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Das bedrohte Paradies

Die Inseln der Seychellen sind durch Klimawandel und steigenden Meeresspiegel bedroht. Schon im Jahr 2100 könnten einige der Inseln nicht mehr bewohnbar sein.

Von Antje Diekhans und Andrea Rönsberg | 28.09.2013
    Das Boot pflügt durch den Indischen Ozean und nimmt Kurs auf die Seychellen-Insel Cousin. An Bord junge Leute in Tauchanzügen. Sie sind hier nicht wie viele im Urlaub, sondern sie machen bei einem ehrgeizigen Projekt mit. Die Korallen tief unten im Meer sollen nachgezüchtet werden.

    "Wir arbeiten jeden Tag daran seit zwei Jahren. Wir sind ein kleines Team – sechs, sieben Taucher."

    David Derand ist der älteste und Chef der sogenannten "Riff-Retter". Das Boot macht in Sichtweite der Insel fest, und alle bereiten sich auf ihren Tauchgang vor – hinab zum Garten unter Wasser.

    "”Es ist wie das Anlegen eines Waldes. An Land pflanzt man Bäume, wir züchten Korallen. Natürlich werden nicht alle überleben. Die müssen dann ersetzt werden.""

    Außer Druckluftflasche und Atemmaske gehören zur Ausrüstung harte und weiche Bürsten. Das Werkzeug der Riff-Retter.

    "”Wir haben zwei verschiedene Arten von Baumschulen unter Wasser. In einer wachsen die Korallen an Seilen. Die können leicht mit Zahnbürsten gereinigt werden. Dann gibt es noch Korallenschulen entlang von Netzen. Dort sind die Seile dicker, und wir benutzen Drahtbürsten. Wir beseitigen damit Schwämme oder auch Austern. Sie nehmen sonst den Korallen den Lebensraum und müssen darum regelmäßig entfernt werden.""

    Einer nach dem anderen lässt sich von der Bordwand gleiten. Die meisten der Riff-Retter sind junge Wissenschaftler. Sie haben Meeresbiologie oder Ozeankunde studiert. Außerdem haben sie viel Erfahrung im Tauchen. Heute werden sie bis auf acht Meter Tiefe runtergehen.

    Ein Großteil der Korallen vor den Seychellen wurde 1998 zerstört. Damals traf das Wetterphänomen "El Nino" die Inselgruppe und führte dazu, dass die Wassertemperatur stieg. Die Folge: eine Korallenbleiche. Der Vorsitzende der Umweltorganisation "Nature Seychelles", Nirmal Shah, erklärt, was das bedeutet.

    "Korallen leben in Symbiose oder in Partnerschaft mit Algen. So bekommen sie ihre Nahrung. Bei höheren Wassertemperaturen können aber die Algen nicht überleben. Die Korallen verlieren ihre Farbe, sie sind nicht mehr geschützt und sie sterben."

    15 Jahre nach der Bleiche hat sich die Unterwasserwelt vor einigen Seychellen-Inseln erholt. Rund um Cousin ist das nicht der Fall. Darum haben die Riff-Retter hier ihr Revier.

    "”Cousin wurde besonders stark getroffen. Warum ist das so? Weil hier die Korallen zuvor sehr geschützt waren. Darum reagierten sie sensibel. Als El Nino kam, sind alle Korallen gestorben. Wir bauen jetzt Riffe auf, von denen wir glauben, dass sie dem Klimawandel besser trotzen werden. Die Korallen, die wir züchten, sollen Bleichen überstehen.""

    Nirmal Shah setzt sich aber nicht nur für die Unterwasserwelt ein. Seine eigentliche Herzensangelegenheit ist die Insel selbst.

    Nach Cousin kommen wenige Touristen. Nur morgens werden kleine Gruppen herumgeführt. Ein Paradies vor allem für Vogelliebhaber. Denn hier können sie in aller Ruhe Arten beobachten, die es sonst kaum irgendwo auf der Welt gibt. Der Grund: Die natürlichen Feinde der Vögel wurden nach und nach von der Insel vertrieben.

