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Das Bördeprojekt in der Kölner Bucht

Es ist Erntezeit für die Landwirte in der Kölner Bucht. Reife Kornfelder warten auf den Mähdrescher, und überall auf der weiten, ebenen Fläche sind die Traktoren unterwegs. Am Ortsrand von Widdersdorf bei Köln gibt es nur wenige Wiesen, denn der fruchtbare Lössboden bringt als Acker mehr Gewinn. Getreide, Zuckerrüben, Gemüse und Kartoffeln gedeihen hervorragend, auch wegen des milden Klimas. Die Kölner Bucht ist eine sogenannte Bördelandschaft, also eine Tieflandsbucht mit besonders fruchtbarem Boden. Und weil solche Bördelandschaften auch immer intensiv beackert werden, finden seltene Tiere und Pflanzen hier nur einen sehr eingeschränkten Lebensraum. Das will der Deutsche Bauernverband aber nun ändern - zumindest startet er ein Modellprojekt in der Kölner Bucht. Hier sollen die landwirtschaftlichen Flächen durch sechs Meter breite Randstreifen aufgelockert werden. Auf solch einem Saum sähen die Landwirte dann Ackerkräuter statt Getreide aus. Die Pflanzen sollen wiederum Insekten und andere Tiere anlocken. Prof. Wolfgang Schumacher von der Uni Bonn begleitet das Modellprojekt von der wissenschaftlichen Seite her:

Von Arndt Reuning | 16.07.2003
    Naturschutz in Bördelandschaften heißt zunächst einmal: Wir müssen möglichst viel dafür tun, dass die spezifische Flora und Fauna der Bördelandschaft - und das sind im wesentlichen licht- und wärmeliebende Arten unter der Insektenwelt vor allen Dingen, aber auch hin bis zum Rebhuhn und Feldhasen und dann auch zu anderen Vogelarten schließlich - wieder mehr Lebensmöglichkeiten bekommen.

    Roter Klatschmohn, gelber Hornklee, weiße Schafsgarbe und blaue Kornblumen wiegen sich im Wind. Rund dreißig Pflanzensorten wurden gezählt, die Gräser nicht mitgerechnet. Der aromatisch riechende Rheinfarn beispielsweise bietet sechzig verschiedenen Insektenarten Nahrung und Lebensraum. Zwei Kilometer der Ackerstreifen sind bei Köln-Widdersdorf schon angelegt. Im Herbst sollen dann weitere sechs Kilometer hinzukommen. Für Wolfgang Schumacher aber immer noch nicht genug:

    Ideal wäre es, wenn wir im Laufe der Jahre vielleicht hundert bis zweihundert Kilometer solcher Blühstreifen hinbekommen, die als Säume für Flora und Fauna eine sehr große Bedeutung haben.

    Aber nicht nur Flora und Fauna sollen von den Maßnahmen profitieren. Auch die Landwirte, die in das Projekt eingebunden sind, sollen nicht leer ausgehen. Sie werden finanziell entschädigt. Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Weitere Projektpartner sind die Landwirtschaftskammer Rheinland und der Rheinische Landwirtschafts-Verband. Dessen Präsident, Friedhelm Decker, führt aus:

    Das ist eben die Frage und Überlegung, im Zielort des Bördeprojektes zu klären: Wie können wir Ausgleichsverpflichtungen, die ansonsten ganze Äcker dauerhaft versiegeln, in anderer Form umsetzen: kulturverträglicher, für den Bürger anschaulicher und für den Landwirt vom Umsetzen her verträglicher.

    So ländlich Widdersdorf auch erscheint, liegt es doch im Ballungsraum Köln. Am Horizont zeichnet sich der Kölner Fernmeldeturm ab, und das Rauschen der nahe gelegenen Autobahn ist allgegenwärtig. Und die Stadt Köln und die umliegenden Dörfer wachsen immer weiter. Umso kostbarer ist jedes Fleckchen, das noch brach liegt. Dr. Joachim Bauer vom Kölner Amt für Landschaftspflege und Grünflächen möchte die Ackerkräuter von ihrem Dasein als Randphänomen langfristig befreien:

    Nicht unbedingt an dem Standort hier, aber in dem Bereich, ja? Dass ein gewisser Prozentsatz an Ackerflächen eben für solche Maßnahmen zur Verfügung steht. Die können wandern, das muss nicht immer dieselbe Fläche sein, aber der Prozentsatz muss da sein. Und dann ist die Langfristigkeit, da reden wir über dreißig Jahre oder ähnliches, das muss gewährleistet sein.

    Denn die blühenden Randstreifen schützen nicht nur die Artenvielfalt, sondern sehen auch einfach schön aus. Eine Spaziergängerin aus Widdersdorf:

    Ja, ich find das sehr schön hier, dass die das hier angelegt haben. Das haben die eigentlich erst in diesem Jahr gemacht. Doch, sind auch Mohnblumen da. Also, an manchen Tagen sind überhaupt keine Mohnblumen da und dann sind wieder jede Menge. Das ist ganz eigenartig.