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Das biologische Blonde

Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln ist im vergangenen Jahr um 16 Prozent gestiegen. Inzwischen springen auch die Hersteller konventionell erzeugter Lebensmittel auf den Bio-Zug auf. Etwa die Flensburger Brauerei: Sie ist die erste nationale Biermarke, die mit einem neuen Bier, auf dessen Flasche das Bioland-Siegel prangt, ihre Produktpalette ausbaut. Damit will die mittelständische Brauerei neue Kunden gewinnen und dem Rückgang beim klassischen Pilsener begegnen.

Von Detlev Karg |
    Flens ist nicht gleich Pils. Das wissen Biertrinker vor allem im Norden Deutschlands schon seit langem. Ob Weizen in der Halbliterflasche, Gold-Bier in der weißen Flasche, Malz oder Bockbier: Die Flensburger Brauerei beobachtet seit Jahren intensiv den Markt und reagiert rasch auf Trends. Dunkelbier, Alkoholfreies und Radler ergänzen die Palette. Als etwa im Jahr 2005 das Gold-Bier auf den Markt kam, zielte es ganz klar auf Frauen als Zielgruppe, denen herkömmliches Pils zu herb ist. Nur mit Diversifizierung und dem besonderen Etwas kann eine Brauerei wie Flensburger, die rund 53 Millionen Euro Umsatz im Jahr erwirtschaftet, den milliardenschweren Braukonzernen und den Billigbierbrauern trotzen, erläutert Braumeister Henning Laubrock:

    "Im Prinzip ist es so, dass wir versuchen, über die Marke eine gewisse Qualität und eine gewisse Einzigartigkeit mit dem Bügelverschluss zu erreichen, um eben gegen den sehr harten Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Und das ist eben hart, wenn wir einen Kasten für zehn bis elf Euro anbieten und der Wettbewerber bietet den für fünf oder sechs Euro an."

    Ihre Preise kann die Flensburger Brauerei dennoch verlangen und nun besetzt das Unternehmen mit der neunten Sorte "Kellerbier" die Bio-Nische. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen Bio-Produkte einkaufen, überzeugte die Verantwortlichen der Flensburger Brauerei, auf den Zug aufzuspringen. Seit Januar ist das Biobier von der Förde auf dem Markt und wird die Absatzerwartungen übertreffen, so Marketingleiterin Katja Möller:

    "Wir haben uns ein bestimmtes Ziel gesetzt, das sind 5000 Hektoliter, das war sehr bescheiden, und das werden wir auf jeden Fall übertreffen. Es ist nicht nur so, dass der klassische Lebensmitteleinzelhandel für den norddeutschen Bereich gelistet hat, auch der Naturkosthandel hat uns gelistet und uns dankbar aufgenommen, vielleicht weil es das erste nationale Markenbier ist, das auch ein biologisches Bier hat. Das freut uns sehr. Es ist eine Rückenstärkung, denn wenn der Naturkostfachhandel Ja sagt, dann ist das für den klassischen Lebensmitteleinzelhandel auch ein Zeichen dafür, dass das ein Produkt ist, das er aufnehmen muss."

    5000 Hektoliter Bio-Bier, hergestellt nach den Bioland-Kriterien, dafür muss die Flensburger Brauerei rund 500 Tonnen biologisch angebaute Braugerste einkaufen, das entspricht bereits der Hälfte der Erntemenge dieses Produkts in Schleswig-Holstein. Angesichts dieser Menge war ein gewisser Vorlauf nötig, denn Biogerste wird nur im Rahmen einer strengen Fruchtfolge angebaut, Monokulturen sind verboten. 2003 machte man sich in Flensburg erstmals Gedanken um ein Öko-Bier, über das Jahr 2006 hinweg wurde es dann brauerisch entwickelt. Und es hat seinen Preis:

    "Preislich ist es im Vergleich zum klassischen Pilsner sicher etwas teurer, schon allein aufgrund der Tatsache, dass die Zutaten alle aus kontrolliert biologischem Anbau selbstverständlich teurer sind, im Vergleich steht es aber ganz passend da. Das Sixpack wird für 3,79 angeboten und das ist durchaus im Preisbild der Bio-Biere."

