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Das Antidiskriminierungsgesetz in Frankreich

Was in Deutschland noch bevorsteht, ist in Frankreich bereits seit Jahren in Kraft: Im November 2001 verabschiedete das französische Parlament das nationale Gesetz zum Kampf gegen die Diskriminierung. Vor allem die bis dato unzureichenden rechtlichen Möglichkeiten, gegen Diskriminierung im Arbeitsalltag vorzugehen, sollten mit dem neuen Gesetz erweitert werden. Erfahrungen mit dem Antidiskriminierungsgesetz aus Frankreich.

Von Margit Hillmann |
    " Bei Renault befand sich ein hoher Angestellter nordafrikanischer Herkunft seit 15 Jahren blockiert in seiner Position und wurde nicht befördert. Er wurde vom Gericht als diskriminiert anerkannt und bekam eine entsprechende Gehaltsnachzahlung zugesprochen. Bei Bosch haben wir anhand von vergleichenden Studien festgestellt, dass auch dort Ausländer und Arbeitnehmer ausländischer Herkunft deutlich weniger befördert werden. Es läuft zurzeit eine Klage wegen rassistischer Diskriminierung."

    Monique Bossier, Spezialistin in Fragen von Diskriminierung und Gleichstellung beim größten französischen Gewerkschaftsbund, der CGT, hat mehr zu tun denn je. Seit dem 2001 verabschiedeten Antidiskriminierungsgesetz hat sich die Zahl der Dossiers wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz, die von der CGT bearbeitet werden, verfünffacht. Denn das neue Gesetz hat den Strafbestand der Diskriminierung ausdrücklich auch auf das französische Arbeitsrecht ausgeweitet und es verfeinert.

    Besonders wichtig an der neuen Gesetzgebung ist die Umkehr der Beweispflicht: Im Fall einer Klage muss der Unternehmer den Richtern glaubhaft machen, dass er nicht diskriminiert hat. Aus Sicht der französischen Gewerkschaften ein deutlicher Vorteil des neuen Antidiskriminierungsgesetz. Es ermutigt nicht nur betroffene Arbeitnehmer, sich zur Wehr zu setzen.

    Französische Unternehmen müssen sich nun endlich ernsthaft mit dem Vorwurf der Diskriminierung auseinandersetzen. Wollen sie keine kostspielige Klage und einen Imageverlust riskieren, müssen sie systematisch darauf achten, dass Arbeitnehmer in ihrem Betrieb nicht aufgrund ihrer Religion, gewerkschaftlichem Engagement, ihres Geschlechts, einer Behinderung oder ihrer Herkunft Nachteile erleiden. Diskriminierung als unternehmerisches Risiko - eine Sprache, die Unternehmer verstehen, davon ist CGT-Gewerkschafterin Monique Bossier nach gut drei Jahren Erfahrungen mit dem Gesetz überzeugt:

    " Wir haben den Eindruck, dass eine gewisse Sensibilisierung bei den Arbeitgebern einsetzt. Dass sie anerkennen - vor allem auch in Zeiten der Globalisierung und in Anbetracht der kulturellen Vielfalt der französischen Konsumenten - dass sich dies auch in ihren Unternehmen widerspiegeln sollte - und zwar auch in der Personalpolitik des Unternehmens."

    Anfängliche Bedenken des französischen Arbeitgeberverbandes MEDEF, insbesondere hinsichtlich der Beweislast, die seit dem Antidiskriminierungsgesetz beim Arbeitgeber liegt, haben sich gelegt. Außerdem: "Die Zahl der Klagen", so ein Pressesprecher des Unternehmerverbandes, "ist nicht in die Höhe geschnellt". Zwar sieht die MEDEF Diskriminierung am Arbeitsplatz in erster Linie als ein globales gesellschaftliches Problem und warnt davor, französische Unternehmer "zum Sündenbock abzustempeln".

    Die französischen Unternehmer fühlten sich aber dennoch in der Pflicht, ihren "Beitrag zum Kampf gegen die Diskriminierung zu erfüllen", heißt es bei der MEDEF. So zeichneten im vergangenen Oktober 40 der größten Unternehmen, darunter Renault, AXA, TOTAL, Peugeot und IBM, eine Charta zur personellen Vielfalt in französischen Unternehmen. Yazid Sabeg, erfolgreicher Chef eines französischen Informatikunternehmens und ebenfalls Unterzeichner der Charta:

    " Die Unternehmen müssen die Absicht deutlich machen, dass sie mit allen Menschen im Land arbeiten wollen - unabhängig von der Hautfarbe, dem Alter, dem Geschlecht und der Herkunft. Das ist eine Willensfrage, aber auch eine Frage der Disziplin. Die Charta für mehr Vielfalt und gegen Diskriminierung verpflichtet die Unterzeichner Chancengleichheit im Betrieb und bei der Vergabe von Stellen durchzusetzen und gegen diskriminierende Mechanismen im Betrieb abzuschaffen. Die Unternehmen erhalten Hilfe beim Definieren der langfristigen Ziele, und es werden Techniken vermittelt, die Personalvielfalt zu messen."

    Das Antidiskriminierungsgesetz hat in Frankreich weder für eine Schwemme von Klagen gesorgt, noch ist es zu einem Allheilmittel gegen Diskriminierung geworden. Doch war es ein Schritt in die richtige Richtung, das jedenfalls glaubt Gewerkschaftssprecherin, Monique Bossier:

    " Die allgemeine Stimmung in der Politik und auch bei den Unternehmern geht in Richtung mehr Chancengleichheit. Es wird anerkannt, dass es sie bisher nicht ausreichend gibt. Weder für Einwanderer oder deren Kinder noch für Frauen, die systematisch bei der Bezahlung und beim beruflichen Aufstieg diskriminiert werden. Doch seit ungefähr einem Jahr zeigt sich so etwas wie ein Wille zum Handeln. Wir sind dabei und werden Vorort gucken, wie wir als Gewerkschaft die Sache vorantreiben können. "

    Dass es voran geht im Kampf gegen die Diskriminierung, dafür soll in Zukunft auch eine nationale Anti-Diskriminierungsstelle sorgen. Am Mittwoch hat der französische Präsident, Jacques Chirac offiziell das zehnköpfige Gremium berufen. Ausgestattet mit einem Budget von knapp 11 Millionen Euro, wird die Behörde nun ihre Arbeit als Anlaufstelle für diskriminierte Bürger aufnehmen können, Missstände prüfen und gegebenenfalls die Justiz einschalten.