" Zunächt waren wir als Agenten für die deutsche Firma tätig, um die deutschen Maschinen hier zu verkaufen. Das war von 1988 bis 1995. Dabei traten zwei gravierende Probleme auf. Erstens verminderten die hohen Produktionskosten der Maschinen in Deutschland den Umsatz in Indien. Die indischen Firmen konnten sich diese Maschinen einfach nicht leisten. Zweitens waren damals für die Abwicklung des Imports noch sehr umständliche bürokratische Verfahren notwendig... Und die von Deutschland importierten Maschinen waren sehr kompliziert und erforderten ständige Serviceleistungen vor Ort... Unter solchen Umständen wurden die deutschen Maschinen von der indischen Pharmaindustrie damals nicht akzeptiert. "
Weil der Umsatz ausblieb, schloss Dande mit dem deutschen Unternehmen ein Joint Venture. Es war der Weg frei für eigene Technologien , die sein Unternehmen entwickeln - und verkaufen durfte.
" Dadurch dass wir nun die Maschinen in Indien herstellten, konnten wir die Preise stark senken. Unsere Mitarbeiter wurden in Deutschland ausgebildet, so dass sie in der Lage waren, die Technologie in Indien selber herzustellen und auch neue Produkte selbstständig zu entwickeln. Wir konnten dann nicht nur in Indien hergestellte Maschinen zu angemessenen Preisen verkaufen, sondern auch zusätzliche in Deutschland hergestellte Maschinen, weil wir jetzt in der Lage waren, selbstständig auch den Service und die Betreuung vor Ort zu übernehmen... "
Damit sich die am Joint Venture beteiligten Firmen nicht als Konkurrenten empfinden, wurden die Märkte streng aufgeteilt: Die deutsche Firma verkauft ihre Produkte auf dem europäischen und amerikanischen Markt, während das indische Unternehmen seine Technologien auf dem asiatischen Markt anbieten darf und in einigen afrikanischen Entwicklungsländern wie Nigeria, Kenia, oder Ghana.
" Alle Geschäfte der Firma werden von diesem Ort aus überwacht. Dort sehen sie unser Laboratorium, wo die Kunden Proben unserer Produkte begutachten können. "
Rundgang durch die Fabrikation. Die hygienischen Richtlinien werden streng beachtet. Vom schmalen Gang zweigen großräumige Büros ab mit vielen Computertischen. An den Wänden Fotos der einzelnen Unternehmenszweige und von den in Deutschland entwickelten Maschinen. Und ein Gemälde des Gottes Ganesha.
" Der Gott Ganesha symbolisiert den Beginn erfolgreichen Handelns... So beginnt auch die Arbeit bei uns mit einer kleinen Zeremonie, die Ganesha gewidmet ist. Darum hängen Ganeshabilder an die Wand, weil er der Gott ist, der alle Hindernisse beseitigt. "
Gerade weil die kulturelle Tradition in Indien in der Regel in viel stärkerem Maße das alltägliche Leben bestimmt als in Europa, lässt sich die indische Kundschaft nicht so leicht durch Marketingstrategien zu einem neuen Lebensstil bekehren. Vaishali Karmarkar leitet ein Institut für interkulturelles Training in Bombay.
" Kellogs Cornflakes kam nach Indien mit ganz großer Hoffnung, dass sie uns umerziehen werden, dass (wir) stattdessen, was hier zur Grundnahrung beim Frühstück gehört, einfach mal aufgeben, und dass wir alle anfangen, Kellogs-Cornflakes mit Milch als Frühstück zu nehmen. Das geschieht nicht hier, was aber in China geschieht, was die Kleidung anbelangt, was Essgewohnheiten anbelangt, da haben die Chinesen unheimlich viel von westlichen Werten, Essgewohnheiten usw. übernommen. So ist es nicht in Indien.... Man kann nie davon ausgehen, dass die traditionelle Grundnahrung man dafür aufgeben würde, wenn jemand mir mit ganz toller Werbecampagne sagen würde: Kellogs-Cornflakes ist das richtige Frühstück für Indien. "
Hinter schwerem Glas abgeschirmt diskutieren Mitarbeiter mit Vertretern der indischen Filiale eines Schweizer Unternehmens- sie tragen Atemmasken.. Es sind potentielle Kunden, die die Funktion einer Maschine prüfen. Kleine Magensaft resistente Kügelchen sollen in einer Kapsel verschlossen werden. Computer kontrollieren einen vollautomatischen Produktionsvorgang. Die dafür notwendige Software wird von eigenen Mitarbeitern der Firma entwickelt. Jai Kumar, ein Betriebswirt, arbeitet acht Stunden täglich. Er hat aber nur jeden zweiten Samstag frei und nur acht bis neun Tage Ferien pro Jahr.