    "Ratten sind gefährlich. Genauso wie Katzen. Auf Cousin gibt es sie darum nicht. Das hier war die erste Insel, auf der wir die Tierwelt wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt haben. Inzwischen haben wir das Projekt auf andere Inseln ausgedehnt. Weil die Feinde nicht mehr da sind, fürchten die Vögel nichts und nisten sogar am Boden."

    Vor knapp 50 Jahren gab es auf der Insel vor allem Kokosnuss-Plantagen. Ihr Ertrag war wichtiger als die Natur. Doch dann schlugen Tierschützer Alarm. Der Seychellen-Rohrsänger, der nur hier zu finden war, drohte auszusterben. Es gab nur noch etwa 30 Exemplare der Vögel. So wurde Cousin 1968 von einer Vogelschutz-Organisation erworben, um den seltenen Rohrsänger zu retten.

    "Es war das erste Mal, dass eine tropische Insel aufgekauft wurde, um eine Art zu retten. Heute sieht man hier keine Kokosnuss-Plantagen mehr, sondern einen natürlichen Wald. Die Bäume wurden nicht angepflanzt. Der Wald hat sich über mehr als 40 Jahre nach und nach erholt."

    Die Seychellen – das bedeutet eben nicht nur endlose Strände und türkisblaues Wasser. Sondern es gibt auch Wälder mit einzigartigen Pflanzen, deren sattes Grün im Sonnenschein leuchtet.

    Die deutsche Chefin der "Seychelles Island Foundation" geht durch einen Nationalpark auf der Insel Praslin. Das Vallée de Mai, wie dieses dicht bewachsene Tal heißt, ist Weltnaturerbe. Frauke Fleischer-Dogley macht hier mehrmals in der Woche einen Rundgang und ist jedes Mal wieder von der Schönheit der hoch aufschießenden Bäume überwältigt.

    "Es ist doch ein sehr, sehr besonderer Wald. Und wenn man sich dann überlegt, dass es diese Pflanzen – nicht so, wie sie hier stehen, aber als Art – schon zu den Zeiten der Dinosaurier gegeben hat, dann hat man schon sehr viel Respekt (…). Das erinnert einen an eine Kathedrale hier."

    Das Besondere in diesem Wald: Die Seychellen-Palme, die außer auf Praslin nur noch auf einer benachbarten Insel vorkommt. Sie bildet den größten Samen, den es im ganzen Pflanzenreich gibt. Ihre Früchte, die Coco de Mer, erinnern von der Form her an weibliche Hüften. Das regt bei vielen die Phantasie an, sagt Frauke Fleischer-Dogley.

    "Es gibt weibliche und männliche Bäume. Und dann wird man schon erinnert an den Menschen. Es dauert auch ungefähr neun Monate, bis das erste Blatt zu sehen ist. Und dann kann man sich drüber streiten, ab wann die Coco de Mer volljährig wird. Ob sie das wird mit 18 oder 21 oder 30 – also es hängt ganz vom Verhalten ab."

    Es heißt, dass die männlichen und weiblichen Palmen in stürmischen Nächten zueinanderfinden. Ihre Zeugen sind dann nur die anderen Pflanzen – und viele Vögel.

    "Da können wir gleich mit unserem Nationalvogel anfangen, das ist der schwarze Papagei – der gar nicht schwarz ist, sondern so schokoladenbraun. Und auch ganz schön viel Krach macht. Und dann haben wir den Bulbul, der kann einen richtig ausschimpfen, wenn man in den Wald kommt und in sein Revier sich bewegt. Ein ganz lustiger Vogel auch. Wir haben die Kolibris, die Sunbirds. Wir haben die pigeon hollandaise – deswegen weil die Farben der Taube an die holländische Fahne erinnern."

    Das Vallée de Mai umfasst nur knapp 20 Hektar und ist damit einer der kleinsten Nationalparks auf der Welt. Frauke Fleischer-Dogley wacht darüber, dass von diesem Schutzgebiet nichts verloren geht.