    Auch das ist ein Teil der Marketingstrategie: Flensburger Kellerbier im Kasten wird es nicht geben. Angesichts der Knappheit der biologischen Zutaten ist das verständlich. Bei einem Ausstoß von 570.000 Hektolitern im Jahr wird das Bio-Bier mit rund einem Prozent eine kleine feine Nische besetzen. Freilich ist auch konventionelle Gerste nicht beliebig verfügbar, ein Umstand, mit dem nicht nur die Flensburger Brauerei zurechtkommen muss:

    "Die Rohstoffpreise sind immens gestiegen, wegen der schlechten Ernten im Gerstenbereich letztes Jahr. Es waren verschiedene Regionen weltweit, natürlich auch hier in Deutschland und in Europa, und dadurch sind die Rohstoffpreise extrem gestiegen, für Braumalz ungefähr um 70 bis 80 Prozent. Hinzu kommt noch, dass viele Landwirte von der Braugerste weggehen - Thema Biogas - die dann eher Mais anbauen, weil sie mit dem Mais weniger Probleme haben. Erstens sind die Qualitätsanforderungen nicht so hoch und sie haben eben ähnliche Erträge gehabt wie bei der Braugerste."

    Durch lang laufende Kontrakte ist die Brauerei den gestiegenen Preisen entgangen. Nur so kann sich das 160 Mitarbeiter starke Unternehmen in der Schere fallender Bierpreise und steigender Rohstoffpreise behaupten und seine Preise stabil halten. Mit seinem Bio-Bier hat sich das Unternehmen erst einmal einen Vorsprung erarbeitet, der die Branche hellhörig gemacht hat, wie Katja Möller aus Gesprächen mit Mitbewerbern berichtet:

    "Letztendlich sind viele daran interessiert, und sie finden es sehr mutig, und bewundern uns da auch. Sie wissen genau, dass sie diesen Schritt so schnell nicht machen können, da die Rohstoffe gar nicht zur Verfügung stehen, und viele scheuen sich auch noch, mit ihrer Marke in den biologischen Bereich zu gehen."

    Bio-Bier herzustellen, daran hätte bei Flensburger vor einer Generation auch noch niemand geglaubt. Eine Firmenanekdote beschreibt die ersten Schritte des Unternehmens auf dem Weg der Expansion:

    "Wie unser Geschäftsführer früher sagte: 1974 fing der Export für uns an. Das ging dann über den Kanal. Der Kanal trennt Schleswig-Holstein und 1974 haben wir den Export dann erweitert."

    Längst wird nicht mehr nur von Schleswig nach Holstein exportiert, was angesichts der Historie des aus zwei recht unterschiedlichen Teilen bestehenden Bundeslandes einst durchaus ein echter Schritt heraus aus dem lokalen Markt war. Von den derzeit 40.000 Flaschen, die stündlich im Zweischichtbetrieb abgefüllt werden, gehen heute 1,5 Prozent sogar in den weltweiten Export, Tendenz steigend. Das klassische Pilsener hat derzeit noch einen Anteil von 70 Prozent bei der Flensburger Brauerei. Und sollten die Menschen einst ganz auf Alkoholisches verzichten, so können sie künftig auch mit einem grundsätzlich gesunden Getränk "ploppen":

    "Wir haben eigene Brunnen hier auf dem Gelände, so genannte artesische Quellen, das heißt, das Wasser kommt aus eigener Kraft nach oben, das haben wir untersuchen lassen, das Institut hat gesagt: einwandfrei, sogar zur Herstellung von Babynahrung geeignet, und wir dürfen es wirklich Mineralwasser nennen."

    Es wird nicht mehr lange dauern, bis das Mineralwasser in den Bügelflaschen auf den Markt kommt. Das wird dann nach dem Bio-Bier das zehnte Mitglied der Flensburger Produktpalette werden.