" Heute begann mein Arbeitstag um 9 Uhr. Zunächst musste die Papiere bearbeitet werden, die sich von den letzten Tagen angesammelt hatten. Alle Güter, die wir eingekauft haben, müssen verzeichnet werden... Von 1 bis 1.30 Uhr Mittagessen. Um 17.30 Uhr ist Feierabend. "
1991 nach dem Mord an Rajiv Gandhi lag die indische Wirtschaft am Boden. Der hochverschuldete indische Staatshaushalt drohte zu kollabieren. Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der Deutsch Indischen Handelskammer.
" Dadurch, dass die Sowjetunion auseinander gebrochen ist, ist der traditionelle Partner Indiens weggefallen. Und deshalb musste Indien liberalisieren, weil Indien ja damals kaum mehr Währungsreserven hatte und deshalb gezwungen war, sich dem Weltmarkt zu öffnen. "
Die Regierung reformierte das starre indische Wirtschaftssystem und privatisierte in den neunziger Jahren viele staatliche Unternehmen. Schritt für Schritt fielen die Kontrollen des Marktes.
" Die Liberalisierung ab 1991 hatten eine Steigerung des indischen Bruttosozialproduktes zur Folge. "
Murad Futehally, Geschäftsführender Direktor des deutsch-indischen Joint Ventures Eirich-Transweigh
" In den Siebziger und Achtziger Jahren hatte Indien ein durchschnittliches Wachstum von 2 bis 3 Prozent jährlich ... Heute haben wir ein Wachstum zwischen 7 und 8 Prozent. Mit dem kontinuierlichem Fortschreiten der Reformen erwarten wir, dass sich das Wachstum in den folgenden Jahren auf 8 bis 9 Prozent wird steigern können. "
Bis Mitte der 90er Jahre hatte die säkular und sozial-liberal orientierte Kongresspartei die Politik des Landes bestimmt. Weil die von der Kongresspartei angestoßene Liberalisierung auch mit sozialen Härten verbunden war, kam es 1998 zu einem Machtwechsel. Die konservative Bharatiya Janata Party (BJP) konnte mit nationalistischen Parolen die Vorherrschaft der Kongresspartei brechen. Ihre pro-hinduistisch ausgerichtete Politik stand im Zeichen der fremdenfeindlichen Hindutva-Bewegung. Diese kämpft - mit Hilfe paramilitärischer Gruppen - für die Hinduisierung Indiens und somit für die Vertreibung der muslimischen und christlichen Bevölkerung. Entgegen aller Erwartungen setzte aber der neue Ministerpräsident Atil Bihari Vajpayee die Liberalisierungspolitik fort. Kunal Kumar Kundu.
" Die BJP hat natürlich Berührungen zum Hindunationalismus, aber es gibt in dieser Partei auch viele gemäßigte, liberal denkende wirtschaftsfreundliche Abgeordnete. "
Kúnal Kúmar Kúndu, Wirtschaftsexperte der Deutsch-Indischen Handelskammer Bombay.