    "Eine ganz große Gefahr für die Inselwelt sind Pflanzen und Tiere, die von irgendwo anders eingeschleppt werden. Und die dann eben nicht dieses Inselleben teilen, so ganz gemütlich wachsen und sich viel Zeit nehmen beim Wachsen, sondern die dann ziemlich aggressiv Lebensräume übernehmen."

    Die andere Gefahr: Zu viele Besucher im Park, die sich nicht an die Vorschriften halten. Im Vallée de Mai wird ganz genau darauf geachtet, dass kein Müll liegen bleibt. Und, dass niemand auf der Jagd nach Souvenirs Coco de Mer von den Palmen reißt. Die Naturschützerin sagt, die Touristen werden gebraucht, um mit den Eintrittsgeldern den Wald erhalten zu können. Es muss nur alles im Rahmen bleiben. Am Tag gehen bisher etwa 150 Besucher durch das Vallée.

    "Wenn die 150 Leute am Tag ordentlich geführt sind und sich an die Regeln halten, die aufgestellt sind, ist das keine Gefahr für den Wald."

    Eine Balance zu finden zwischen Wirtschaftlichkeit und Naturschutz – das ist das Leitthema auch für die deutsche Parkchefin. Außer für das Vallée de Mai ist sie noch für das Aldabra-Atoll zuständig, das über 1.000 Kilometer von der Hauptinsel entfernt liegt und auf dem die weltgrößte Population von Riesenschildkröten zu finden ist. Frauke Fleischer-Dogley ist stolz darauf, dass die Eintrittsgelder komplett in diese beiden Projekte fließen.

    "Es ist eigentlich schon sehr beachtlich, dass die größte oder die wichtigste Touristenattraktion, die ein Land hat – ohne die Brust jetzt zu sehr schwellen zu lassen – wenn das ganze Einkommen dafür bereitgestellt wird, um in den Naturschutz wieder zu gehen, dann ist das schon sehr beachtlich, denke ich."

    Auf dem Gelände rund um das Fußballstadion auf der Hauptinsel Mahé findet eine Ausstellung statt. In einer großen Halle auf der einen Seite des Geländes haben die Reiseveranstalter und Fluggesellschaften ihre Stände aufgeschlagen. In kleinen Zelten auf der anderen Seite präsentieren sich die Umweltbehörden und Naturschutzorganisationen.

    Umweltminister Rolph Payet ist gekommen. Er schüttelt Hände und schaut sich Fotocollagen, Poster und Pappmaschee-Modelle an, die die verschiedensten Naturschutz-Projekte illustrieren.

    Auf den Seychellen gibt es zahlreiche Umweltgesetze. Rolph Payet muss dafür sorgen, dass sie auch eingehalten werden.

    "Als die ersten Siedler vor 250 Jahren hierher kamen, haben sie die Natur schon geschützt, weil sie sie so schön fanden. Es gab eine Art Erlass, dass die Meeresschildkröten und Küstengebiete erhalten werden sollten. Aber der Preis der wirtschaftlichen Entwicklung bestand darin, dass auch viel Natur zerstört worden ist. Und es ist nun mal so, dass solche Schäden an der Natur irreparabel sind. Deshalb haben wir seit den 70er-Jahren strenge Umweltgesetze verabschiedet."

    Mittlerweile ist das Recht der Seychellois auf eine saubere Umwelt auch durch die Verfassung garantiert. Über die Hälfte der Fläche des Landes steht unter Naturschutz. Doch die Regierung muss auch auf das Wirtschaftswachstum achten.

    "Es gibt schon einen gewissen Druck, denn wenn die Bevölkerung wächst, muss die Regierung Wohnungen bauen und Arbeitsplätze schaffen. Und da liegt das Problem."

    Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Seychellen: Wenn man alle damit verbundenen Dienstleistungen mitrechnet, trägt er zu über 50 Prozent des Bruttosozialprodukts des Inselstaats bei. Auf der Liste der Länder, deren Wirtschaft am meisten vom Tourismus abhängt, stehen die Seychellen damit an vierter Stelle - nach Macau, den Malediven und einer Antilleninsel. Doch der Umweltminister sagt, er setze sich dafür ein, dass der Ausbau des Tourismus nicht zwangsläufig auf Kosten der Natur gehe.

