Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv


Das Bild als Bühne

Das Salzburger Museum der Moderne beschäftigt sich in zwei Ausstellungen mit dem Thema Rollenspielen. Robert Wilson widmet sich in seinen Video Porträts der theatralischen Inszenierungen von Hollywoodstars wie Robert Downey Jr. oder Johnny Depp, während die Ausstellung "Rollenspiele - Rollenbilder" die Gesellschaft als Theater darstellt.

Von Karin Fischer | 31.08.2011
    Man muss nicht Johnny Depp heißen, um als Schauspieler in einem Museum zu landen. Schon im frühen 18. Jahrhundert verkörperte die damals bekannte Lady Hamilton auf Stichen Medea oder Kleopatra, und eine frivole Künstlergesellschaft machte das "Tableau vivant", das verlebendigte Gemälde, später zum beliebten Rollenspiel. Interessant an den zwei Salzburger Ausstellungen sind deshalb nicht so sehr die vielen Rollen-Bilder, sondern die Durchlässigkeit der zeitgenössischen Kunst für ihre eigene Geschichte. Robert Wilsons Video Porträts inszenieren Protagonisten der Popkultur nach älteren Vorbildern, Skulpturen ähnlich. Nur ein winziges Augenzwinkern verrät, dass wir es hier mit einem Film zu tun haben. Der Direktor des Museums, Toni Stooss:

    "Johnny Depp etwa wird porträtiert als Rrose Sélavy, eine Kunstfigur, eine Travestiefigur, die sich wiederum bezieht sich auf Marcel Duchamp, der sich in mehreren berühmten Fotos von Man Ray als Frau darstellen hat lassen mit dem Pseudonym Rrose Sélavy. Da wird praktisch ein Foto wiederum zum Tableau vivant, indem man es verlebendigt hat."

    Natürlich sind die Vorgänger-Inszenierungen, die Travestie Marcel Duchamps in den Aufnahmen von Man Ray, auch in Salzburg zu sehen.

    Künstler arbeiteten sich schon immer am Themenfeld von Identität oder Rollenbildern ab. Im kollektiven Gedächtnis verankerte Ikonen der Malerei spielen dabei eine besondere Rolle. Beispiel Abendmahl:

    "Nehmen Sie die neutestamentarischen Darstellungen von David LaChapelle, einem amerikanischen Camp- und Modefotografen, der eine Serie gemacht hat "Jesus is my homeboy", Jesus ist mein Kumpel, der das Abendmahl darstellt mit Jüngern aus der Hip-Hop-Szene, aber referiert auf die Abendmahlszehe des Renaissancekünstlers Leonardo da Vinci, die wir immer wieder erkennen in verschiedenen Bildwerken."

    Wobei Selbstironie ganz häufig mit Morbidität und Zerrissenheit verknüpft ist. Fred Holland Days Imitatio Christi mit Dornenkrone von 1898 war ein blasphemischer Affront, mit dem der Künstler aber auch auf seine Rolle als verspotteter Pionier der Fotografie anspielen wollte. Das Künstlerkollektiv G.R.A.M. stellt Fotos der jüngeren Zeitgeschichte nach: Das Bild vom Vietnamkämpfer, der in diesem Augenblick durch Kopfschuss getötet wird, oder der palästinensische Attentäter mit Maske auf einem Balkon im Olympiadorf München 1972.

    Direkt politisch wird es aber selten. Wenn in einer Videoinstallation U.S.-Soldaten am Computer Kriegsszenen im Irak simulieren, ist das nicht sehr viel mehr als der Blick in bislang verbotenes Gelände. Taryn Simons dagegen inszeniert in der Serie "The Innocents" vermeintliche Straftäter am vermeintlichen Ort der Tat. Fiktion und Wirklichkeit, Wahrheit und Täuschung verschwimmen, doch die Kunst wird Teil des Wiedergutmachungsprozesses: Reenactment.

    Die Doppelbödigkeit all dieser Inszenierungen, ihre Aufladung mit vielfacher Bedeutung, die Mehrfach-Überblendung ist Prinzip der ausgestellten Kunst wie der gesamten Ausstellung.

    "Eine sehr wichtige Figur in unserer Ausstellung ist Cindy Sherman mit ihrer Reihe der "Untitled Film Stills", wo sie Hollywoodszenen nachahmt und sich selbst in verschiedenen Rollen porträtiert. Dann die polnische Künstlerin Aneta Grzeszykowska, die diese Filmstills aus den 70er-Jahren später nachahmt, als Farbfotos, als sich selbst darstellende Cindy Sherman, also eine doppelte Paraphrase; und dann Slawomir Elsner, der wiederum die Szenen nachzeichnet, aber die Protagonistinnen weglässt und nur noch die Staffage bringt."

    Fast wie ein billiger Abklatsch dieser Kunst- und Identitätsdiskussion sehen dagegen die Verdoppelungen aus, die das Internetzeitalter bietet: Die chinesische Künstlerin Cao Fei dokumentiert ihr Leben in Second Life. Robbie Cooper fotografiert Avatare, Spielfiguren aus "World of Warcraft" und stellt deren Schöpfer daneben. Die Schaffung eines neuen Egos, nie war sie leichter als heute. Der Mensch am PC, er bleibt leider derselbe.