" Man sollte den Hindunationalismus nicht in einer undifferenzierten Weise gleich mit der BJP in Verbindung bringen... Wenn es z.B. um die muslimische Minderheit geht, muss man bedenken, dass die Muslime von der BJP auch als potentielle Wähler beworben werden... 38:48ff Zur BJP gehören auch hochrangige Intellektuelle, die sich um das Land und auch um die Wirtschaft kümmern nicht nur für eine besondere Religion. "
Über die Wirtschaftsreformen der national-liberalen BJP-Regierung heißt es in einem von Süd-Asien Online veröffentlichten Artikel:
" Unter Vajpayee wurde die protektionistische Haltung im Außenhandel weiter gelockert. Dazu zählten Deregulierungen und Entbürokratisierungen auf Verwaltungsseite sowie verschiedene Exportförderungsmaßnahmen. 1999 wurden Importbeschränkungen für 894 verschiedene Produktgruppen fallengelassen, hinzu kamen 414 Warengruppen, für die das Importverbot durch ein Lizenzierungsverfahren ersetzt wurde. "
Vom anhaltend hohen Wirtschaftswachstum beflügelt glaubte Ministerpräsident Vajpayee auch noch im April 2004, die Parlamentswahlen siegreich bestehen zu können. Doch ein Großteil der Bevölkerung, der nicht vom Boom der vergangenen Jahre profitiert hatte, bewertete seinen Wahlslogan "Shining India" - "Glänzendes Indien" - skeptisch. Sonia Gandhi verhalf der Kongresspartei und ihren Koalitionspartnern zu einem sensationellen Sieg. Da die neue Regierung der Vereinten Progressiven Allianz auch auf die Unterstützung der Kommunisten angewiesen ist, stürzte der Börsenindex zunächst 10 Prozent ab, bis er sich dann wieder beruhigte und in diesem Jahr neue Rekordmarken erreichte. Und so hat das Land aktuell die besten Voraussetzungen für seinen Wirtschaftsgipfel, der heute in Neu Dehlhi beginnt….
" In der indischen Wirtschaft stellen wir einen Paradigmensprung fest: "
Kúnal Kúmar Kúndu, Wirtschaftsexperte der Deutsch-Indischen Handelskammer Bombay.
" Die indische Wirtschaft ist stark. Die Binnennachfrage nimmt zu. Die indische Industriekapazität ist ebenfalls stark. Diese Entwicklung der indischen Wirtschaft hat die Welt inzwischen positiv zur Kenntnis genommen. Viele ausländische Unternehmen investieren in Indien, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, können sie doch hier ihre Kosten reduzieren. Es besteht ein großer Bedarf, Stellen nach Indien zu verlagern... Denn es ist viel wirtschaftlicher, in Indien zu produzieren und dann die Güter in die ganze Welt zu verkaufen. "
Die Wirtschaftsdaten des Subkontinents mit gut einer 1,1 Milliarden Einwohnern sprechen für sich: 10,4 Prozent ist die Wirtschaft im letzten Quartal 2004 gewachsen. Das indische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug im letzten Jahr 479 US-Dollar mit steigender Tendenz. Das ist ungefähr ein Viertel vom deutschen Bruttoinlandsprodukt. Damit steht Indien erst am Anfang einer enormen Wachstumsgeschichte. Im aktuellen Wirtschaftsjahr 2005, das am 31. 3 . zu Ende ging, hatte Indien ein Wachstum von ca. sieben Prozent. Nur die Industrie für sich betrachtet konnte sogar um 8,5 Prozent zulegen. Mit ca. 5 Prozent ist die Inflationsrate in Indien auf einem historisch niedrigem Stand. Auch die Zinsen liegen historisch tief. Das fördert die Kreditnachfrage und damit den Konsum. Da sich das dienstleistende Gewerbe im geburtenfreundlichen Subkontinent sehr stark entwickelt, werden heute viel mehr junge Leute beschäftigt als früher. Kunal Kumar Kundu.
" Es handelt sich dabei um eine sehr konsumfreundliche Klientel... Sie sind oft nicht verheiratet, haben keine finanziellen Verpflichtungen und sind deshalb bereit, ihr Geld in den Konsum zu stecken... Die Banken bedienen die wachsenden Konsumbedürfnisse mit Krediten zu niedrigen Zinsen, woraus sich eine boomende Inlandsnachfrage ergibt... Und das ist für die indische Wirtschaft natürlich insgesamt sehr vorteilhaft. "
Im Sommer dieses Jahres rief Indiens Finanzminister Palániappan Chidámbaram den deutschen Mittelstand zu Investitionen in Indien auf.
Konzerne wie Bosch, SAP oder Siemens haben ihre Präsenz in Indien stark ausgeweitet, doch der deutsche Mittelstand erkennt seine Chancen noch nicht - so hieß es von oberster Regierungsstelle:. Um Kosten zu senken, neue Märkte zu erobern und mit ihren Wettbewerbern mitzuhalten, sollten viel mehr Mittelständler Indien zum Produktionszentrum ausbauen.
