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Das Babbeln der Fledermäuse

Biologie. - Fledermäuse lernen ihren hochfrequenten Gesang Silbe für Silbe von ihren Eltern. Das hat eine Biologin der Ulmer Universität bei Experimenten in Costa Rica herausgefunden. Beim Erlernen der Sangeskunst durch Imitation gibt es Parallelen zu Singvögeln, Walen und Delfinen.

Von Anita Schlesak | 23.12.2009
    Viele Monate liegt Mirjam Knörnschild mit dem Mikrofon auf der Lauer, um im Urwald von Costa Rica die Sozialgeräusche der Fledermäuse aufzunehmen. Da entdeckt sie plötzlich per Zufall, dass die Jungen gar keine vollständigen Melodien von sich geben, sondern nur eine Art tierisches Babbeln:

    "Die mischen in ihren Babbellautketten alles wild durcheinander und dann bildet sich erst am Ende eine Struktur. - Das war mal ein kurzer Ausschnitt aus dem Babbeln. Es ist von der Frequenz her ein bisschen nach unten verschoben, damit wir es gut hören können, aber der Eindruck von einem Vogel ist auf jeden Fall da."

    Draußen im Dschungel klingt es freilich weniger wie Vogelgezwitschern, sondern erst wenn die Biologin die Aufnahmen am Computer verlangsamt und daher auch tiefer und für unser menschliches Ohr besser hörbar macht. So erkennt man dann zum Beispiel Territorialgesänge:

    "Man muss es sich so vorstellen, wie die Singvögel, die morgens im Chor singen und ihren Nachbarn mitteilen: Hey, ich bin noch nicht gefressen worden, das Gebiet ist immer noch meins, kommt nicht näher. Und genauso machen es die Fledermäuse auch und signalisieren, dass der Platz besetzt ist."

    Solche Gesänge müssen die Fledermausjungs von ihrem Vater in den ersten Wochen Silbe für Silbe lernen. Vererbung ist nämlich ausgeschlossen, weil Fledermausweibchen in der Partnerwahl sehr frei sind:

    "Das heißt in größeren Kolonien durchaus sein, dass sie sich mit einem anderen Haremsmännchen verpaaren. Was wiederum für die Jungtiere heißt, dass der soziale Vater nicht unbedingt ihr genetischer Vater sein muss. Und wir konnten zeigen, dass sie immer den Gesang des Haremsmännchens zu interpretieren versuchen."

    Anfangs babbeln auch Fledermausmädchen munter mit, doch sie verlernen die Gesänge wieder, weil sie sie im weiblichen Dschungelalltag offenbar nicht brauchen. Im Tierreich ist es überhaupt eine Rarität, Laute zu imitieren. Von Papageien und Singvögeln mal abgesehen. Bei den Säugetieren kennt man gerade Wale, Delfine und Elefanten, die ähnlich wie wir Menschen sprechen lernen. Unsere nächsten Verwandten jedoch lernen im ganzen Leben lautlich nichts dazu:

    "Wenn man sich vorstellt, dass man 99 Prozent seiner DNA mit dem Schimpansen teilt, fragt man sich schon, warum kann der überhaupt keine Lautäußerungen lernen. Und sie sind - das fällt mir schwer, es zuzugeben, sicherlich intelligenter als Fledermäuse. Aber Fledermäuse können eben Laute imitieren und lernen und das ist aus vergleichender Hinsicht zum Beispiel mit dem menschlichen Spracherwerb sehr spannend."

    Weil Fledermausbabys wie wir sprechen lernen müssen, kann man künftig das tierische Modell des Spracherwerbs mit dem unsrigen vergleichen. Doch die Flattertiere in Mittelamerika sind auch aus anderem Grund höchst interessante Forschungsobjekte. Die Ulmer Professorin Elisabeth Kalko hat zum Beispiel die für unsere Ohren unhörbaren Echo-Ortungslaute untersucht. Damit können die nachtaktiven Fledermäuse im dunklen Dschungel die Umgebung absuchen und Hindernisse oder Beutetiere orten, eine wirklich einmalige Fähigkeit.

    "Das wären jetzt drei Echoortungslaute, und da muss man sich mal vorstellen, wie laut die sind, von der Dezibelzahl ist das vergleichbar mit einem startenden Düsenjet. Und wenn man sich vorstellt, dass das Fledermäuse hervorbringen, die gerade mal 5 Zentimeter groß sind, dann ist das schon erstaunlich."

    Wie laut die Jäger der Nacht sein können, das haben jüngst Intensitätsmessungen in den Tropen bewiesen - 140 Dezibel.
    Dennoch brauchen die Fledermausforscherinnen beim Feldversuch keinen Hörschutz. Die Echo-Ortung geschieht nämlich mit Ultraschall. Doch, wie schützen die Flattertiere ihre eigenen sensiblen Ohren ?

    "Was die Tiere machen, sie haben spezielle Mittelohrmuskulatur, die in dem Moment die Empfindlichkeit des Hörsystems herabsetzen. Die hören sozusagen kaum was, wenn sie einen Laut produzieren."
    Eine praktische Erfindung der Natur auch in der Menschenwelt, meint die Fledermausexpertin Mirjam Knörnschild und erklärt die überraschende Parallele zwischen Dschungel und Kinderzimmer:

    "Bei Babys ist das übrigens auch so, wenn die schreien, nehmen sie die gleichen Mittelohrmuskeln. Also, die hören auch wesentlich schlechter, wenn sie in voller Lautstärke brüllen! Die halten das gut aus!"