    "Indem wir Hotels bauen, schaffen wir Arbeitsplätze. Aber ich bringe die Hotels dazu, die Natur zu erhalten, alle Hotelprojekte machen da mit. Wir haben also hier eine wirtschaftliche Entwicklung im Dienste des Naturschutzes und der Umwelt – und nicht umgekehrt: Erst alles zerstören, um große Hotels zu bauen und dann versuchen, die Natur wiederherzustellen."

    Kritiker allerdings behaupten, dass genau das zurzeit auf den Seychellen passiert: Dass ausländischen Investoren gestattet wird, große Hotels zu bauen - ohne Rücksicht auf manche Bauvorschriften und ohne Rücksicht auf die Umwelt.

    Dabei hat die Regierung durchaus erkannt, dass die einzigartige Natur ihres Landes ein Gut ist, mit dem sie im internationalen Wettbewerb um Touristen punkten kann. So setzt die Tourismusbehörde mittlerweile verstärkt auf Marketing-Kampagnen, die eine umweltbewusste Klientel ansprechen sollen. Ein Instrument: Das "Seychelles Sustainable Tourism Label", das vergangenes Jahr eingeführt worden ist - ein Zertifikat, das besonders umweltbewusste Hotels auszeichnet, wie Philomena Hollanda von der Tourismusbehörde erklärt.

    "Das gesamte Tagesgeschäft muss ökologisch einwandfrei sein. Energie soll effizient genutzt, Regenwasser gesammelt und der Müll korrekt entsorgt werden. Wir ermuntern die Hotels aber auch, soziale Verantwortung zu übernehmen und der Gemeinschaft etwas zurückzugeben."

    "”Sehen Sie hier, das ist eine ganze dicke Mappe, das sind verschiedene Kriteria …""

    Hubert Habet ist der Geschäftsführer einer Apartmentanlage auf der Hauptinsel Mahé. Auf dem Dach eines kleinen Häuschens, das die Rezeption beherbergt, glänzen Solarmodule in der Sonne. Innen prangt das Siegel der Behörde, das bestätigt: Hier wird nachhaltiger Tourismus betrieben. Allerdings hat Hoteldirektor Manfred Heideking schon lange vor Einführung dieses Siegels auf Energieeffizienz geachtet.

    "Wie wir angefangen haben zu bauen, haben wir überlegt, wie man am besten Geld sparen kann. Und dann kam natürlich Solar für heißes Wasser, Beleuchtung. Nur energiesparende Lampen. Wassersparen durch spezielle Fittings in den Badezimmern, in den Duschen und Toiletten. Auch haben wir hier einen Wassertank unter mir von 30.000 Litern, der gespeist wird von Regenwasser und etwas von den einheimischen Wasserwerken."

    Doch damit steht er noch recht allein da. Auf den Seychellen haben sich bisher nur drei Hotelbetriebe erfolgreich dem Zertifizierungsprozess unterzogen und können sich jetzt mit dem Nachhaltigkeits-Label schmücken.

    Bis auf die Insel Desroches hat sich die Neuigkeit von dem Label noch nicht herumgesprochen. Über 200 Kilometer entfernt von der Hauptinsel liegt Desroches im Ozean, einmal am Tag bringt eine kleine Propellermaschine Gäste dahin.

    Ähnlich wie North Island, wo Prinz William mit seiner Kate und jüngst Prinzessin Madeleine von Schweden mit ihrem Mann die Flitterwochen verbracht haben, ist Desroches ein Ziel für Luxus-Urlauber. Hotelmanager Wicus Prinsloo sagt, dass die Wünsche der anspruchsvollen Kunden nicht auf Kosten der Umwelt gehen dürfen.