Kunal Kumar Kundu, Wirtschaftsexperte der Deutsch Indischen Handelskammer.
"Die deutsche Wirtschaft gehört zu den teuersten in der Welt. Wenn man sich die sozialen Abgaben anschaut, machen sie einen großen Teil der Arbeitskosten aus. Steuern, insbesondere Unternehmenssteuern sind in Deutschland immer noch recht hoch. Dann gibt es in Deutschland das Gesetz von der begrenzten Arbeitszeit pro Woche. Keiner will darüberhinaus mehr arbeiten. Das sind keine besonders flexiblen Produktions-Bedingungen... Dazu kommt in Deutschland dann noch das Problem der immer älter werdenden Bevölkerung. Es gibt immer weniger Menschen, die im Berufsleben stehen. "
Besteht demnach für deutsche Unternehmen nur noch die Alternative: Entweder wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit und zu hoher Arbeitskosten in Deutschland Konkurs anzumelden oder aber durch Verlagerung von Produktionsstätten in Deutschland zumindest einen kleinen Verwaltungskopf zu retten? Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der Deutsch Indischen Handelskammer, bemüht sich um eine optimistische Darstellung des Outsourcings.
" Wenn deutsche Firmen - und Deutschland ist ja noch immer der Exportweltmeister - sich nicht um die ausländischen Märkte kümmern, wo ihre Waren dann hinexportiert werden sollen, dann verlieren wir in Deutschland Arbeitsplätze. Insofern ist das Engagement deutscher Firmen und auch das Engagement deutscher Politiker für deutsche Firmen im Ausland existentiell für die deutschen Unternehmen. "
Trotz aller Vorteile, die Indien dem deutschen Investor bietet, sind nach wie vor einige Probleme ungelöst. Kunal Kumar Kundu.
" Die Verbesserung der indischen Infrastruktur gehört zu den wichtigsten Problemen, die gelöst werden müssen. Ich meine die physische Infrastruktur: Straßen, Eisenbahn, Schifffahrt. All das befindet sich in einem schlechten Zustand. 28:20 Auch die Finanzen der indischen Regierung sind nicht in einer guten Verfassung... Es gibt keine zusätzlichen Fonds, mit denen die Regierung die Verbesserung der Infrastruktur bezahlen könnte... Darüber hinaus haben wir in Indien das Problem: Wenn man 100 Rupien ausgibt für soziale Belange, kommen nur maximal 10 bis 15 Prozent an. Dabei geht es nicht nur um Korruption, sondern um die Gebühren für den weit gefächerten Verwaltungsapparat. "
Trotz dieser Schwierigkeiten überwiegen die guten Gründe für ein Investment in Indien, meint Kunal Kumar Kundu. Im Unterschied zu den meisten anderen asiatischen Ländern ist in Indien Englisch die offizielle Handelssprache. Indien verfügt über einen starken konsumfreudigen Mittelstand. Das indische Rechtssystem ist dem deutschen sehr ähnlich. Und die indischen Arbeitskräfte sind hoch motiviert, teamfähig und haben in der Regel eine exzellente Ausbildung genossen. Und damit kommt er auf, der Wettstreit der beiden asiatischen Wirtschaftsriesen. Kundu beschreibt, warum Indien gegenüber China die Nase vorn hat trotz höherer Löhne:
" Die Produktionskosten in Indien sind möglicherweise nicht so gering wie in China. Arbeiter, die mechanische Arbeiten verrichten, sind in China billiger als in Indien. Wenn es aber darum geht, Produkte herzustellen, die auch intellektuelle Fähigkeiten erfordern, ist Indien das Land überhaupt. Hier kann man mit geringen Mitteln hochwertige Produkte erstellen und das viel leichter als in China.... Dass Indien über herausragendes intellektuelles Humankapital verfügt, wurde ja bereits erkannt und das zu einem bezahlbaren Preis. "
"Indien und China werden im Jahre 2015 Deutschland in punkto Wirtschaftskraft hinter sich gelassen haben", prognostizierte kürzlich John Stopford, Professor der London Business School..
