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Das Berliner Korrespondenten-Netzwerk N-Ost

Was man in deutschen Tageszeitungen über Länder in Mittel- und Osteuropa liest, kommt meist aus wenigen Hauptstädten, betrifft politische Krisen und Umbrüche, Katastrophen und Gewalt. Alltagsgeschichten dagegen bleiben auf der Strecke. Eine vielfältigere, breitere und bessere Osteuropa-Berichterstattung hat sich das Korrespondenten-Netzwerk N-Ost zum Ziel gesetzt, das seit gut einem Jahr ein Büro in Berlin hat.

Von Victoria Eglau |
    Die Idee für N-Ost kam von einer Gruppe deutscher Lektoren, die an Hochschulen in Mittel- und Osteuropa Deutsch unterrichten. Sie fanden, dass Realität und Alltag in ihren Gastländern sich in der Berichterstattung deutscher Zeitungen nicht widerspiegelt, und fassten den kühnen Vorsatz, dies zu ändern. Inzwischen umfasst das Korrespondenten-Netzwerk N-Ost rund hundert Mitglieder in mehr als 20 Ländern, darunter neben den journalistisch ambitionierten Uni-Lektoren längst auch viele hauptberufliche Schreiber. Koordiniert wird das Netzwerk von zwei Redakteuren im Berliner Büro, sie sorgen auch für die journalistische Qualitätskontrolle. Andreas Metz erklärt, warum N-Ost offen auch für nicht-ausgebildete Journalisten ist:

    " Wir arbeiten teilweise eben nicht mit diesen Profis zusammen, weil wir einfach jedes Land möglichst die wichtigsten Städte in diesem Netz vertreten haben wollen. Es ist nicht ganz einfach, in Albanien oder Mazedonien … Usbekistan fest ausgebildete Journalisten zu haben, die davon leben können. Das ist eben fast nicht zu leisten. Und gerade diese Lücken versuchen wir dadurch zu ergänzen, dadurch, dass wir Leute heranbilden, die journalistische Grunderfahrung haben, und denen auch Möglichkeiten zur Fortbildung geben, dass sie eben auf diese Qualitätsstufe gelangen, die wir verlangen."

    Auch osteuropäische Journalisten schreiben für N-Ost, ihre auf Deutsch verfassten Texte werden im Berliner Büro redigiert. N-Ost-Mitarbeiter sitzen in Warschau, Moskau oder Kiew, aber gerade auch in Orten fernab der Metropolen: in Kleinstädten und abgelegenen Gegenden. Dorthin verirren sich die Zeitungskorrespondenten aus den Hauptstädten seltener. Viele Zeitungen haben auch gar keine Korrespondenten in Mittel- und Osteuropa.

    "Also dort, wo Zeitungen gute Korrespondenten haben, finden wir das toll, und unterstützen das auch. Aber das sind eben die wenigsten Zeitungen. Und gerade den Zeitungen, die sich keine Korrespondenten leisten, die sich das vielleicht auch nicht unbedingt trauen für ihre Leser, denen wollen wir eben nen Angebot unterbreiten, und auch Mut machen. Und da sind wir ne sehr gute Ergänzung, gerade für mittelgroße und kleinere Zeitungen, dass die sich auf einmal plötzlich auch ein Interview mit Lech Walensa besorgen können, eben über uns. "

    Durchschnittlich vierzig Artikel versendet N-Ost monatlich über einen Verteiler. Durchschnittlich vierzig werden auch gedruckt – manche mehrmals, manche auch gar nicht. Bezahlt werden die Autoren direkt von den Abnehmern: Lokal- und Regionalzeitungen, aber gelegentlich auch überregionalen Blättern wie FAZ oder Frankfurter Rundschau. Die Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine" druckt regelmäßig Berichte von N-Ost, die Qualität sei anspruchsvoll oder zumindest zufrieden stellend, sagt der stellvertretende Chefredakteur Christian Böhme. Er schätzt vor allem die Möglichkeit, sich mit speziellen Themenwünschen an N-Ost zu wenden.

    " Ich hab den Leuten von N-Ost gesagt, super Angebot, find ich toll. Sagt Euren Korrespondenten, dass wir an jüdischen Themen interessiert sind. Und seitdem flutscht das auf gut deutsch. Die Korrespondenten sehen natürlich für sich auch ne Lücke, wo sie Themen unterbringen können. Nicht nur bei uns, Sie wissen, jüdische Themen gehen auch manchmal bei anderen Zeitungen, sie haben also die Möglichkeit der Zweit- und Drittverwertung. "

    Wenn N-Ost-Korrespondentin Alexandra Frank aus dem Baltikum berichtet, werden ihre Texte häufig von mehreren Zeitungen abgedruckt. Früher musste sie sich die Finger wund wählen, um ihre Texte möglichst vielen Redaktionen anzubieten. Durch N-Ost spart sie Zeit und Geld.

    "Es ist einfach viel einfacher, über N-Ost diesen Kundenstamm auszubauen. Also ich denke, alleine, vielleicht hätte ich auch irgendwann davon leben können, aber es wäre einfach viel langfristiger, viel mühseliger und mit mehr Frust verbunden. Weil, ich weiß einfach, dass es auch manchmal sehr schwierig ist, mit Redaktionen … wo man einfach zehnmal anrufen muss, und jedes Mal neu erklären muss, wer man ist. Und dafür ist N-Ost natürlich super, gerade wenn man schon mit anderen Korrespondenten aus dem Netzwerk zusammen gearbeitet hat, (…) dass ich dann gar nicht viel erklären muss. "

    Den freien Journalisten erleichtert es die Arbeit, unter dem Label N-Ost anzubieten, die Redaktionen profitieren von einer breiten Palette mittel- und osteuropäischer Themen. Das Netzwerk arbeitet nicht-kommerziell und wird von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert, mindestens noch bis Mitte nächsten Jahres. Wie es danach mit N-Ost weitergeht, darüber soll in den nächsten Monaten beraten werden.