    "Manchmal wird Luxus ja auch von einer Prise Nonchalance begleitet, und der Naturschutz erscheint nicht so wichtig. Da ist dann das Hotel gefragt. Wir klären die Gäste über die Natur auf und erlauben manche Dinge einfach nicht. So mögen Luxustouristen ja gerne mit Jetskis um die Insel heizen, aber bei uns werden alle Motorsportaktivitäten von unseren Mitarbeitern begleitet, damit die Gäste sich nicht einfach ein Boot schnappen und dann die Korallen kaputtmachen."

    Die Übernachtungskosten starten bei 600 Euro für eine Person. Die Luxus-Suite kann für 12.000 Euro pro Nacht angemietet werden. Das können sich nur wenige leisten. Der Hotelmanager sagt aber, dass ein Teil der Einnahmen dafür genutzt wird, Projekte auf Desroches zu unterstützen.

    Zwei Naturschützer gehören neben den Hotelangestellten zu den einzigen Menschen, die das ganze Jahr über auf der Insel leben. Tony Jupiter und Rodney Maria arbeiten für die Island Conservation Society - eine Nichtregierungsorganisation, der vom Staat die Aufgabe übertragen worden ist, die Natur auf Desroches zu erhalten.

    "Wir begeben uns jetzt auf unsere Schildkröten-Patrouille. Gleichzeitig beobachten wir die Vögel, sowohl die Seevögel als auch die Küstenvögel."

    Mehrmals die Woche machen Rodney und Tony ihren Rundgang. Die Ausrüstung: ein Klemmbrett mit Formularen und Bleistiften. Außerdem Fernglas und GPS-Gerät.

    "Wir bestimmen mit dem GPS alle Schildkrötenspuren, die wir sehen, damit wir festhalten können, an welcher Stelle die Schildkröten an Land gekommen sind."

    Rodney und Tony wollen sich einen Überblick darüber verschaffen, wie viele Meeresschildkröten auf Desroches nisten. Denn Meeresschildkröten sind vom Aussterben bedroht – auch weil immer mehr Strände, an denen sie ihre Eier ablegen, über die Jahre für andere Zwecke erschlossen worden sind.

    "Das sind ganz frische Spuren von Grünen Meeresschildkröten. Zuerst notieren wir jetzt also Datum und Uhrzeit, dann bestimmen wir die genaue Position des Nests und notieren die Breite der Spur und ein paar andere Informationen."

    14 Kilometer gehen Tony und Rodney durch den Sand, über Algen und Gestein. Auch den Strand beobachten die Naturschützer genau.

    "Hier, dieser Teil des Strands ist abgetragen. Wir haben hier immer eine saisonale Verlagerung des Sands von einer Seite der Insel zu anderen. Der meiste Sand von dieser Seite ist also weggeschwemmt und auf der anderen Seite der Insel abgelagert worden. Aber wenn der Sand weggeschwemmt wird, nimmt er immer auch etwas von der Vegetation der Küste mit."

    Diese Sandbewegungen seien saisonal und zum Teil völlig normal, ergänzt Tony. Aber eben nur zum Teil:

    "Nun, ganz offensichtlich kommt zu diesen normalen Sandverlagerungen noch der Klimawandel hinzu, sodass anormal große Mengen an Sand verlagert werden. Und das macht uns Sorgen, denn wir haben in den letzten zwei, drei Jahren bemerkt, dass sich deutlich mehr Sand verlagert, als früher."

    Die Inseln ändern ihre Form, sagt er. Strandabschnitte gehen verloren. Ob solche Beobachtungen auch eine wissenschaftliche Grundlage haben, untersucht der Meteorologische Dienst auf der Hauptinsel Mahé.

    Die Station ist direkt am Flughafen untergebracht. Mit Blick auf die Landebahn und dahinter aufs Meer. Leiter Vincent Amelie hat sein Untersuchungsobjekt direkt vor Augen.

    "Wir haben hier noch keinen dramatischen Anstieg des Meeresspiegels beobachtet. Was wir wohl beobachtet haben ist, dass das Meer durchschnittlich um etwa 0,66 Zentimeter pro Jahr steigt. Aber das hat noch keine Auswirkungen auf unsere Küsten."

