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Das "Art-Cologne-Gefühl"
"Sie können das Poster kaufen!"

Bringt das Superkunstjahr 2017 Spitzenumsätze für den Kunsthandel? "Documenta" in Kassel und Athen, Biennalen in Venedig und Istanbul, Skulpturprojekte in Münster, die "Art Cologne". Nie war Kunst so politisch, so global vernetzt, so interessant als Kapitalanlage. Und dabei so inflationär im Angebot: Wer soll das alles kaufen? Fragt sich Corso auf der "Art Cologne".

Von Peter Backof | 27.04.2017
    "Der Staat kann Leistungen kürzen, weil die Kunst so stark ist. New Labour, Life-Work-Balance, davon habt ihr doch immer geträumt!"
    Heißt es in der Gesellschaftssatire "Rheingold" von Jan Bonny und Alex Wissel in einem fiktiven Dialog zwischen dem skandalumwitterten Kunsthändler Helge Achenbach und Joseph Beuys. "Rheingold" wird als Off-Programm zur "Art Cologne" exklusiv im "Kölnischen Kunstverein" gezeigt.
    "Kann ich mit meiner Kunst etwas bewirken, das ist doch die Frage. Ist diese meine Kunst politisch relevant?"
    Visionär in Gedanken und selbstverliebt
    Klar doch, Herr Beuys, so wie auch ihr pop-dilettantischer Auftritt zu Zeiten der "Neuen Deutschen Welle" irgendwie politisch relevant war - und auch bezeichnend für das Rheinland: Visionär in Gedanken und dabei mächtig in sich selbst verliebt.
    Das muss man der "Art Cologne" lassen, die in diesen Tagen zum 51. Mal stattfindet; sie hat's erfunden: Mit Kunst Geld zu machen. Sehr viel Geld. Köln war - zu Beuys' Zeiten und, kölnisch gedacht, natürlich inklusive Düsseldorf - Weltkunsthauptstadt.
    Für den realen "Rheingold"-Protagonisten Helge Achenbach, dessen Justizfall diesen Sommer noch einmal aufgerollt werden soll, endete das Märchen als Zwangsversteigerung. Und auch aus Joseph Beuys' Vision, die Kunst solle demokratisch sein, von und für alle, ist leider nichts geworden. Die Art Cologne erreicht - effektiv und kontenwirksam - ein Publikum der Reichen bis Superreichen.
    Darüber gibt es auch nichts zu lästern: Mächtige Menschen umgeben sich seit Menschengedenken mit Artefakten. Isso. Die Frage ist auch eine andere. Auf offener Messeszene sagen nicht nur Künstler, von denen man das erwartet, sondern jetzt auch Kunsthändler, was 99 Prozent der Menschen vielleicht denken: Teure Kunst ist nicht gleich gute oder relevante Kunst.
    Was bietet die "Art Cologne" den Künstlern?
    "Ich gehe da überhaupt nicht gern hin. Auch nicht zum Gucken. Ich finde es total unangenehm. Nur diese Flaggschiff-Galerien können auf eine Wand mal ein Bild hängen. Ansonsten ist es zusammengequetscht. Es ist das Problem, dass erfolgreiche Kunst erfolgreich vermarktet ist. Aber nicht so gute Kunst ist."
    Simon Roth vom kleinen Kölner Non-Profit Kunstraum "Büro für Brauchbarkeit". Er bietet jungen Künstlern eine Plattform für ihre, vielleicht erste, Einzelausstellung. Wofür könnte man die "Art Cologne" als Künstler gebrauchen?
    Die einen gehen hin, um sich über Trends zu informieren. Die anderen, um zu sehen, was sie auf keinen Fall selber ins Werk setzen sollen. Und wieder andere, um sich zur global vernetzten Kunstszene rechnen zu können. So wie in "Rheingold".
    "Hey, irgendwann wird die Revolution gewonnen haben. Kunst kann so beflügelnd sein!"
    Das Problem: Köln ist ein Dorf
    Oder vielleicht, um den Kunst-Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen live und in echt irgendwie zu "supporten"? Das Problem dabei ist jedoch, dass Köln ein Dorf ist. Man kann sich das überbordende Programm in der Stadt rund um die "Art Cologne" fast schon erlaufen. Oder es zumindest mit Verkehrsmitteln im Nu erreichen.
    So trifft man auf und jenseits der Messe andere Kölner - Düsseldorf inklusive versteht sich natürlich wieder - und muss ineinander verliebt sein: Weil man sich im Leben ja immer zwei Mal sieht. Ein Ambiente also, gar nicht so "sophisticated" und anonym wie im versnobten Berlin?
    Nach dem Mauerfall war die "Art Cologne" in eine wirtschaftliche Krise geraten: Müsste man - so wie in Frankreich - nach der Hauptstadt schauen oder ganz global über den Tellerrand Richtung Basel, Indien, China? Nachfrage am Kölner Ebertplatz, so eine brutalistische Beton-Wüste. Nachkriegsarchitektur. Dort findet eine der größten Kunstpartys jenseits der "Art Cologne" statt.
    Ein Besucher: "Ich glaube, es gibt viele Beuys' und viele Richters."
    Und Deutschland ist polyzentrisch. In "Gold und Beton" und "Tiefgarage" auf diesem von Galerien und afrikanischen Geschäften okkupierten Platz, der für die bürgerliche Gesellschaft ein Unort ist, erinnert die Band des Japaners Taka Kagitomi aus Düsseldorf - also quasi Köln - an die legendären Can, an 68er Spirit und die Besetzung der Schokoladenfabrik Stollwerck 1980.
    Aber ist das nostalgisch und selbstverliebt? Na, vielleicht habe man gesellschaftlich immer noch die gleichen Probleme, sagen die - internationalen - Gäste. Und vor allem habe man nicht die Sorge exklusiver Kunsthändler, ob Berlin oder Köln der repräsentativere Standort für eine Kunstmesse sei.