kräftige Strömungen wälzten ihn um. Die Erdkruste zerfiel dadurch in viele kleine Platten, die noch nicht sehr steif waren. Als der Planet abkühlte, veränderte er sich, und so finden wir inzwischen immer mehr Hinweise darauf, dass vor drei Milliarden Jahren die moderne Plattentektonik angesprungen sein könnte."

    Dabei führt die Erde ihre innere Hitze mit großräumigen Strömungen ab: Heißes Material steigt aus dem tiefen Erdmantel auf, wandert ein Stück die Oberfläche entlang, kühlt dabei ab und beginnt wieder zu sinken. Anders als die plastischen Mantelgesteine reagieren Gesteine der Erdkruste an der Oberfläche spröde. Die Kruste zerfällt deshalb in mehrere Platten, auf denen die Kontinente wie Schaumkronen schwimmen. Die Strömungen im Erdmantel ziehen diese Erdkrustenplatten mit sich und lassen so die Kontinente wandern:

    "Mit der modernen Plattentektonik begann eine Art Walzer der Kontinente, der sogenannte Superkontinentzyklus. Dabei fügt die Plattentektonik alle Kontinente zu einem einzigen zusammen, indem sie in den Kollisionszonen Gebirge auftürmt. Anschließend zerfällt dieser Superkontinent wieder, nur damit sich die Bruchstücke sozusagen am entgegengesetzten Ende der Welt erneut zusammenfinden. Die Zyklen dauern dabei rund 350 Millionen Jahre. Wir haben uns nun angeschaut, ob sich darin eine Entwicklung ablesen lässt."

    Dazu haben die Geowissenschaftler die geochemischen Fingerabdrücke von Zirkonen rund um die Welt untersucht:

    "Wir können anhand dieser geochemischen Fingerabdrücke in diesen Kristallen die tektonische Geschichte der Erde nachvollziehen. Danach erhöhte sich vor drei Milliarden Jahren ihre Aktivität: Die Kontinente begannen zu wachsen und der Superkontinentzyklus setzte ein. Vor einer Milliarde Jahren, als sich ein Superkontinent namens Rodinia bildete, erreichte die tektonische Aktivität ihren Höhepunkt, und seitdem zeigen die Daten einen langsamen Abfall."

    Vor einer Milliarde Jahren war der Erdmantel etwas heißer als heute, und damit arbeitete die Plattentektonik intensiver. Sie trieb die Erdkrustenplatten, die fast schon ihre moderne Größe erreicht hatten, schneller an: Damit waren die Kollisionen zwischen den Platten gewaltiger und auch die Gebirge, die dabei entstanden. Eines davon stellt alle anderen in den Schatten:

    "Vor rund einer Milliarde Jahren waren alle Parameter gerade richtig, und deshalb konnte das riesige Grenville-Gebirge entstehen. Alpen und Himalaja heute sind zusammen etwa 400 Kilometer breit und rund 8000 Kilometer lang. Das Grenville-Gebirge brachte es auf etwa 800 Kilometer Breite und rund 20.000 Kilometer Länge. Es war wohl das größte Gebirge, das es auf der Erde jemals gegeben hat."

    Die Teilstücke der Gebirge, die damals Rodinia entstehen ließen, finden sich heute auf allen Kontinenten: Sie stehen für den Höhepunkt der tektonischen Geschichte. Seitdem altert die Erde den geochemischen Daten zufolge:

    "Derzeit besteht die Erdoberfläche in zwölf großen Krustenplatten. Als die Erde jünger und heißer war, waren es mehr und kleinere Platten. Je mehr der Planet abkühlt, umso langsamer werden die Strömungswalzen im Inneren, desto weniger von ihnen gibt es und damit sinkt auch die Zahl der Erdkrustenplatten an der Oberfläche. Das ist ein Naturgesetz."

    Irgendwann in ferner Zukunft könnte die Erde sozusagen zur tektonischen Greisin werden und dem Einplattenplaneten Mars gleichen.