Heute boomt die indische Wirtschaft auf allen Ebenen. Deutsche Unternehmen wollen an diesem Boom teilhaben. Im Jahr 2003 durchbrach der deutsch-indische Handel die Schallmauer von 5 Mrd. Euro. Allerdings macht der Austausch mit Indien bislang erst ca. ein Prozent des deutschen Außenhandels aus.
Weil der Umsatz ausblieb, schloss Dande mit dem deutschen Unternehmen ein Joint Venture. Es war der Weg frei für eigene Technologien , die sein Unternehmen entwickeln - und verkaufen durfte.
" Dadurch dass wir nun die Maschinen in Indien herstellten, konnten wir die Preise stark senken. Unsere Mitarbeiter wurden in Deutschland ausgebildet, so dass sie in der Lage waren, die Technologie in Indien selber herzustellen und auch neue Produkte selbstständig zu entwickeln. Wir konnten dann nicht nur in Indien hergestellte Maschinen zu angemessenen Preisen verkaufen, sondern auch zusätzliche in Deutschland hergestellte Maschinen, weil wir jetzt in der Lage waren, selbstständig auch den Service und die Betreuung vor Ort zu übernehmen... "
Damit sich die am Joint Venture beteiligten Firmen nicht als Konkurrenten empfinden, wurden die Märkte streng aufgeteilt: Die deutsche Firma verkauft ihre Produkte auf dem europäischen und amerikanischen Markt, während das indische Unternehmen seine Technologien auf dem asiatischen Markt anbieten darf und in einigen afrikanischen Entwicklungsländern wie Nigeria, Kenia, oder Ghana.
" Alle Geschäfte der Firma werden von diesem Ort aus überwacht. Dort sehen sie unser Laboratorium, wo die Kunden Proben unserer Produkte begutachten können. "
Rundgang durch die Fabrikation. Die hygienischen Richtlinien werden streng beachtet. Vom schmalen Gang zweigen großräumige Büros ab mit vielen Computertischen. An den Wänden Fotos der einzelnen Unternehmenszweige und von den in Deutschland entwickelten Maschinen. Und ein Gemälde des Gottes Ganesha.
" Der Gott Ganesha symbolisiert den Beginn erfolgreichen Handelns... So beginnt auch die Arbeit bei uns mit einer kleinen Zeremonie, die Ganesha gewidmet ist. Darum hängen Ganeshabilder an die Wand, weil er der Gott ist, der alle Hindernisse beseitigt. "
Gerade weil die kulturelle Tradition in Indien in der Regel in viel stärkerem Maße das alltägliche Leben bestimmt als in Europa, lässt sich die indische Kundschaft nicht so leicht durch Marketingstrategien zu einem neuen Lebensstil bekehren. Vaishali Karmarkar leitet ein Institut für interkulturelles Training in Bombay.
" Kellogs Cornflakes kam nach Indien mit ganz großer Hoffnung, dass sie uns umerziehen werden, dass (wir) stattdessen, was hier zur Grundnahrung beim Frühstück gehört, einfach mal aufgeben, und dass wir alle anfangen, Kellogs-Cornflakes mit Milch als Frühstück zu nehmen. Das geschieht nicht hier, was aber in China geschieht, was die Kleidung anbelangt, was Essgewohnheiten anbelangt, da haben die Chinesen unheimlich viel von westlichen Werten, Essgewohnheiten usw. übernommen. So ist es nicht in Indien.... Man kann nie davon ausgehen, dass die traditionelle Grundnahrung man dafür aufgeben würde, wenn jemand mir mit ganz toller Werbecampagne sagen würde: Kellogs-Cornflakes ist das richtige Frühstück für Indien. "
Hinter schwerem Glas abgeschirmt diskutieren Mitarbeiter mit Vertretern der indischen Filiale eines Schweizer Unternehmens- sie tragen Atemmasken.. Es sind potentielle Kunden, die die Funktion einer Maschine prüfen. Kleine Magensaft resistente Kügelchen sollen in einer Kapsel verschlossen werden. Computer kontrollieren einen vollautomatischen Produktionsvorgang. Die dafür notwendige Software wird von eigenen Mitarbeitern der Firma entwickelt. Jai Kumar, ein Betriebswirt, arbeitet acht Stunden täglich. Er hat aber nur jeden zweiten Samstag frei und nur acht bis neun Tage Ferien pro Jahr.