    Doch auch kleine Veränderungen sieht die Bevölkerung als Bedrohung. Schließlich sind die Küsten ihre Lebensgrundlage. Nicht nur wegen der Hotels in Strandnähe. Auch wer mit Fischfang sein Geld verdient, siedelt sich am Meer an. Die Dörfer sind vielleicht nicht in naher Zukunft gefährdet – aber wer weiter vorausdenkt, kann in Panik verfallen.

    "Wir befinden uns hier nur vier Meter über Normalnull. Den Vorhersagen zufolge wird der mittlere Meeresspiegel im Jahr 2100 damit etwa auf dieser Höhe sein. Es ist also durchaus vorstellbar, dass es im Jahr 2100 eine Sturmflut gibt, wir mehr oder weniger auf demselben Niveau sind wie der Meeresspiegel und dann richtig große Probleme bekommen."

    Einige der niedrig gelegenen Koralleninseln werden irgendwann untergehen. Hier siedelt kaum jemand, aber die Natur ist bedroht. Die größeren Granitinseln wie Mahé und Praslin bleiben nach Einschätzung der Wissenschaftler noch lange bestehen. Aber sie könnten unbewohnbar werden, wenn die Küstenregionen überschwemmt werden. Dem Meteorologen Vincent Amelie macht das Sorgen. Er analysiert: Wenn jetzt nicht bald weltweit eine Wende in der Klimapolitik gemacht wird, werden die Seychellen eines der Opfer der globalen Erwärmung sein. Der Inselstaat allein kann wenig tun, um die Entwicklung aufzuhalten.

    "”Wir selbst können nichts ändern, weil wir kaum Kohlendioxid ausstoßen. Bislang haben wir sogar mehr aufgenommen, als wir selber ausgestoßen haben! Aber bei Kohlendioxid ist es nun mal so: Was einmal in der Atmosphäre ist, bleibt bis zu 200 Jahre dort und kann nicht zurückgeholt werden. Deshalb sagen wir den großen Ländern, dass sie aufhören müssen, Kohlendioxid auszustoßen. Denn sonst wird es für kleine Inselstaaten wie die Seychellen keinen Ausweg geben, und der Klimawandel wird uns hart treffen.""

    Für die Naturschützer vor Cousin Island ist der drohende Klimawandel ein Grund, die mühsame Arbeit am Korallenriff weiterzuführen. Sie hoffen, dass die Unterwasserwelt bald wieder so aussehen wird wie vor El Nino und der folgenden Korallenbleiche. Aber das werden sie wohl erst in ein paar Jahren wissen, meint Riff-Retter David Derand.

    "”Um sagen zu können, ob wir Erfolg haben, müssen wir die Riffe zwei, drei oder vielleicht sogar fünf Jahre im Auge behalten. Dann können wir eine gute Einschätzung abgeben.""

    Doch er ist zuversichtlich – selbst wenn der Klimawandel zuschlägt. Schließlich züchten er und seine Kollegen Korallen heran, die auch die große Bleiche überlebt haben. Die neuen Riffe sollen auch verhindern, dass ein steigendes Meer den Strand wegschwemmt.

    "”Das Korallenriff fungiert ja auch als Wellenbrecher für den Strand. Es gibt hier auf Cousin zum Beispiel einen Strand, an dem Hunderte von Meeresschildkröten nisten. Wenn also ab einem gewissen Punkt das Riff zerstört ist und dadurch der Strand weggeschwemmt wird, dann haben die Meeresschildkröten ein Problem. Es hängt einfach alles zusammen: Es geht nicht nur um die Korallen, es geht auch um den Fisch, die Schildkröten, einfach um alles.""

    Ob unter Wasser oder an Land: Die Inselwelt der Seychellen ist einzigartig. Ein Paradies, das David Derand und seine Kollegen mit ganzem Einsatz erhalten wollen.

    "”Wir versuchen, der Natur zu helfen. Aber dann muss sie sich selbst weiter erholen.""