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Das Buch als Motor für Veränderung

Am Wochenende ging in Karachi das zweite Literaturfestival zu Ende. Autoren aus Pakistan, Indien, England und USA trafen sich und sprachen naturgemäß nicht nur über Verse und Verlage, sondern auch über die politische Situation.

Von Anja Kampmann | 08.02.2011
    Das Karachi-Literaturfestival hat sich zum Ziel gesetzt, Pakistan zurück auf die Kulturlandkarte zu setzen. Viele der Schriftsteller kommen aus Pakistan, sind hier jedoch bislang selten offiziell zusammengekommen. So gab das Festival auch Anlass zur Selbstverständigung zwischen den Autoren. Viele von ihnen leben in England und den USA. Die Frage nach einer Identität zwischen Ländern und Kontinenten sowie die Frage der Sprache – Urdu oder Englisch – in der geschrieben wird, durchzogen das Programm des Festivals wie ein roter Faden. Und natürlich die Politik. Sara Suleri Goodyear, Schriftstellerin aus Lahore und Professorin an der Yale University:

    "Ich bin froh darüber, Schriftsteller über Politik reden zu hören ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, was so schwierig geworden ist in Pakistan. Sie sagen die Presse ist frei, ich glaube das ist sie, aber nur in ihrer eigenen Abgeschiedenheit, darum ist es übertrieben, es so zu sehen. Ernst zu nehmende Leute also über das was geschieht reden zu hören ist sehr, sehr wichtig. Und dann die Schriftsteller selbst, die – du meine Güte- wie viel Stoff jeden Tag erzeugt wird."

    Pakistanische Literatur boomt, allein im letzten Herbst wurden fünf junge Autoren ins Deutsche übersetzt. Politik und Machtstrukturen sind tief in ihre Erzählungen eingewoben. Daniyal Muennudin verfolgt diese bis in die streng hierachisch gegliederten Strukturen der Landbevölkerung hinein. Mohsin Hamid greift die Lebenssituation von Jugendlichen in der pakistanischen Mittelschicht auf. Die wachsenden extremistischen Tendenzen in den letzten Jahren und die damit einhergehende Furcht könnte auch die Arbeit der Schriftsteller beeinflussen. Dazu Mohsin Hamid:

    "In einem Land wie Pakistan arbeiten wir in einem bestimmten Klima der Gefahr. Nicht, um nicht zu stumpf zu klingen, es ist nicht so wie – oh, etwas ist anderen Schriftstellern geschehen und deshalb wird es mir auch geschehen- glücklicherweise ist nicht besonders viel passiert. Es ist die Angst, dass etwas unerwartet passieren könnte, und du weißt, dass es das da draußen gibt, dass es lauert ."

    Auch Experten aus Politik und Religionswissenschaft wie Ahmed Rashid waren eingeladen. So konnte der Versuch unternommen werden, das komplexe Verhältnis Pakistans und Afghanistans zu diskutiert, Experten zu Sufismus aus Deutschland und Frankreich sprachen über die Bedeutung dieses mystischen Zweigs des Islams. Der Austausch über die zeitgenössische pakistanische Literatur fand nicht nur auf Englisch, sondern parallel in der pakistanischen Landessprache Urdu statt. Der Autor H.M. Naqvi, bekannt geworden durch seinen Debütroman über das Leben dreier Pakistani in New York nach dem 11. September, sieht gerade in der Vielfalt der Stimmen auch eine Chance für die gegenwärtige Literatur.

    "Wenn man das ländliche Pakistan verstehen will, musst man die Poesie von Pidscha und Bulescha lesen, sie sind so etwas wie Volks-Sufi Poeten, deren Poesie sich mit Blasphemie auseinandersetzt und großen Anklang bei Menschen im ländlichen Sindh, im ländlichen Punjab findet."

    Die Themen der Erzählungen beinhalteten Exilbanker in New York, Machtstrukturen auf dem Land, die Stellung der Frau, Familien, die auf der Suche nach einer Bleibe innerhalb von zwei Generationen um den halben Erdball wandern. Eine zentrale Stellung nahm auch die Urdu-Poesie ein, die eine lange Tradition gerade in den ländlichen Regionen hat. In der komplizierten Struktur des Landes sehen die Autoren auch Chancen für ihre Literatur, die noch lange nicht ausgeschöpft sind.