" Heute begann mein Arbeitstag um 9 Uhr. Zunächst musste die Papiere bearbeitet werden, die sich von den letzten Tagen angesammelt hatten. Alle Güter, die wir eingekauft haben, müssen verzeichnet werden... Von 1 bis 1.30 Uhr Mittagessen. Um 17.30 Uhr ist Feierabend. "
1991 nach dem Mord an Rajiv Gandhi lag die indische Wirtschaft am Boden. Der hochverschuldete indische Staatshaushalt drohte zu kollabieren. Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der Deutsch Indischen Handelskammer.
" Dadurch, dass die Sowjetunion auseinander gebrochen ist, ist der traditionelle Partner Indiens weggefallen. Und deshalb musste Indien liberalisieren, weil Indien ja damals kaum mehr Währungsreserven hatte und deshalb gezwungen war, sich dem Weltmarkt zu öffnen. "
Die Regierung reformierte das starre indische Wirtschaftssystem und privatisierte in den neunziger Jahren viele staatliche Unternehmen. Schritt für Schritt fielen die Kontrollen des Marktes.
" Die Liberalisierung ab 1991 hatten eine Steigerung des indischen Bruttosozialproduktes zur Folge. "
Murad Futehally, Geschäftsführender Direktor des deutsch-indischen Joint Ventures Eirich-Transweigh
" In den Siebziger und Achtziger Jahren hatte Indien ein durchschnittliches Wachstum von 2 bis 3 Prozent jährlich ... Heute haben wir ein Wachstum zwischen 7 und 8 Prozent. Mit dem kontinuierlichem Fortschreiten der Reformen erwarten wir, dass sich das Wachstum in den folgenden Jahren auf 8 bis 9 Prozent wird steigern können. "
Bis Mitte der 90er Jahre hatte die säkular und sozial-liberal orientierte Kongresspartei die Politik des Landes bestimmt. Weil die von der Kongresspartei angestoßene Liberalisierung auch mit sozialen Härten verbunden war, kam es 1998 zu einem Machtwechsel. Die konservative Bharatiya Janata Party (BJP) konnte mit nationalistischen Parolen die Vorherrschaft der Kongresspartei brechen. Ihre pro-hinduistisch ausgerichtete Politik stand im Zeichen der fremdenfeindlichen Hindutva-Bewegung. Diese kämpft - mit Hilfe paramilitärischer Gruppen - für die Hinduisierung Indiens und somit für die Vertreibung der muslimischen und christlichen Bevölkerung. Entgegen aller Erwartungen setzte aber der neue Ministerpräsident Atil Bihari Vajpayee die Liberalisierungspolitik fort. Kunal Kumar Kundu.
" Die BJP hat natürlich Berührungen zum Hindunationalismus, aber es gibt in dieser Partei auch viele gemäßigte, liberal denkende wirtschaftsfreundliche Abgeordnete. "
Kúnal Kúmar Kúndu, Wirtschaftsexperte der Deutsch-Indischen Handelskammer Bombay.
" Man sollte den Hindunationalismus nicht in einer undifferenzierten Weise gleich mit der BJP in Verbindung bringen... Wenn es z.B. um die muslimische Minderheit geht, muss man bedenken, dass die Muslime von der BJP auch als potentielle Wähler beworben werden... 38:48ff Zur BJP gehören auch hochrangige Intellektuelle, die sich um das Land und auch um die Wirtschaft kümmern nicht nur für eine besondere Religion. "
Über die Wirtschaftsreformen der national-liberalen BJP-Regierung heißt es in einem von Süd-Asien Online veröffentlichten Artikel:
" Unter Vajpayee wurde die protektionistische Haltung im Außenhandel weiter gelockert. Dazu zählten Deregulierungen und Entbürokratisierungen auf Verwaltungsseite sowie verschiedene Exportförderungsmaßnahmen. 1999 wurden Importbeschränkungen für 894 verschiedene Produktgruppen fallengelassen, hinzu kamen 414 Warengruppen, für die das Importverbot durch ein Lizenzierungsverfahren ersetzt wurde. "
Vom anhaltend hohen Wirtschaftswachstum beflügelt glaubte Ministerpräsident Vajpayee auch noch im April 2004, die Parlamentswahlen siegreich bestehen zu können. Doch ein Großteil der Bevölkerung, der nicht vom Boom der vergangenen Jahre profitiert hatte, bewertete seinen Wahlslogan "Shining India" - "Glänzendes Indien" - skeptisch. Sonia Gandhi verhalf der Kongresspartei und ihren Koalitionspartnern zu einem sensationellen Sieg. Da die neue Regierung der Vereinten Progressiven Allianz auch auf die Unterstützung der Kommunisten angewiesen ist, stürzte der Börsenindex zunächst 10 Prozent ab, bis er sich dann wieder beruhigte und in diesem Jahr neue Rekordmarken erreichte. Und so hat das Land aktuell die besten Voraussetzungen für seinen Wirtschaftsgipfel, der heute in Neu Dehlhi beginnt….
" In der indischen Wirtschaft stellen wir einen Paradigmensprung fest: "
Kúnal Kúmar Kúndu, Wirtschaftsexperte der Deutsch-Indischen Handelskammer Bombay.
" Die indische Wirtschaft ist stark. Die Binnennachfrage nimmt zu. Die indische Industriekapazität ist ebenfalls stark. Diese Entwicklung der indischen Wirtschaft hat die Welt inzwischen positiv zur Kenntnis genommen. Viele ausländische Unternehmen investieren in Indien, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, können sie doch hier ihre Kosten reduzieren. Es besteht ein großer Bedarf, Stellen nach Indien zu verlagern... Denn es ist viel wirtschaftlicher, in Indien zu produzieren und dann die Güter in die ganze Welt zu verkaufen. "
Die Wirtschaftsdaten des Subkontinents mit gut einer 1,1 Milliarden Einwohnern sprechen für sich: 10,4 Prozent ist die Wirtschaft im letzten Quartal 2004 gewachsen. Das indische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug im letzten Jahr 479 US-Dollar mit steigender Tendenz. Das ist ungefähr ein Viertel vom deutschen Bruttoinlandsprodukt. Damit steht Indien erst am Anfang einer enormen Wachstumsgeschichte. Im aktuellen Wirtschaftsjahr 2005, das am 31. 3 . zu Ende ging, hatte Indien ein Wachstum von ca. sieben Prozent. Nur die Industrie für sich betrachtet konnte sogar um 8,5 Prozent zulegen. Mit ca. 5 Prozent ist die Inflationsrate in Indien auf einem historisch niedrigem Stand. Auch die Zinsen liegen historisch tief. Das fördert die Kreditnachfrage und damit den Konsum. Da sich das dienstleistende Gewerbe im geburtenfreundlichen Subkontinent sehr stark entwickelt, werden heute viel mehr junge Leute beschäftigt als früher. Kunal Kumar Kundu.
" Es handelt sich dabei um eine sehr konsumfreundliche Klientel... Sie sind oft nicht verheiratet, haben keine finanziellen Verpflichtungen und sind deshalb bereit, ihr Geld in den Konsum zu stecken... Die Banken bedienen die wachsenden Konsumbedürfnisse mit Krediten zu niedrigen Zinsen, woraus sich eine boomende Inlandsnachfrage ergibt... Und das ist für die indische Wirtschaft natürlich insgesamt sehr vorteilhaft. "
Im Sommer dieses Jahres rief Indiens Finanzminister Palániappan Chidámbaram den deutschen Mittelstand zu Investitionen in Indien auf.
Konzerne wie Bosch, SAP oder Siemens haben ihre Präsenz in Indien stark ausgeweitet, doch der deutsche Mittelstand erkennt seine Chancen noch nicht - so hieß es von oberster Regierungsstelle:. Um Kosten zu senken, neue Märkte zu erobern und mit ihren Wettbewerbern mitzuhalten, sollten viel mehr Mittelständler Indien zum Produktionszentrum ausbauen.
Kunal Kumar Kundu, Wirtschaftsexperte der Deutsch Indischen Handelskammer.
"Die deutsche Wirtschaft gehört zu den teuersten in der Welt. Wenn man sich die sozialen Abgaben anschaut, machen sie einen großen Teil der Arbeitskosten aus. Steuern, insbesondere Unternehmenssteuern sind in Deutschland immer noch recht hoch. Dann gibt es in Deutschland das Gesetz von der begrenzten Arbeitszeit pro Woche. Keiner will darüberhinaus mehr arbeiten. Das sind keine besonders flexiblen Produktions-Bedingungen... Dazu kommt in Deutschland dann noch das Problem der immer älter werdenden Bevölkerung. Es gibt immer weniger Menschen, die im Berufsleben stehen. "
Besteht demnach für deutsche Unternehmen nur noch die Alternative: Entweder wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit und zu hoher Arbeitskosten in Deutschland Konkurs anzumelden oder aber durch Verlagerung von Produktionsstätten in Deutschland zumindest einen kleinen Verwaltungskopf zu retten? Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der Deutsch Indischen Handelskammer, bemüht sich um eine optimistische Darstellung des Outsourcings.
" Wenn deutsche Firmen - und Deutschland ist ja noch immer der Exportweltmeister - sich nicht um die ausländischen Märkte kümmern, wo ihre Waren dann hinexportiert werden sollen, dann verlieren wir in Deutschland Arbeitsplätze. Insofern ist das Engagement deutscher Firmen und auch das Engagement deutscher Politiker für deutsche Firmen im Ausland existentiell für die deutschen Unternehmen. "
Trotz aller Vorteile, die Indien dem deutschen Investor bietet, sind nach wie vor einige Probleme ungelöst. Kunal Kumar Kundu.
" Die Verbesserung der indischen Infrastruktur gehört zu den wichtigsten Problemen, die gelöst werden müssen. Ich meine die physische Infrastruktur: Straßen, Eisenbahn, Schifffahrt. All das befindet sich in einem schlechten Zustand. 28:20 Auch die Finanzen der indischen Regierung sind nicht in einer guten Verfassung... Es gibt keine zusätzlichen Fonds, mit denen die Regierung die Verbesserung der Infrastruktur bezahlen könnte... Darüber hinaus haben wir in Indien das Problem: Wenn man 100 Rupien ausgibt für soziale Belange, kommen nur maximal 10 bis 15 Prozent an. Dabei geht es nicht nur um Korruption, sondern um die Gebühren für den weit gefächerten Verwaltungsapparat. "
Trotz dieser Schwierigkeiten überwiegen die guten Gründe für ein Investment in Indien, meint Kunal Kumar Kundu. Im Unterschied zu den meisten anderen asiatischen Ländern ist in Indien Englisch die offizielle Handelssprache. Indien verfügt über einen starken konsumfreudigen Mittelstand. Das indische Rechtssystem ist dem deutschen sehr ähnlich. Und die indischen Arbeitskräfte sind hoch motiviert, teamfähig und haben in der Regel eine exzellente Ausbildung genossen. Und damit kommt er auf, der Wettstreit der beiden asiatischen Wirtschaftsriesen. Kundu beschreibt, warum Indien gegenüber China die Nase vorn hat trotz höherer Löhne:
" Die Produktionskosten in Indien sind möglicherweise nicht so gering wie in China. Arbeiter, die mechanische Arbeiten verrichten, sind in China billiger als in Indien. Wenn es aber darum geht, Produkte herzustellen, die auch intellektuelle Fähigkeiten erfordern, ist Indien das Land überhaupt. Hier kann man mit geringen Mitteln hochwertige Produkte erstellen und das viel leichter als in China.... Dass Indien über herausragendes intellektuelles Humankapital verfügt, wurde ja bereits erkannt und das zu einem bezahlbaren Preis. "
"Indien und China werden im Jahre 2015 Deutschland in punkto Wirtschaftskraft hinter sich gelassen haben", prognostizierte kürzlich John Stopford, Professor der London Business School..
Heute boomt die indische Wirtschaft auf allen Ebenen. Deutsche Unternehmen wollen an diesem Boom teilhaben. Im Jahr 2003 durchbrach der deutsch-indische Handel die Schallmauer von 5 Mrd. Euro. Allerdings macht der Austausch mit Indien bislang erst ca. ein Prozent des deutschen Außenhandels aus.